Liebe Kolleginnen und Kollegen ……
……… Europa hat gewählt. Ok, nur 51,08% der Wahlberechtigten haben europaweit gewählt. Die stärkste Gruppe ist wieder einmal die der Nichtwähler*innen mit 49,92%. Da nehmen sich die 26,11% der stärksten Gruppe, der EVP recht mager aus. Und Europa ist politisch noch weiter nach rechts gerückt.
Dass Rechtsextreme, Faschisten und Neonazis nicht unbedingt etwas mit Antidiskriminierung, Gleichbehandlung und Inklusion am Hut haben, ist aufrechten Demokraten und Demokratinnen klar. Dass im Fahrwasser der Rechten vieles offenbar hoffähig werden kann, zeigen die vielen „Party-Ausrutscher“ der vergangenen Monate, vor allem nach dem Potsdamer Geheimtreffen. Und dass dann so etwas wie der offenbar rechtsextreme Angriff auf ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung in Mönchengladbach passiert, ist schrecklich, aber auch nicht verwunderlich!
Täter warfen einen Ziegelstein auf eine Tür und beschädigten diese. Der Ziegelstein trug die Aufschrift „Euthanasie ist die Lösung“ – ganz klar ein Hinweis auf die Mordpraxis der Nazis zwischen 1939 und 1945. In der „Aktion T4“ (aber auch schon davor) wurden seinerzeit unter dem Deckmantel der Euthanasie – es wurde der „Gnadentod gewährt – viele tausend beeinträchtigte Menschen durch Nahrungsentzug, todbringende Spritzen, überdosierte Medikamentengabe oder auch durch medizinische Experimente ermordet. Mit ihnen wurde auch die später massenhafte durchgeführte Ermordung in den Vernichtungslagern durch Gas, wie zum Beispiel in Pirna und fünf weiteren Orten, erprobt.
Durch kalkulierte Tabubrüche der Rechtsextremen sind Taten dieser Art leider oft nur noch Fußzeilen in den Medien wert. Der eigentliche Rechtsruck vollzieht sich jedoch nicht auf Partys, sondern bei bürgerlichen Politikern, die den Diskurs mit Äußerungen und ihren Taten immer weiter nach rechts verschieben. Sie hoffen, dadurch den Rechtsextremen Stimmen abzujagen. Was sich aber immer mehr als reines Wunschdenken erweist.
Die Würde des Menschen – so steht es im Grundgesetz – ist unantastbar! Politik, Justiz, Polizei und wir als Gesellschaft sind gefordert, den weiter um sich greifenden rechten Umtrieben entgegen zu treten!
Wenn die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann dem Bundeskanzler „autistische Züge“ unterstellt, ist das völlig daneben und nicht zu entschuldigen. Dass sie sich bei von Autismus betroffenen Menschen im Nachhinein entschuldigt, muss man zur Kenntnis nehmen. Dieser Vorfall zeigt aber auch, wie schnell es zu unbedachten Äußerungen kommt. Verbale Entgleisungen, wohlbedacht oder nicht, bieten den Nährboden für die offenbar häufig verwahrloste Partykultur, die wiederum als Verstärker für die Verbreitung und Akzeptanz rechten Gedankengutes in der Gesellschaft dient – und das ist mit Sicherheit nicht im Sinne von Inklusion!
Jeder Mensch hat seine Würde.
Warum aber verhalten sich viele Menschen so würdelos?
(Walter Ludin | Schweizer Theologe und Autor)
Einen kleinen Lichtblick gab es jetzt im niedersächsischen Landtag. Auf Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nahm der Landtag am 18. Juni einen Entschließungsantrag an. Titel: „Ein Arbeitsmarkt für alle: Ausgleichsabgabe für mehr Inklusion in Betrieben nutzen“. Ca. 65,5 Millionen Euro stünden neben den langfristig gebundenen Mitteln der Ausgleichsabgabe noch zur Verfügung. Die Förderung des Jobcoaching, der Ausbau von Inklusionsbetrieben, eine Kampagne für die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber, die Forderung nach neuen Förderansätzen und zielgruppenspezifischen Programmen für Menschen mit Schwerbehinderung sind Inhalt des Antrages. Darüber hinaus soll durch geeignete Maßnahmen die Vorbildfunktion des Landes als Arbeitgeber gestärkt werden und die Landesregierung soll sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass die Integrationsämter der Länder individuelle und sächliche Kosten der Verwaltung in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes aus Mitteln der Ausgleichsabgabe decken können. Der Sprecher der SPD, Constantin Grosch, erwähnte in seiner Rede explizit die Kompetenz der ver.di-Schwerbehindertenvertretungen und lobte die Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft. Und er kritisierte, dass unverbrauchte Mittel der Ausgleichsabgabe nicht voll verwendet werden dürfen. Der Landesarbeitskreis Teilhabe- und Behindertenpolitik Niedersachsen/Bremen in ver.di bleibt am Ball!
Diese Ausgabe ist, wie immer, eine Doppelnummer für Juli und August. Es gibt also im September wieder etwas zu lesen.
