November 2021

    SBV InfoBrief
    Ausgabe Nr. 29

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

….. die Parteien wollen sich beeilen. Der Nikolaustag soll sie uns schon bringen – die Koalitionsvereinbarung von SPD, Grünen und FDP. St. Nikolaus ist ja der „Geschenkebringer“. Manchmal – allerdings nach heutigem Stand pädagogisch nicht besonders wertvoll – ist er auch der Kinderschreck, der mit erhobenem Zeigefinger Gehorsam einfordert. Mit welchen Gaben wird er uns womöglich erschrecken, wenn er das Ergebnispaket der Koalitionsverhandlungen aus seinem Sack hervorholt?

Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche werden von Vielen skeptisch beurteilt. Unter dem Punkt „Respekt und Chancen in der modernen Arbeitswelt“ ist nichts von Respekt und Chancen für behinderte Menschen und deren Teilhabe am Berufsleben zu lesen. Auch im Abschnitt „Soziale Sicherheit“ wimmelt es von rhetorischen Allgemeinplätzen.

Ok, im Absatz „Freiheit und Sicherheit, Gleichstellung und Vielfalt in der modernen Demokratie“ finden wir endlich etwas: „Wir wollen, dass das tägliche Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen selbstverständlich wird und werden daher die Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern mit Behinderungen weiter ausbauen - auf dem Arbeitsmarkt und durch die Förderung von Barrierefreiheit im Alltag, beim Wohnen und im digitalen Raum.“ 1. Frage: Geht es noch inhaltsleerer als mit „weiter ausbauen“? 2. Frage: wie wäre es stattdessen mit „vollständige Teilhabe herstellen“?

Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.
(Willy Brandt, 1913 - 1992)


Einerseits ist diese Formulierung das ungefilterte Eingeständnis, dass 12 Jahre nach Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention nach wie vor Benachteiligungen und Diskriminierungen von behinderten Menschen Teile unserer gesellschaftlichen Realität sind. Und andererseits? ……… stand die Metapher vom Ausbau der Teilhabe so ähnlich auch in den letzten drei Koalitionsvereinbarungen.
Alle Zukunftsinvestitionen zur geplanten Modernisierung von Staat und Gesellschaft sollen ohne Steuererhöhungen finanziert werden. Hier hat sich die FDP durchgesetzt. Zu welchem Preis, werden wir dann vom Nikolaus erfahren.

Was können wir also erwarten? Oder besser gefragt, was müssen wir mit Nachdruck fordern? Teilhabe und Barrierefreiheit muss ein Querschnittsthema der neuen Regierung sein! Es gibt von Verbänden und Gewerkschaften genügend plausible Vorschläge und Forderungen! Zum Beispiel die Forderungen, wie sich die berufliche Teilhabe behinderter Menschen verbessern ließe! Aber – oh Himmel bewahre – die schon 2020 geplante Erhöhung der Ausgleichsabgabe um 20 Prozent des jeweiligen Staffelbetrages und die Einführung eines vierten Staffelbetrages für die beschäftigungspflichtigen Unternehmen, die keinen einzigen Menschen mit Schwerbehinderung einstellen, in doppelter Höhe des dritten Staffelbetrages, würden Geld kosten! Und dies fehlt dann doch den Unternehmen zu ihrer Modernisierung. Also Teufelszeug?!?!? Der Markt wird es richten?!?!

Vorläufiges Fazit: Wir arbeiten weiter und weiter am „Bewusstseinswandel“ und am „Abriss der Barrieren im Kopf“ in Politik und Gesellschaft. Wie lange noch?

Solidarität ist die bewusste Bereitschaft, durch Selbsteinschränkung die Freiheit aller zu mehren; sie kann nicht verordnet, wohl aber muss sie geweckt und motiviert werden.
(Willy Brandt, 1913 - 1992)


Jedoch gibt es noch mehr „Problemfälle“ im sozialen Bereich. So brauchen wir alles, nur keine „Aktienrente“, mit der die gesetzliche Rentenversicherung weiter demontiert werden würde. Wir benötigen eine, in der Zukunft gesicherte, solide Finanzierung der gesetzlichen Rente, einer Erwerbstätigenrente. Wer Aktien als sichere Altersversorgung propagiert, vergisst, dass die gesetzliche Rentenversicherung immer krisenfest war und für die Versicherten eine verlässliche Größe ist. Wenn die FDP ihr „Baukastenmodell“ aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge propagiert, dass „je nach Lebenslage flexibel kombiniert und an moderne Lebensläufe angepasst werden“ kann, blendet sie völlig aus, dass es heute schon viele Mitmenschen gibt, deren „moderner Lebenslauf“ alles andere als nachhaltig finanziert ist und keine private Vorsorge zulässt.