Eine interessante Lektüre wünscht wie immer
Jürgen Bauch
Umfrage
Eine repräsentative Umfrage von Monster in Zusammenarbeit mit dem Aktivisten und Mitgründer des Sozialhelden e.V. Raul Krauthausen und YouGov, für die das Online-Karriereportal Ende Juni 2.084 volljährige Deutsche befragte, ergab:
- Rund die Hälfte der Deutschen hat noch nie mit einem Menschen mit Behinderung zusammengearbeitet
- Über ein Drittel sagt, ihr Arbeitsplatz ist weder räumlich noch digital barrierefrei, 18 Prozent wissen es nicht
In den Büros, Werkhallen und Geschäften des Landes arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung immer noch vergleichsweise selten zusammen. Nur rund vier von zehn Deutschen (37 Prozent) haben schon einmal direkt mit einem Menschen mit Behinderung zusammengearbeitet.
Bei fast jede*m Zehnten (9 Prozent) war zumindest schon einmal ein*e Kolleg*in mit Behinderung in der Abteilung. Rund die Hälfte (47 Prozent) jedoch ist am Arbeitsplatz noch nie in irgendeiner Weise mit Menschen mit Behinderung in Kontakt gewesen. Bei über einem Drittel der Befragten (34 Prozent) wäre das praktisch bisher auch schwer möglich - so viele gaben an, ihr Arbeitsplatz sei weder räumlich noch digital barrierefrei. Weitere 18 Prozent konnten über die Barrierefreiheit ihres Arbeitsplatzes keine Aussage treffen.
Näheres im Presseportal: www.presseportal.de
Recht
Um den Versicherungsschutz bei Wegeunfällen wird häufig gestritten. Eine problematische Fallgruppe des unversicherten Abwegs hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) in einer aktuellen Entscheidung neu bewertet.
Geklagt hatte ein Mann, der auf dem Rückweg von der Arbeit einen schweren Verkehrsunfall erlitt. Mit seinem PKW geriet er auf die Gegenfahrbahn und stieß frontal mit einem LKW zusammen, wobei er erhebliche Verletzungen erlitt. Der Notarzt stellte bei ihm eine Hypoglykämie (Unterzuckerung) fest.
Die Berufsgenossenschaft (BG) lehnte die Anerkennung eines Wegeunfalls ab, da der Mann 4 km über seinen Wohnort hinaus unterwegs gewesen sei. Sowohl die Wohnung als auch der Betrieb befänden sich in entgegengesetzter Richtung; folglich habe sich der Unfall auf einem Abweg ereignet. Dieser sei nicht versichert.
Dem hielt der Mann entgegen, dass er an Diabetes leide. Zum Unfallzeitpunkt sei er stark unterzuckert und orientierungslos gewesen. Aus diesem Grund sei er an seiner Wohnung vorbeigefahren und auf einen Abweg geraten. An die Einzelheiten habe er keine Erinnerung.
Anders als die erste Instanz hat das LSG die Rechtsauffassung der BG bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Wegeunfall auf direkter Strecke vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst sei - ein Abweg jedoch nicht. Nur ausnahmsweise könne ein irrtümlicher Abweg versichert sein, wenn seine Ursache allein in äußeren Umständen der Beschaffenheit des Verkehrsraums liege, z.B. Dunkelheit, Nebel oder schlechte Beschilderung. Vorliegend sei der Mann jedoch aufgrund einer inneren Ursache auf einen Abweg geraten, nämlich der Orientierungslosigkeit aufgrund einer Bewusstseinsstörung infolge diabetesbedingter Unterzuckerung. Die Einbeziehung solcher Abwege in die Wegeunfallversicherung würde eine Überdehnung des Versicherungsschutzes auf Arbeitswegen darstellen und dem Sinn und Zweck der Wegeunfallversicherung widersprechen.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Gericht die Revision zugelassen.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 12. April 2024, L 14 U 164/21, Vorinstanz: SG Oldenburg
reha-recht.de
Die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte hat in einem aktuellen Bericht auf wesentliche Umsetzungsdefizite in Bezug auf das in Artikel 27 UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) verankerte Recht auf Arbeit und Beschäftigung hingewiesen. Sie hat dazu insbesondere untersucht, wie sich das Recht auf gleichberechtigte Beschäftigung in einem offenen, inklusiven und barrierefrei zugänglichem Arbeitsmarkt im Land Berlin darstellt.
Link zum ausführlichen Text: www.reha-recht.de
Beschwerde
Der siebte Jahresbericht der Schlichtungsstelle nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) - kurz Schlichtungsstelle BGG - ist veröffentlicht. Im Jahr 2023 sind die Fallzahlen erneut gestiegen, waren es in 2022 noch 189 Schlichtungsanträge, konnte das Team der Schlichterinnen und Schlichter einen starken Anstieg auf 267 Anträge verzeichnen - das entspricht einem Anstieg von mehr als 40 Prozent.
Die Schlichtungsstelle BGG bietet Menschen mit Behinderungen seit sieben Jahren die Möglichkeit, in Konflikten konkret zu helfen und sich ohne Gericht zu einigen. Mittlerweile hat sie mehr als 1.300 Anträge bekommen.
„Die Arbeit der Schlichtungsstelle BGG hat sich mehr als bewährt - das zeigt die deutlich gestiegene Nachfrage“, resümiert Jürgen Dusel, der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung. „Die Schlichtungsstelle hat einen festen Platz bei der außergerichtlichen Durchsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen gefunden. In vielen Fällen - bei mehr als der Hälfte - kommt es zu einer Einigung, durch die ein weiteres gerichtliches Verfahren vermieden und Rechtsfrieden hergestellt werden kann. Schlichtung bedeutet auch eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe und ist ein gutes Mittel, um das Bewusstsein in Behörden zu stärken, ihrer Verpflichtung zur Barrierefreiheit auch nachzukommen. Die bewährte Institution sollte man nun auch bei der anstehenden Novelle des Behindertengleichstellungsgesetzes im Blick behalten, bei der auch die privaten Anbieter von Produkten und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit verpflichtet werden sollen“, erläutert der Beauftragte.
Die Schlichtungsstelle wurde 2023 267 Mal in Anspruch genommen. Die Themenfelder umfassen erneut in großem Umfang das „Benachteiligungsverbot“ (39 %), die „Barrierefreie Informationstechnik“ (8 %), das „Recht auf Gebärdensprache und andere Kommunikationshilfen“ (1 %) und verstärkt das Thema „Assistenzhunde“ (21 %). Weitere Themenbereiche waren die „physische Barrierefreiheit“ (4 %), die „Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken/Verständlichkeit/Leichte Sprache“ (1 %). (Diese Zahlen entstammen dem Kapitel 1 des Berichtes „Erfahrungen im Berichtszeitraum 2023“.)
2023 konnte bei mehr als der Hälfte der zulässigen Anträge (59 %) eine gütliche Einigung erzielt werden. In drei der insgesamt 47 Verfahren mit gütlicher Einigung wurden die Einigungen durch ein oder mehrere Schlichtungsgespräche oder durch eine Mediation erzielt.
Den kompletten Jahresbericht 2023 der Schlichtungsstelle BGG können Sie hier abrufen. Anhand von Fallbeispielen aus der Praxis der Schlichterinnen und Schlichter werden in dem Bericht auch die im BGG geregelten Rechte anschaulich gemacht. Darüber hinaus gibt es eine Fassung in Leichter Sprache und zusammenfassende Informationen mit Fallbeispielen in Deutscher Gebärdensprache.
Angesiedelt ist die Schlichtungsstelle BGG beim Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Sie hilft seit 2016 dabei, Konflikte zwischen Menschen mit Behinderungen und vor allen Dingen öffentlichen Stellen des Bundes zu lösen, wenn es um das Recht auf Barrierefreiheit und Gleichbehandlung geht.
Quelle: Schlichtungsstelle nach dem Behindertengleichstellungsgesetz bei dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen
DGUV
Desk Sharing gewinnt an Beliebtheit, stößt aber nicht überall auf Zustimmung. Eine Umfrage des Instituts für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) unter knapp 2.000 Beschäftigten und Führungskräften, die Desk Sharing anwenden, zeigt ein geteiltes Bild: Während etwa ein Viertel der Befragten Desk Sharing bevorzugt, zieht die Hälfte einen festen, persönlichen Arbeitsplatz vor.
Link: www.dguv.de
Anmerkung, J.B.: Auch bei der Einführung und dem Betrieb von Desk Sharing spielt die behinderungsgerechte, barrierefreie Arbeitsplatzgestaltung eine bedeutende Rolle – ein weiteres, wichtiges Arbeitsfeld für die Schwerbehindertenvertretungen!
Deutsche Herzstiftung
Fahrräder mit einem Elektromotor, der bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h den Fahrer unterstützt (sog. Pedelecs –landläufig meist als E-Bike bezeichnet) sind in den letzten Jahren stark in Mode gekommen. In der Stadt wie am Berg ziehen junge und alte Menschen damit inzwischen überall ihre Runden. Doch werden dabei die Muskeln und das Herz-Kreislaufsystem ebenso gefordert wie beim herkömmlichen Radeln? Dieser Frage sind Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in einer Studie nachgegangen.
1250 E-Biker und 629 konventionelle Fahrradnutzer wurden dazu mit Aktivitätstrackern ausgestattet, um Zeit, Distanz und Herzfrequenz beim Radfahren über vier aufeinanderfolgende Wochen bei insgesamt am Ende fast 60.000 Fahrten zu messen. Dabei sollte verglichen werden, in welcher Gruppe das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für körperliche Aktivität – mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten starke körperliche Aktivität (MVPA) pro Woche – am ehesten erreicht wird.