Und was noch? Die FDP fordert mehr Flexibilität im Arbeitszeitgesetz und will eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit. Dies soll auf der Basis von Betriebsvereinbarungen möglich sein. Experimentierräume nennt man das heute. Das heißt nichts anderes, als dass Betriebsräte noch mehr Druck der Arbeitgeber aushalten müssen und ggf. erpressbar werden. Schöne neue Arbeitswelt. Wird die von den Arbeitgeberverbänden seit vielen Jahren intensiv geführte Kampagne zur Aufweichung des Arbeitsschutzes nun unter roter und grüner Beteiligung „Erfolge“ zeitigen?

Corona – gibt es auch noch. Fast neun von zehn Nichtgeimpften in Deutschland wollen sich einer Umfrage zufolge auch in den kommenden Wochen nicht gegen das Coronavirus impfen lassen. Vielleicht helfen die Antworten auf 10 W-Fragen zum Thema Impfung. Eine gute Idee der DGUV für eine betriebliche Plakataktion (erhältlich als PDF in verschiedenen Sprachen).

Ich wünsche im nebelgrauen November eine interessante Lektüre und einen kritischen Blick auf die Regierungsbildung
Jürgen Bauch

sbv-infobrief@htp-tel.de

ver.di-Forum Nord & Bildungswerk ver.di in Niedersachsen

Fachtagung für die Vertrauenspersonen der Schwerbehinderten sowie für Betriebsräte, Personalräte und Mitarbeitervertretungen

„Nachdem die Fachtagung in 2021 nur als Online-Veranstaltung stattfinden konnte, planen wir die 11. Fachtagung. Wir lenken den Blick auf die Frage: Wie kommen mehr Menschen mit Behinderung in Ausbildung und Arbeit? Wie können Betriebe und Dienststellen Rahmenbedingungen gestalten und welche Handlungsmöglichkeiten haben die SBVen dabei?
Wir werden uns mit den Themen Barrierefreiheit in Betrieb und Dienststelle, Gleichstellung, Präventionsverfahren, Erwerbsminderungsrente und der Beteiligung der SBV bei Einstellungen beschäftigen.
Auch in diesem Jahr haben wir Expertinnen und Experten des Arbeits- und Sozialrechts als Referentinnen und Referenten gewinnen können, die auf dieser Fachtagung die für die Arbeit der SBVen erforderlichen Kenntnisse vermitteln.

In Vorträgen, Diskussionen und Workshops werden die speziellen Themen der SBV thematisiert, gemeinsam bearbeitet und vertieft.
Weitere Informationen & Anmeldung unter www.betriebs-rat.de

SoVD-Forderung an neue Regierung

Der Bundestagswahlkampf und das Wahlergebnis haben gezeigt, dass die Spaltung unserer Gesellschaft voranschreitet. Zudem hat die Corona-Pandemie grundlegende Systemfehler und langjährige Fehlentwicklungen in den deutschen Sozial(versicherungs)-systemen aufgezeigt und verschärft. Für die soziale Stabilität und den sozialen Frieden gilt es daher mehr denn je, den deutschen Sozialstaat umfassend zu stärken. Gleichzeitig darf die finanzpolitische Verantwortung, die sich aus den Kosten der Corona-Krise ergibt, nicht den ohnehin sozial Benachteiligten aufgebürdet werden.

Unter anderem fordert der SoVD in seinem „Soziales 100-Tage-Programm“ von der neuen Bundesregierung:

Kurzfristig muss ein Beschäftigungsprogramm für Menschen mit Schwerbehinderungen gestartet werden, da sie durch die Corona-Pandemie überproportional aus dem Arbeitsmarkt herausgedrängt wurden und weiter ausgeschlossen sind. Die Situation junger Menschen mit Behinderungen auf Ausbildungsplatzsuche und die schwere Situation älterer Menschen mit Behinderungen müssen besonders berücksichtigt werden.

Für das Beschäftigungsprogramm sind kurzfristig ausreichend finanzielle Mittel bereit-zustellen. Vorbild kann die „Initiative Inklusion“ sein, mit der vor einigen Jahren über 1.300 zusätzliche Ausbildungsplätze und mehr als 4.000 neue Arbeitsplätze für Menschen mit Schwerbehinderungen geschaffen wurden.

Quelle: www.sovd.de

Kommentar auf kobinet-nachrichten.org

Eigentlich würde kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul dem rot-grün-gelben Sondierungsergebnis zur Behindertenpolitik im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention die Note ungenügend ausstellen. In seinem Kommentar vergibt er aber die Note mangelhaft für die Formulierung zur Behindertenpolitik im Sondierungsergebnis, weil er für die Koalitionsverhandlungen noch Verbesserungsbedarf sieht und die gewählte Formulierung immerhin ein Türöffner dafür ist.

Link zum Kommentar: www.kobinet-nachrichten.org

Empfehlungen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der 20. Wahlperiode (2021-2025)

Die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention gibt Empfehlungen für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der 20.Wahlperiode.

Auch 12 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK, Konvention) ist die gesellschaftliche Inklusion noch nicht weit genug fortgeschritten. Die Konvention trat am 26. März 2009 in Deutschland in Kraft und ist für alle staatlichen Stellen verbindlich. Diese sind verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zur Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen in ihrem Zuständigkeitsbereich zu treffen (Artikel 4 UN-BRK).