E-Biker waren im Schnitt 135 Minuten pro Woche unterwegs. Zwar erreichten weniger E-Biker als “Normalradler” dabei die von der WHO geforderte Belastungsintensität (mindestens 150 Minuten mit moderater Belastung). Dennoch war das bei immerhin knapp einem Viertel der Nutzer von E-Bikes der Fall. Vor allem bei der Messung der Herzfrequenz zeigte sich, dass diese bei E-Bikern nur etwa acht Schläge pro Minute unter jener der anderen Radfahrer lag.
Das E-Bike als „Motivator“
Etwa ein Drittel der E-Bikefahrer hat Vorerkrankungen, etwa Bluthochdruck oder es liegt bereits ein Herzinfarkt vor. Eine Befragung ergab, dass sie häufiger als normale Radfahrer offenbar bereit sind, das Auto zugunsten des Rads stehen zu lassen. Viele werden erst durch das E-Bike (wieder) zum Radfahrer. Das Risiko für den Straßenverkehr oder Beinahe-Unfälle war in der MHH-Studie ähnlich wie bei herkömmlichen Fahrrädern.
Weitere Informationen bei der Deutschen Herzstiftung: www.herzstiftung.de
Berufliche Teilhabe
Das Instrument der Inklusionsvereinbarung soll die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben dadurch stärker unterstützen, dass die betriebliche Inklusionsarbeit über Zielvereinbarungen gesteuert wird. Es sollen betriebsnahe Vereinbarungen abgeschlossen werden, die geeignet sind, die Beschäftigungssituation spürbar zu verbessern.
Konkret verpflichtet die Vorschrift alle privaten und öffentlichen Arbeitgeber, mit der Schwerbehindertenvertretung, dem Betriebsrat beziehungsweise Personalrat und in Zusammenarbeit mit dem Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers eine verbindliche Inklusionsvereinbarung abzuschließen (§ 166 SGB IX).
Die Inklusionsvereinbarung beinhaltet Regelungen, im Zusammenhang mit der Teilhabe von Menschen mit Behinderung oder Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit, für folgende Punkte am Arbeitsleben:
- Personalplanung,
- Arbeitsplatzgestaltung,
- Gestaltung des Arbeitsumfeldes,
- Arbeitsorganisation,
- Arbeitszeit sowie
- Regelungen über die Umsetzung der getroffenen Zielvereinbarungen.
Die neue Inklusionsvereinbarung wurde vom Senat unterzeichnet und ist seit dem 15.06.2024 gültig.
PDF-Download auf der Website der Gesamtschwerbehindertenvertretung: www.gsv.bremen.de
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)
Der Deutsche Behindertenrat fordert ein klares „Ja“ zum Schutz vor Diskriminierung auf nationaler und europäischer Ebene.
Seit langem setzt sich der Deutsche Behindertenrat für eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ein. Es braucht klare gesetzliche Regelungen zur Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von Gütern und Dienstleistungen, die für die Öffentlichkeit bereitgestellt werden. Auch private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen müssen zur Barrierefreiheit verpflichtet werden, mindestens jedoch zu angemessenen Vorkehrungen im Einzelfall. Die Verweigerung von angemessenen Vorkehrungen muss als Diskriminierung im AGG verankert werden. Nur so werden Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, ihre Rechte einzuklagen, wenn zum Beispiel im Restaurant keine Rampe für Rollstuhlnutzende bereitgestellt wird.
Das Bundesjustizministerium (BMJ) spielt seit Beginn der Wahlperiode trotz einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag auf Zeit und kündigt stattdessen eine erneute Evaluation des AGG an.
Eine in dieser Legislaturperiode noch umsetzbare Alternative wäre, das Benachteiligungsverbot im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) auch auf private Anbieter auszuweiten. Das für das BGG zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist hierzu mit den im Deutschen Behindertenrat organisierten Verbänden im Austausch. Nun stockt die Ressortabstimmung, weil das BMJ die noch nicht verabschiedete 5. EU-Gleichbehandlungsrichtlinie ins Feld führt.
Gleichzeitig blockiert erneut das BMJ auf europäischer Ebene die Verabschiedung ebendieser Richtlinie. Brisant ist in diesem Zusammenhang, dass aktuell Belgien, welches bis Ende Juni 2024 die Europäische Ratspräsidentschaft innehat, erreichen will, dass die Gleichbehandlungs-Richtlinie jetzt endlich von allen EU-Staaten freigegeben wird. Dazu hat in Brüssel eine Aussprache stattgefunden, in der fast alle Länder der Initiative Belgiens zugestimmt haben. Die Vertreterin Deutschlands, konkret des Bundesjustizministeriums, hat dazu erklärt, dass erst noch geprüft werden müsse, ob die von Deutschland erhobenen Einwände berücksichtigt worden seien. Bis diese Prüfung abgeschlossen sei, erhalte Deutschland seinen allgemeinen Vorbehalt aufrecht.