Mit Blick auf die letzten Jahre sind auf Bundesebene einige Fortschritte in Zielrichtung der Umsetzung der Konvention zu beobachten – etwa durch die Ausrichtung der Eingliederungshilfe an personenbezogenen Leistungen, die Umsetzung der Europäischen Richtlinie zur digitalen Barrierefreiheit ins deutsche Recht oder die Einführung einer Sozialleistung zur Assistenz im Krankenhaus. Doch es bestehen weiterhin große Umsetzungsdefizite, die die neue Bundesregierung in der nächsten Legislatur angehen muss.

Für die nächsten fünf Jahre des Regierungshandelns ist ein klares Bekenntnis aller Ressorts der Bundesregierung zur UN-Behindertenrechtskonvention und den darin verbrieften Rechten von Menschen mit Behinderungen notwendig. Denn die Vergangenheit hat gezeigt: In vielen politischen Bereichen ist der Paradigmenwechsel von einer Fürsorgepolitik zu einer Politik der Inklusion und Selbstbestimmung noch nicht vollständig vollzogen worden. Auch werden die Auswirkung politischer Entscheidungen auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen nicht immer mitgedacht, wie unter anderem die Pandemiepolitikgezeigt hat.
Ein konsequentes Disability Mainstreaming ist daher dringend notwendig. Die Rechte von Menschen mit Behinderungen müssen in allen Bundesressorts in ihrer vollen Tragweite berücksichtigt und proaktiv Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung ergriffen werden.

Die neue Bundesregierung sollte daher:

  • die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der 20.Legislaturperiode in den politischen Fokus rücken und ein konsequentes Disability Mainstreaming in allen Ressorts betreiben; dabei sollten die unten aufgeführten thematischen Schwerpunkte zur Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen aufgegriffen werden.
  • den/die Bundesbehindertenbeauftragte/n beim Kanzleramt ansiedeln und so ein klares Zeichen der Bundesregierung für ein ressortübergreifendes Disability Mainstreaming und den Willen zur Umsetzung der UN-BRK setzen.

Link zum PDF-Download: www.institut-fuer-menschenrechte.de

Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)

Für schwer psychisch erkrankte Erwachsene mit einem komplexen ärztlichen wie therapeutischen Behandlungsbedarf gibt es künftig ein neues Angebot der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschloss am 2. September 2021 in einer neuen Richtlinie die Details für diese koordinierte und strukturierte Versorgung (KSVPsych-RL). Ziel ist es, alle für die Versorgung im Einzelfall benötigten Gesundheitsberufe zu vernetzen, um Betroffenen schnell und bedarfsgerecht zu helfen. Das schließt auch Hilfen ein, wenn Patientinnen und Patienten zwischen stationärer und ambulanter Versorgung wechseln müssen. Bezugs- und Koordinationspersonen für die jeweiligen Patientinnen und Patienten kommt dabei eine besondere Aufgabe im Netzverbund zu.

Link zum vollständigen Text und Download: www.g-ba.de

Forderungen der Behindertenbeauftragten an die Bundesregierung in der 20. Legislaturperiode

Zum Abschluss des 62. Treffens der Behindertenbeauftragten des Bundes und der Länder am 14. und 15. Oktober 2021 in Dresden haben die Beauftragten des Bundes und der Länder für Menschen mit Behinderungen heute in Form von „Dresdner Positionen“ Forderungen für einen Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages verabschiedet. Die Beauftragten fordern, dass bei den Koalitionsverhandlungen die Belange von Menschen mit Behinderungen als Querschnittsthema in allen Politikfeldern Berücksichtigung finden.

Benannt werden die Themen:

  1. Umfassende Barrierefreiheit, hier unter anderem:
    - Verpflichtung von privaten Anbietern zur Barrierefreiheit
    - Inklusives Wohnen und soziale Teilhabe, die Schaffung von bezahlbarem und barrierefreiem Wohnraum soll konsequent vorangetrieben werden, so sollen Bundesmittel für Förderprogramme zum barrierefreien Wohnungsbau (z.B. KfW Programm „Altersgerecht umbauen“) verdreifacht werden,
    - die Weiterentwicklung des Bundesteilhabegesetzes konform zur UN-Behindertenrechtskonvention,
    - den Ausbau barrierefreier Mobilität und digitale Barrierefreiheit,
  2. Inklusion im Gesundheitswesen, zum Beispiel eine gesetzliche Verpflichtung zur Schaffung von Barrierefreiheit in allen Arzt- und Therapiepraxen bis 2030,
  3. Inklusiver Arbeitsmarkt, zum Beispiel die Einführung eines vierten Staffelbetrages für die beschäftigungspflichtigen Unternehmen, die keinen einzigen Menschen mit Schwerbehinderung einstellen, in doppelter Höhe des dritten Staffelbetrages,
  4. Völkerrechtliche Verpflichtungen: So soll mit den konkreten Empfehlungen des UN-Fachausschusses für die Rechte der Menschen mit Behinderungen zur besseren Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf Bundes- und Länderebene strukturiert umgegangen werden.