„Seit 2008 blockiert Deutschland die 5. EU-Gleichbehandlungs-Richtlinie, die u. a. Diskriminierungsschutz wegen Behinderung für die Bereiche Sozialschutz, soziale Vergünstigungen, Bildung sowie beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen vorsieht“, so Verena Bentele, aktuelle Sprecherratsvorsitzende des Deutschen Behindertenrats. „Das verbleibende Zeitfenster muss nun schnell genutzt werden. Menschen mit Behinderungen wollen sich nicht länger ausbremsen und vertrösten lassen, wenn es um dringend notwendige Entscheidungen geht, mit denen Deutschland endlich barriere- und diskriminierungsfreier wird.“
Durch das Bundesjustizministerium werden also gleich zwei wichtige Vorhaben für mehr Barrierefreiheit und Diskriminierungsschutz sowohl im Bund als auch auf EU-Ebene blockiert.
Da viele behindertenpolitische Verbesserungen in Brüssel angestoßen werden, ist auch die anstehende Wahl des EU-Parlaments wichtig, um dem Schutz vor Diskriminierung mehr Rückenwind zu verleihen.
Quelle: DBR, Pressemitteilung vom 4. Juni 2024
Tipp
Deutschland, Liechtenstein, Österreich und die Schweiz haben 2007/2008 fast ohne Beteiligung behinderter Menschen und ihrer Verbände eine deutsche Übersetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen abgestimmt. Alle Bemühungen von Seiten der Behindertenorganisationen in den vier beteiligten Staaten, wenigstens die gröbsten Fehler zu korrigieren, sind seinerzeit gescheitert.
Deshalb hat sich das NETZWERK ARTIKEL 3 e. V. 2009 dazu entschlossen, eine sogenannte „Schattenübersetzung“ zu veröffentlichen. Der Begriff „Schattenübersetzung“ wurde gewählt, weil die sogenannten „Schattenberichte“ (shadow reports) im Berichtswesen zu bestehenden UN-Konventionen eine gute Tradition haben: Die Vertragsstaaten von UN- Konventionen sind verpflichtet, regelmäßig Berichte zur Umsetzung der jeweiligen Konvention zu erstellen und diese dem überwachenden Komitee zuzuleiten. Parallel dazu werden von den Nichtregierungsorganisationen Schattenberichte erstellt, die ebenfalls in die Bewertung des überwachenden Komitees einfließen.
Das NETZWERK ARTIKEL 3 e. V. hält eine korrekte Übersetzung der Behindertenrechtskonvention (BRK) für unerlässlich, da die Wortwahl zur Bewusstseinsbildung beiträgt. Die Bewusstseinsbildung der gesamten Gesellschaft ist ein wichtiges Anliegen der Konvention, denn der Artikel 8 der BRK beschäftigt sich mit diesem Thema. Deshalb soll mit der Schattenübersetzung eine deutsche Version des Konventionstextes zur Verfügung gestellt werden, die den authentischen Fassungen mehr entspricht als die offizielle deutsche Übersetzung.
Es liegt nun die an wenigen Stellen veränderte 4. Auflage vor.
PDF-Download: liga-selbstvertretung.de
Aus dem Bundestag
Über die Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderungen im Bundeskanzleramt, in Bundesministerien und Bundesbehörden informiert die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/11606) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/11360). Darin hatte sich die Fraktion unter anderem danach erkundigt, danach, wie viele Menschen mit Behinderungen und Gleichgestellte dort beschäftigt sind und wie sich die Zahl der Beschäftigten mit Behinderungen in den seit Amtsantritt der Bundesregierung 2021 verändert hat.
Der Antwort sind mehrere Tabellen angefügt, aus denen - wie die Bundesregierung schreibt - die Aufschlüsselung nach den in der Frage genannten Beschäftigtengruppen sowie in der Aufschlüsselung nach Geschlecht entnommen werden könne. Eine Antwort in der Aufschlüsselung nach Art der Behinderung sei nicht möglich, weil die Art der Behinderung von den Bundesministerien nicht erfasst werde. Auch die Merkzeichen, die in einen Schwerbehindertenausweis eingetragen werden können und die teilweise auf die Art der Behinderung schließen lassen, würden in vielen Bundesministerien nicht erfasst. Aus einer weiteren Tabelle sei zu entnehmen, wie sich die Zahl der Beschäftigten mit Behinderungen in den Bundesministerien seit Amtsantritt der Bundesregierung 2021 verändert hat.
Wie die Bundesregierung weiter schreibt, wird von schwerbehinderten Menschen nur das Mindestmaß an körperlicher Eignung verlangt. Bei der Besetzung von Stellen und damit auch von Führungspositionen würden Menschen mit Schwerbehinderung im Auswahlverfahren entsprechend der bestehenden rechtlichen Vorgaben bei gleicher Eignung unter Abwägung mit den Bestimmungen des Bundesgleichstellungsgesetzes bevorzugt berücksichtigt. Weiter schreibt die Bundesregierung, welche Maßnahmen und Instrumente sie bemüht, um den Anteil beschäftigter Menschen mit (schweren) Behinderungen in der Belegschaft allgemein zu erhöhen.
hib – heute im bundestag | Nr. 395 | Montag, 10. Juni 2024
Aus dem Bundestag
Der Gesundheitsausschuss hat sich in einem Fachgespräch mit Krebserkrankungen und der Krebsprävention befasst. Die Gesundheitsexperten machten dabei am Mittwoch deutlich, dass eine gezielte Prävention das wichtigste Mittel im Kampf gegen Krebs ist.