Der Beauftragte der Sächsischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen und Gastgeber des Treffens, Stephan Pöhler, hierzu: „Mit den ‚Dresdner Positionen‘ machen wir deutlich, was wir von der künftigen Bundesregierung erwarten.“

Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen: „Eine starke Demokratie braucht mehr Inklusion. Deswegen muss Barrierefreiheit in allen Bereichen endlich als Mehrwert und auch als Qualitätsstandard für ein fortschrittliches Land anerkannt werden. Dafür wäre es auch notwendig, dass mehr Menschen mit Behinderungen in der Politik vertreten sind.“

Im Einzelnen umfassen die „Dresdner Positionen“ 40 konkrete Forderungen. Fachlicher Schwerpunkt des Treffens selbst waren Fragen der digitalen Barrierefreiheit, ein im Hinblick auf den laufenden Umsetzungsprozess der Richtlinie (EU) 2016/2102 brandaktuelles Thema, angereichert mit Fachvorträgen zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und dem Onlinezugangsgesetz.

Die Beauftragten treffen sich zweimal pro Jahr zu Beratungen. Neben einem Austausch erörterten die Teilnehmer aktuelle behindertenpolitische Themen. Das Treffen in Dresden war nach zweijähriger pandemiebedingter Pause das erste Präsenztreffen.

Die Dresdner Positionen können Sie unter diesem Link herunterladen: www.behindertenbeauftragter.de

Der Paritätische reagiert mit großer Sorge auf Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP

Die Gretchenfrage bleibt unbeantwortet: Woher soll das Geld kommen? Auch armutspolitisch bleibt das Sondierungspapier Antworten schuldig.

Große Sorge bereitet dem Paritätischen Wohlfahrtsverband das veröffentlichte Sondierungspapier, auf das sich die Verhandlungsteams von SPD, Grünen und FDP als gemeinsame Basis für mögliche Koalitionsverhandlungen verständigt haben. Als einer der größten Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland, unter dessen Dach über 10.800 Organisationen und Initiativen sozialer Arbeit organisiert sind, vermisst der Paritätische unter den ausformulierten Zielen der potenziellen Ampel-Partner insbesondere, die Armut in diesem Land zu beseitigen und die tief gespaltene Gesellschaft wieder zusammenzuführen. Sollten SPD, Grüne und FDP potenzielle Steuererhöhungen tatsächlich zum Tabu erklären, mache sie sich schlicht handlungsunfähig, warnt der Verband. ………

Quelle: www.der-paritaetische.de

DGUV

Berufsgenossenschaften und Unfallkassen haben seit Beginn der Pandemie bis einschließlich August 2021 mehr als 100.000 Fälle von COVID-19 als Berufskrankheit anerkannt. Das teilt ihr Spitzenverband, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), mit. Hinzu kommen über 10.000 Fälle, in denen eine COVID-19-Erkrankung als Arbeits- oder Schulunfall anerkannt wurde. Die Pandemie beeinflusst damit auch weiterhin das Versicherungsgeschehen in der gesetzlichen Unfallversicherung. Laut vorläufigen Zahlen für das erste Halbjahr 2021 gab es deutlich mehr Berufskrankheiten, während Arbeits- und Wegeunfälle unter dem Niveau des Jahres 2019 blieben.

„Diese Zahlen erinnern uns daran, welche Wucht das Coronavirus gerade in den kalten Monaten entfalten kann“, kommentiert DGUV-Hauptgeschäftsführer Dr. Stefan Hussy die Statistik. Trotz umfassender Schutzmaßnahmen hätten sich viele Menschen bei der Arbeit angesteckt, vor allem im Gesundheitswesen. Bislang fehle es noch an Daten, um die Folgewirkungen abzuschätzen; insbesondere sei noch unklar, wie viele Versicherte an Long-COVID litten. Angesichts der Verbreitung der Deltavariante des Coronavirus SARS-CoV-2 und der bevorstehenden kalten Jahreszeit hat der DGUV-Hauptgeschäftsführer daher eine dringliche Botschaft: „Wenn Sie sich impfen lassen können, aber es noch nicht gemacht haben: Lassen Sie sich impfen!“
Impfangebote seien unter www.hierwirdgeimpft.de zu finden.

Weitere Informationen auf www.dguv.de

Vortrag von Christoph Butterwegge

Die sozioökonomische Ungleichheit, von vielen hauptsächlich in Staaten wie den USA, Brasilien oder Südafrika verortet, ist auch hierzulande stark ausgeprägt. Welche Auswirkungen ergeben sich durch die Corona-Pandemie? Hat sich die Ungleichheit im Corona-Kapitalismus weiter verschärft?
Prof. Dr. Christoph Butterwegge hat von 1998 bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln gelehrt. Er gilt als einer der renommiertesten Armutsforscher. Zuletzt erschien von ihm das Buch „Die zerrissene Republik – wirtschaftliche, soziale und politische Ungleichheit in Deutschland“