Michael Baumann vom Deutschen Krebsforschungszentrum (dkfz) erläuterte den Abgeordneten die Dimension des Problems. So würden jährlich rund 500.000 Neuerkrankungen in Deutschland registriert, mehr als 200.000 Menschen stürben hierzulande jedes Jahr an Krebs. Zu erwarten seien weiter steigende Zahlen. Jedoch könne durch eine verbesserte Prävention ein nachhaltiger Rückgang der Neuerkrankungen erreicht werden.
Laut Baumann sind 40 Prozent der Erkrankungen auf vermeidbare Risikofaktoren wie Rauchen, ungünstige Ernährung oder Übergewicht zurückzuführen. 60 Prozent aller Krebstodesfälle könnten verhindert werden durch eine Verbesserung der Primärprävention und eine geeignete Früherkennung.
Nach Ansicht von Johannes Bruns von der Deutschen Krebsgesellschaft wird Prävention unzureichend umgesetzt. Es gebe viele Programme, aber noch keinen Durchbruch. Es sei nicht einfach, gesunde Menschen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Als Beispiel nannte er Infektionen mit Humanen Papillomviren (HPV), die durch Sexualkontakte übertragen werden und Krebs auslösen können. Gegen HPV gibt es eine Schutzimpfung. Der Versuch, Schüler in Schulen zu dem Thema anzusprechen, habe sich als schwierig erwiesen.
Auch Monika Lelgemann vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) forderte eine Offensive im Kampf gegen HPV und Krebs. Es sollte alles getan werden, um die Impfrate bei Jungen und Mädchen zu erhöhen. Derzeit seien rund 50 Prozent der Mädchen und rund 25 Prozent der Jungen geimpft. Daten aus Großbritannien zeigten, dass Zervixkarzinome mit einer HPV-Impfung um bis zu 90 Prozent reduziert werden könnten. Es sei sinnvoll, die Prävention in die Schulen zu tragen und Aufklärungskampagnen zu starten.
Michael Hallek vom Universitätsklinikum Köln sieht in der Prävention die mächtigste Waffe gegen Krebs. Dazu müssten geeignete Kommunikationsstrategien entwickelt werden, um letztlich Lebensstiländerungen auch bei jungen Leuten zu erreichen. Nötig sei eine aufsuchende Prävention und eine gezielte Ansprache der Hausärzte und in Schulen. Als Beispiel für eine wichtige Prävention nannte er die Darmspiegelung, um Darmkrebs zu verhindern. Denkbar seien auch Modellprojekte in Regionen, um Bürger für eine Prävention besser zu erreichen.
Ute Seeland von der Universität Magdeburg forderte eine geschlechtersensible Medizin, die bessere Erfolge verspreche. Sie verwies auf die hormonellen Unterschiede der Geschlechter und den Einfluss auf das Immunsystem. Derzeit sei die Medizin in dem Punkt zu undifferenziert, auch weil die Datenlage unzureichend sei. Nötig seien mehr spezifische Daten, die regional erhoben werden sollten.
hib – heute im bundestag | Nr. 409 | Mittwoch, 12. Juni 2024
Behinderung und Beruf
Ein Job, der zu Beschäftigten, Arbeitgeber und Kolleginnen und Kollegen gleichermaßen perfekt passt? Unmöglich! Oder doch nicht? Das Konzept des Jobcarving kommt zumindest nah dran. Jobcarving heißt nämlich, dass ein Arbeitsplatz nach Maß für einen Arbeitnehmer oder potenziellen Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung geschaffen wird. Bestehende Aufgabenbereiche werden so angepasst oder neu definiert, dass sie den Fähigkeiten, Kompetenzen und Bedürfnissen des Einzelnen entsprechen. Ziel des Jobcarvings ist es, eine Win-Win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu schaffen, indem die Talente von Menschen mit Schwerbehinderungen passgenau genutzt und gefördert werden und gleichzeitig die Produktivität und Effizienz im Unternehmen im Blick bleibt.
Näheres dazu in der aktuellen Ausgabe von ZB: www.bih.de
Aus dem Bundestag
Die CDU/CSU-Fraktion erkundigt sich in einer Kleinen Anfrage (20/11709) nach dem aktuellen Stand der Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Wissenschaft und Forschung. So wollen die Abgeordneten unter anderem erfahren, welchen konkreten Maßnahmen die Bundesregierung ergriffen hat, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in der Wissenschaft zu stärken.