Link zum Video: www.isw-muenchen.de

ver.di

In einem Jahr ist es wieder so weit: In den Betrieben und Dienststellen werden vom 1. Oktober bis zum 30. November 2022 die Schwerbehindertenvertretungen (SBVs) gewählt.
Die Zeit bis zu den nächsten SBV-Wahlen sollte genutzt werden, um in Betrieben und Dienststellen, in denen es bisher noch keine Schwerbehindertenvertretung gibt, Kandidatinnen und Kandidaten zu finden und die Wahl vorzubereiten. Dort, wo gute betriebliche Strukturen existieren, ist die SBV-Wahl oftmals ein Selbstläufer. Bedingt durch den demografischen Wandel werden sich zu den nächsten Wahlen etliche langjährige Mitglieder in den Ruhestand verabschieden. Hier ist es wichtig, frühzeitig mit der Nachfolgeplanung zu beginnen und ein Konzept zu machen, um kompetente Nachfolgerinnen und Nachfolger zu finden, sie auf die spannenden Aufgaben vorzubereiten und einen Wissenstransfer sicherzustellen.

Wichtige Voraussetzungen, um als SBV zu kandidieren, sind: Einfühlungsvermögen und Durchsetzungskraft, ein eigenes Ziel- und Zeitmanagement, die Bereitschaft zur Kooperation mit der Geschäftsleitung und den anderen betrieblichen Interessenvertretungen, Behörden und Ämtern und nicht zuletzt der Wille zur Weiterbildung.

Die Wahlen der Schwerbehindertenvertretungen haben in ver.di einen hohen Stellenwert, deshalb werden sie mit einer umfangreichen Kampagne begleitet und unterstützt.

Link: www.arbeitsmarkt-und-sozialpolitik.verdi.de

Augenmedizin

Filter für Smartphones, Computerbrillen für Kinder, Kontaktlinsen für PC-Arbeit: Viele Produkte werben mit dem Schutz vor Blaulicht, das von Bildschirmen und Handydisplays ausgeht. Doch ist blaues Licht wirklich schädlich für unsere Augen, beeinträchtigt es den Schlaf? Nein, sagen Experten der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Warum wir vor dem Einschlafen die Helligkeit elektronischer Geräte dennoch reduzieren sollten und welches Licht tatsächlich Netzhautschäden verursachen kann, erläutern Ophthalmologen.

Link: www.management-krankenhaus.de

Gesundheit unter vier Augen

Die Techniker Krankenkasse setzt sich in ihrer YouTube-Serie „Gesundheit unter vier Augen“ mit dem Thema Sehbehinderung auseinander. Youtuber Marius Angeschrien trifft im ersten Teil die blinde Make-up-Artist Tina Sohrab und im zweiten Teil DVBS-Vorstandsmitglied Nina Odenius. Beide nehmen ihn mit, in einen kleinen Teil ihres Alltags. Zu den Videos auf YouTube:

Teil 1 | Gesundheit unter vier Augen
Teil 2 | Gesundheit unter vier Augen

Bundesrat

Die Bundesregierung hat frühzeitig Maßnahmen in die Wege geleitet, um Erkenntnisse zu Long-Covid zu gewinnen und Handlungsbedarfe zu identifizieren. Dies betrifft auch die Auswirkungen, die die Erkrankung für das Rehabilitationssystem in Deutschland hat. Das betont die Regierung in einer Antwort (19/32509) auf eine Kleine Anfrage (19/32135) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
So sei zum einen eine Interministerielle Arbeitsgruppe (IMA) unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) eingerichtet worden, die vom 8. Juni bis zum 17. August 2021 sechsmal zu verschiedenen Aspekten und Themen von Long-Covid getagt habe.

Zum anderen habe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Anfang Juli 2021 die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (BAR) gebeten, quantitative und qualitative Daten zur Versorgungslage von Betroffenen zu erheben. „Geplant ist, dass neben den stationären Einrichtungen, über die Spitzenverbände auch ambulante Einrichtungen und Dienste in die Befragung einbezogen werden. Erste Ergebnisse der Bestandsaufnahme werden für Mitte Oktober 2021 erwartet“, schreibt die Regierung.

hib – heute im bundestag | Nr. 1044 | Montag, 4. Oktober 2021

Aus dem Bundestag

Desinformation ist nach Einschätzung der Bundesregierung ein Grund für die Verweigerung von Corona-Schutzimpfungen. Im Zusammenhang mit dem Vertrauen in die Sicherheit der Impfungen sei das Thema Desinformation sehr bedeutsam, heißt es in der Antwort (19/32507) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/32106) der FDP-Fraktion, die sich auch auf Ergebnisse einer Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) stützt.

Wenn Menschen über wesentliche Fakten gezielt falsch informiert würden, schmälere dies ihr Vertrauen in die Impfung und beeinflusse ihre Impfentscheidung. Ein relevanter Anteil der Befragten habe Fragen zum Wissen über die Impfung falsch beantwortet.

So erklärten 61 Prozent der Befragten, sie seien unsicher, ob die Corona-Impfung auch bei Menschen mit Kinderwunsch sicher sei. Ferner waren den Angaben zufolge 43 Prozent unsicher, ob die Impfung womöglich Allergien verursacht, und 36 Prozent waren unsicher, ob die Impfung Chemikalien in giftigen Dosierungen enthalten könnte.

hib – heute im bundestag | Nr. 1047 | Dienstag, 5. Oktober 2021

Recht

Orientierungssätze:
1. Ein höhenverstellbarer Schreibtisch kann als Hilfsmittel zur Berufsausübung der Rentenversicherung im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben in Betracht kommen.
2. Ein generell vorrangiger Anspruch des Arbeitnehmers auf eine solche Ausstattung des Arbeitsplatzes gegenüber dem Arbeitgeber besteht nicht.
LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 09.09.2020, Az.: L 2 R 2454/19

Link zum Urteil: www.rehadat-bildung.de

Tipp

Wer ist gemeint, wenn man von behinderten Menschen spricht? Lange Zeit existierte das Wort „behindert“ gar nicht. Später sollte es Begriffe wie „Krüppel“ ersetzen, doch plötzlich war es als Schimpfwort wieder da.

Wie die Disability Studies insgesamt, ist auch die Disability History ein ziemlich junges Forschungsgebiet. Untersucht wird das Verhältnis von Menschen mit Behinderung zur Mehrheitsgesellschaft, und zwar vorrangig aus der Perspektive der behinderten Menschen selbst.

In „Echt behindert!“ geht es diesmal darum, wie der Begriff "Behinderung" entstanden ist und wie er sich über die Zeit gewandelt hat.

  • Wie hat man im Mittelalter über behinderte Menschen gesprochen?
  • Wann tauchte das Wort „behindert“ zum ersten Mal auf?
  • Wie haben sich die Gesetze in den vergangenen 100 Jahren geändert?
  • Und warum ist „behindert“ trotz aller Inklusion heute ein Schimpfwort?
  • Zu Gast in der Sendung ist Prof. Dr. Anne Waldschmidt von der Uni Köln.

Link zum Podcast „Echt behindert!“: www.dw.com

G-BA

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die Corona-Sonderregeln für die telefonische Krankschreibung bei leichten Atemwegsinfekten, für ärztlich verordnete Leistungen sowie für die telefonische Beratung in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung um weitere drei Monate bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.

Angesichts der leichten Übertragbarkeit der Delta-Variante des Coronavirus und der zu langsam voranschreitenden Impfung der Bevölkerung sollen die erneut verlängerten Sonderregeln weiterhin helfen, Kontakte zu vermeiden und potenzielle Infektionsrisiken zu minimieren. Auch im Hinblick auf die bevorstehende Erkältungs- und Grippesaison müssen Arztpraxen weiter entlastet werden. Die Verlängerung betrifft die Sonderregeln, deren Geltungsdauer nicht an die epidemische Lage nationaler Tragweite geknüpft ist, sondern vom G-BA befristet beschlossen wurden.

Link zur Pressemeldung: www.g-ba.de

Hans-Böckler-Stiftung

18 Prozent der Erwerbspersonen in Deutschland haben im Sommer 2021 in hohem Ausmaß Verschwörungsmythen rund um die Corona-Pandemie, Zweifeln an der Gefährlichkeit des Virus und sehr grundlegender Kritik an den Corona-Schutzmaßnahmen zugestimmt. Das ergibt eine neue Auswertung der aktuellen Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung unter mehr als 5000 Erwerbstätigen und Arbeitsuchenden. Demgegenüber lehnten 57 Prozent bei der Befragung im Juni/Juli 2021 solche Aussagen ab, 24 Prozent zeigten eine ambivalente Haltung.

PDF-Download: www.boeckler.de

Recht

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass die Versorgung eines Multiple-Sklerose (MS)-Patienten mit einem Elektrorollstuhl nicht wegen Blindheit verweigert werden darf.
Geklagt hatte ein 57-jähriger Mann aus dem Landkreis Harburg. Wegen einer MS konnte er immer schlechter gehen. Zuletzt war er deshalb mit einem Greifreifen-Rollstuhl versorgt. Im Jahr 2018 verschlimmerte sich die Krankheit und ein Arm wurde kraftlos. Den Rollstuhl konnte er seitdem nur noch mit kleinen Trippelschritten bewegen.

Bei seiner Krankenkasse beantragte er die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl. Diese lehnte den Antrag ab, da der Mann blind und damit nicht verkehrstauglich sei. Auch bei zulassungsfreien Kraftfahrzeugen wie einem Elektrorollstuhl führe Blindheit nach ihrer Auffassung generell zu einer fehlenden Eignung. Denn eine Eigen- und Fremdgefährdung lasse sich bei Blinden nicht ausschließen. Dafür könne die Kasse nicht haften.

Dem hielt der Mann entgegen, dass er sich mit dem Langstock schon früher gut orientieren konnte. Das habe er nun auch im Elektrorollstuhl trainiert. Einen Handrollstuhl könne er nicht mehr bedienen und ohne fremde Hilfe könne er das Haus sonst nicht mehr verlassen.