Auch wie viele Menschen mit Behinderung bundesweit Inhaber einer Professur oder eines Lehrstuhls sind, interessiert die Abgeordneten. Gefragt wird auch, wie viele Menschen mit Behinderung in den Aufsichtsgremien sitzen, die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) entsendet worden sind.
hib – heute im bundestag | Nr. 413 | Mittwoch, 12. Juni 2024
Aus dem Bundestag
Die Aufarbeitung der „Euthanasie“ und der Zwangssterilisationen während der nationalsozialistischen Diktatur soll intensiviert werden. Dafür sprechen sich die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in einem gemeinsamen Antrag aus. So fordern sie die Bundesregierung auf, ein Projekt zu initiieren, um bundesweit Patientenakten und Personalunterlagen der Täter zu lokalisieren, zu sichern und zu konservieren, um sie für Forschung, Bildung und Anfragen nutzbar zu machen. Das Projekt soll unter der Beteiligung der Gedenkstätten an den Orten ehemaliger „Euthanasie“-Tötungsanstalten, des Instituts für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin an der Berliner Charité, den Verbänden von Menschen mit Behinderungen sowie geeigneten Vertretern der Disability Studies durchgeführt werden. Zudem soll eine nationale Fachtagung durchgeführt werden..
Darüber hinaus fordern die vier Fraktionen die Bundesregierung auf, die Gedenkstätten an den Orten der ehemaligen „T4“-Tötungsanstalten auch in Zukunft nachhaltig zu unterstützen, um die bauliche Substanz vor Ort zu erhalten und um die zunehmenden Herausforderungen bei der Aufarbeitung von Archivmaterialien und den zu leistenden Beratungsaufgaben bewältigen zu können.
Die nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde an schätzungsweise 300.000 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen sowie die aufgrund des 1934 in Kraft getretenen „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ an etwa 400.000 Menschen durchgeführten Zwangssterilisationen seien Ausdruck der menschenverachtenden rassistischen nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, heißt es im Antrag. Diese Menschen seien als Verfolgte des NS-Regimes anzuerkennen.
hib – heute im bundestag | Nr. 461 | Donnerstag, 27. Juni 2024
Tipp
Die neue Ausgabe des BAR|REHA-INFO hat das Thema „Sucht“ als Schwerpunkt.
Tabletten, Alkohol, Zigaretten – Millionen Deutsche sind süchtig. Sucht ist vielfältig. 1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind alkoholabhängig, rund 12 Millionen Menschen sind nikotinsüchtig und geschätzt 2,3 Millionen Menschen sind abhängig von Medikamenten. Ganz abgesehen von den Konsumenten illegaler Drogen, von zwanghaftem Glücksspielverhalten, Onlineabhängigkeit und Tabakkonsum. Süchte haben Folgen für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft. Allein die durch Alkoholkonsum verursachten volkswirtschaftlichen Kosten betragen rund 57 Milliarden Euro pro Jahr (Jahrbuch Sucht 2023). Sucht kann Leben zerstören, nicht nur das eigene. In einer Welt, die ständig in Bewegung ist und unzählige Versuchungen bietet, stehen wir immer wieder vor der Herausforderung, uns nicht in Abhängigkeiten zu verlieren. ……..
PDF-Download: www.bar-frankfurt.de
Recht
Ein Krankenhauskoch kann unter Unfallversicherungsschutz stehen, wenn er an einer von der Krankenhausverwaltung angebotenen Impfung gegen Schweinegrippe teilnimmt. Dies hat der 2. Senat des Bundessozialgerichts heute entschieden (Aktenzeichen B 2 U 3/22 R).
Der Kläger war als Mitarbeiter einer Catering GmbH Gastronomieleiter in einer Krankenhausküche. Er nahm an einer vom Krankenhaus organisierten Impfung gegen Schweinegrippe (Influenza A/H1N1) teil. Jahre später traten Fieberschübe auf, die der Kläger auf die Impfung zurückführt. Die beklagte Berufsgenossenschaft und die Vorinstanzen lehnten es ab, einen Arbeitsunfall festzustellen.
Die Revision des Klägers war im Sinne der Zurückverweisung an das Landessozialgericht erfolgreich. Auch eine planmäßig und freiwillig durchgeführte Impfung kann ein Unfallereignis sein, wenn sie zu einer Impfkomplikation und einem Gesundheitserstschaden führt. Hinzukommen muss ein innerer Zusammenhang der konkreten Impfung mit der versicherten Tätigkeit. Dieser ist nicht schon dann gegeben, wenn die Impfung vom Arbeitgeber empfohlen, finanziert und anschließend im Betrieb durchgeführt wird. Für allgemeine Grippeschutzimpfungen im Betrieb hat der Senat dies bereits entschieden. Ein innerer Zusammenhang kann aber angenommen werden, wenn die Teilnahme an der Impfung wesentlich betrieblichen Zwecken dient. In einem Krankenhaus mit einem gesteigerten Interesse an einem möglichst umfassenden Gesundheitsschutz für Patienten kann dies auch dann der Fall sein, wenn die Impfung aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses unter Berücksichtigung der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission erforderlich war oder der Beschäftigte dies aufgrund besonderer Umstände berechtigterweise annehmen durfte.
Feststellungen zu diesen besonderen Umständen hat das Landessozialgericht nicht getroffen. Die fehlenden Feststellungen werden deshalb nachzuholen sein.