Das LSG hat die Kasse zur Gewährung des Elektrorollstuhls verpflichtet. Es sei inakzeptabel, den Mann auf die behelfsmäßige Fortbewegung mit dem bisherigen Rollstuhl zu verweisen. Sehbeeinträchtigungen seien kein genereller Grund, eine Verkehrstauglichkeit bei Elektrorollstühlen abzulehnen. Es seien auch keine individuellen Gründe bei dem Mann gegeben, aus denen er mit einem Elektrorollstuhl nicht umgehen könne. Dies habe ein gerichtlicher Sachverständiger festgestellt. Etwaige Restgefährdungen seien dem Bereich der Eigenverantwortung zuzuordnen und in Kauf zu nehmen. Dabei hat das Gericht dem neuen, dynamischen Behindertenbegriff eine zentrale Bedeutung beigemessen. Es sei die Aufgabe des Hilfsmittelrechts, dem Behinderten ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und nicht, ihn von sämtlichen Lebensgefahren fernzuhalten und ihn damit einer weitgehenden Unmündigkeit anheimfallen zu lassen.

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 4. Oktober 2021 – L 16 KR 423/20
veröffentlicht bei www.juris.de; Vorinstanz: SG Lüneburg

Hans-Böckler-Stiftung

Wenn Beschäftigte die Möglichkeit haben, im Homeoffice zu arbeiten, identifizieren sie sich stärker mit ihrem Unternehmen. Das gilt besonders für diejenigen, die Arbeit und Freizeit gut auseinanderhalten können. Damit das gelingt, ist Fairness im Verhältnis zum Vorgesetzten wichtig. Umgekehrt sinkt die Bereitschaft, sich für den Arbeitgeber zu engagieren, wenn Beschäftigte die Erfahrung machen, dass die Grenze zwischen Beruflichem und Privatem im Homeoffice verschwimmt. Das ist das Ergebnis einer Studie von Dr. Yvonne Lott, Forscherin am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, und Prof. Dr. Anja Abendroth von der Universität Bielefeld.

Arbeit im Homeoffice hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Und auch die Forschung beschäftigt sich verstärkt mit dem Thema, oft mit Blick darauf, welche Beschäftigten von zu Hause arbeiten und wie ihre Arbeitsbedingungen sind. Bislang noch kaum beachtet wurde, wie sich die Erfahrungen, die Beschäftigte mit Heimarbeit machen, auf das „Commitment“ von Beschäftigten auswirkt, also auf emotionale Bindung, Identifikation oder Engagement.

Link zur HBS-Pressemitteilung: www.boeckler.de

Recht

Krankenkasse muss elektrische Rollstuhlzughilfe mit Handkurbelunterstützung gewähren

Versicherte haben gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Hilfsmittel, die im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen. Hierzu kann im Fall eines querschnittsgelähmten Versicherten ein Handbike gehören. Dies entschied in einem Urteil der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Ein 1958 geborener Versicherter aus dem Wetteraukreis ist infolge eines mit 20 Jahren erlittenen Unfalls querschnittsgelähmt und mit einem Faltrollstuhl ausgestattet. Er beantragte gegenüber der Krankenkasse die Versorgung mit einem Handbike - einer elektrischen Rollstuhlzughilfe mit Handkurbelunterstützung, welche an den Faltrollstuhl angekoppelt werden kann. Ohne dieses Hilfsmittel könne er Bordsteinkanten nicht überwinden sowie Gefällstrecken nicht befahren und daher nur unzureichend am öffentlichen Leben teilnehmen. Auch fördere es seine Beweglichkeit und reduziere Muskelverspannungen im Schulter-Arm-Bereich. Zudem könne er das Handbike selbstständig an den Faltrollstuhl ankoppeln. Um einen Elektrorollstuhl, den die Krankenkasse ihm angeboten hatte, nutzen zu können, sei er hingegen auf eine entsprechend qualifizierte Hilfskraft angewiesen, die ihn beim Umsetzen unterstütze.

Die Krankenkasse lehnte die Versorgung mit dem ca. 8.600 € teuren Hilfsmittel ab. Der Kläger könne sich den Nahbereich mit den vorhandenen Hilfsmitteln und dem angebotenen Elektrorollstuhl (Kosten ca. 5.000 €) ausreichend erschließen.

Die Richter beider Instanzen bejahten einen Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit der begehrten elektrischen Rollstuhlzughilfe. Versicherte hätten Anspruch auf Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich. Das Grundbedürfnis nach Mobilität sei durch Erschließung des Nahbereichs zu ermöglichen. Hierbei sei insbesondere das gesetzliche Teilhabeziel, ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben zu führen, zu beachten. Der Behinderungsausgleich mittels Hilfsmittel sei nicht auf einen Basisausgleich beschränkt.

Der Versicherte sei nicht im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot auf den von der Krankenkasse angebotenen Elektrorollstuhl zu verweisen. Denn diesen könne er nur nutzen, wenn er von einer Pflegekraft entsprechend umgesetzt werde. Der querschnittsgelähmte Mann habe keine Greifkraft in den Händen, mit welcher er beim Befahren z.B. von Bordsteinkanten die erforderlichen Kippbewegungen des Rollstuhls ausführen und auf Gefällstrecken bremsen könnte. Mit dem motorisierten Handbike sei es ihm hingegen möglich, Bordsteinkanten und andere Hindernisse zu überwinden. Auch könne er das Handbike ohne fremde Hilfe direkt an den Faltrollstuhl anbringen. Bei anderen von der Krankenkasse angebotenen Rollstuhlzughilfen sei er hingegen für die Montage auf fremde Hilfe angewiesen. Damit lägen keine Anzeichen dafür vor, dass eine Versorgung mit einem Handbike das Maß des Notwendigen überschreite.

Az. L 1 KR 65/20 - Die Revision wurde nicht zugelassen.
Das Urteil wird unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de ins Internet eingestellt.

Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR)

Menschen mit Behinderungen, Politikerinnen und Politiker, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung sprechen oft eine unterschiedliche Sprache. Und in einer digitalisierten Welt mit einer schier unüberschaubaren Fülle an Informationen ist es nicht selbstverständlich, dass die Informationen nachvollziehbar bei der jeweiligen Zielgruppe ankommen. Die große Herausforderung besteht darin, die richtigen Informationen verständlich aufzubereiten und zugänglich zu machen.

Reha-Erfolg braucht Kommunikation. Für ein besseres Verständnis ist es wichtig, mit den Menschen mit Behinderungen selbst ins Gespräch zu kommen. Sprache ist vielfältig und muss für den Adressaten entsprechend eingesetzt werden. Das erfordert einen bewussten Umgang mit ihr und barrierefreien Zugang. Daher sind gerade auch Verwaltungsstellen wie die Reha-Träger gefordert, ihre Informationen und Verfahrensabläufe so zu gestalten, dass sie keine Hürden darstellen.

Link zum PDF: www.bar-frankfurt.de

Problem E-Roller als Hindernisse

Seit ihrer Zulassung im Juni 2019 haben E-Roller (auch E-Scooter, E-Tretroller oder Elektro-Tretroller genannt) zu zahlreichen Unfällen sehbehinderter und blinder Menschen geführt. Dabei ist eine gefährliche Gesetzeslücke deutlich geworden: Wenn jemand über einen auf dem Gehweg liegenden E-Roller stolpert und sich verletzt, ist die Haftungsfrage völlig ungeklärt. Weder die Verleihfirmen bzw. deren Versicherungen noch die Kommunen sehen sich in so einem Fall in der Verantwortung.

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV), der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) und PRO RETINA Deutschland haben deshalb zum diesjährigen Tag des weißen Stockes zehn Tipps veröffentlicht, wie man sich als Opfer eines E-Roller-Unfalls richtig verhält (www.woche-des-sehens.de). So sollte man nicht nur die Polizei hinzuziehen, sondern unbedingt das Verleihunternehmen (Farbe, Aufschrift) und das kleine Versicherungskennzeichen (3 Zahlen, 3 Buchstaben) am Heck des E-Rollers feststellen bzw. feststellen lassen. Auch aussagekräftige Beweisfotos der Unfallstelle und -situation sowie der Umgebung erhöhen die Chance, Ansprüche durchzusetzen.

Die Tipps wurden von der rbm (Rechte behinderter Menschen) gGmbH, der Rechtsberatungsgesellschaft des DBSV, zusammengestellt.

DBSV, DVBS und PRO RETINA engagieren sich gemeinsam in der jährlichen Informationskampagne "Woche des Sehens" (siehe unten) sowie im "Gemeinsamen Fachausschuss für Umwelt und Verkehr". Letzterer hat Anforderungen an den Verleih von E-Rollern formuliert, um die selbstständige Mobilität blinder und sehbehinderter Menschen zu gewährleisten. Dazu gehört, dass E-Roller nicht auf nutzbaren Gehwegbereichen abgestellt werden dürfen, sondern nur auf extra ausgewiesenen Abstellflächen. Die Kommunen können entsprechende Regelungen durchsetzen, weil das Verleihen von E-Rollern eine Sondernutzung des Straßenraums darstellt, die genehmigungspflichtig ist und mit Auflagen verbunden werden kann (siehe dazu auch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 20.11.2020).

Link: www.woche-des-sehens.de

Debatte

Die Kritik an Werkstätten für Menschen mit Behinderung und deren schlechter Entlohnung und Vermittlungsquote auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wird immer lauter. Selbstbestimmt – das MDR-Magazin widmet sich deshalb in seiner Oktober-Sendung ganz diesem Thema. Die Sendung beleuchtet verschiedene Standpunkte und stellt Alternativen vor. Und es werden Menschen vorgestellt, die sich seit langem Gedanken darüber machen, wie das Werkstattsystem gerechter gestaltet werden könnte.

Link zur Sendung: www.mdr.de

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