Quelle: BSG, Pressemitteilung 18/2024, 27. Juni 2024
Recht
Die 28jährige Berlinerin Sonja M. (der Name wurde geändert) hat eine Verfassungsbeschwerde gewonnen, die sie 2022 vertreten durch Professorin Dr. Theresia Degener und die Rechtsanwält*innen Ronska Grimm und Lea Beckmann beim Landesverfassungsgerichtshof Berlin eingereicht hatte. Sie erstattete 2020 Anzeige und sagte aus, dass sie von ihrem Vorgesetzten in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen sexuell belästigt wurde. Die Berliner Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen den Beschuldigten ein, weil Sonja M. wegen einer kognitiven Beeinträchtigung angeblich nicht fähig sei, eine Aussage zu machen. Gegen diese Entscheidung wehrt sie sich vor Gericht und wird dabei durch Frauen- und Behindertenrechtsorganisationen begleitet. „Mein Chef hat mich immer wieder angefasst und geküsst, obwohl ich gesagt habe, dass ich das nicht will. Das war schrecklich und mir geht es immer noch manchmal schlecht deshalb“, erklärt Sonja M. „Es ist einfach nicht fair, dass das für ihn keine Folgen hat.“
Der Verfassungsgerichtshof hob nun die Entscheidung des Kammergerichts Berlin wegen Verfassungsverstößen auf (Beschluss vom 19. Juni 2024, VerfGH 80/22). Das Kammergericht muss jetzt neu entscheiden und prüfen, ob die Einstellung der Ermittlungen im Fall von Sonja M. rechtmäßig war.
Der komplette Text der Pressemitteilung des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen | Frauen gegen Gewalt steht hier als PDF zur Verfügung: www.frauen-gegen-gewalt.de
Deutsche Rentenversicherung
Im Mittelpunkt einer medizinischen Rehabilitation stehen die individuellen Bedürfnisse der behandelten Menschen, denn nur dann können optimale Ergebnisse erzielt werden. Es kommt bei der Behandlung deshalb nicht nur auf das Krankheitsbild an, sondern auch auf die persönlichen Umstände der Rehabilitanden. Deshalb rät die Deutsche Rentenversicherung Versicherten, die eine Reha beantragen, unbedingt von ihrem Wunsch- und Wahlrecht Gebrauch zu machen. Hierfür teilen sie dem zuständigen Rentenversicherungsträger ihre genauen Wünsche und Vorstellungen zur Reha sowie der Klinik mit.
Ob stationär, teilstationär oder ganztägig ambulant, ebenso wie Zeitpunkt und Ort der Reha: Versicherte haben bei alldem ein Mitspracherecht. Inwieweit ihre Wünsche umgesetzt werden können, wird durch die Rentenversicherung geprüft. So muss z.B. die favorisierte Reha-Klinik auch für die Indikation geeignet sein. Darüber hinaus muss die Klinik in angemessener Zeit erreichbar sein und über freie Kapazitäten verfügen.
Alle Informationen zu diesem Thema finden Interessierte in den kostenlosen Broschüren „Medizinische Rehabilitation: Wie sie Ihnen hilft“ und „Mit Rehabilitation wieder fit für den Job“. Sie können diese am Ende dieser Seite heruntergeladen oder bestellen.
Weitere Informationen und Broschüren zum Thema Reha: www.deutsche-rentenversicherung.de
Veranstaltungstipp
Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) stellt für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst einen wichtigen Baustein ihrer Altersversorgung dar.
Der VBL-Kongress für betriebliche Interessenvertretungen findet in Präsenz und als Online-Veranstaltung statt.
Themen, u.a.:
- Aktuelle Informationen zur VBL durch ein Mitglied des hauptamtlichen Vorstands der VB
- Neuerungen und vertiefende Betrachtung zur Zusatzversorgung und betrieblichen Altersversorgung
- Änderungen in der betrieblichen Altersversorgung aus Sicht der Gewerkschaft
- Vorstellung der VBL-Services
Infos und Anmeldung: www.vbl.de
Lese-Tipp
Eine „Hochschule für Alle“ forderte die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) 2009 und kritisierte, dass die Belange von Studierenden mit Behinderungen noch nicht ausreichend berücksichtigt würden. Wie ist es 15 Jahre später um die Barrierefreiheit bestellt? Nach aktuellen Zahlen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) geben knapp 16 Prozent der Studierenden eine studienerschwerende Beeinträchtigung an, davon "haben rund 27 Prozent beeinträchtigungsbezogene Anforderungen an Bau und Ausstattung der Hochschule oder Unterstützungsbedarfe". Die konkreten Anforderungen variieren dabei mit den Beeinträchtigungsarten: Neben der baulichen Barrierefreiheit gibt es einen Bedarf an technischer Ausstattung, etwa Großbildschirme für sehbeeinträchtigte oder störungsarme Umgebungen für hörbeeinträchtigte Studierende. ……..
Ein interessanter Artikel zum Thema auf www.forschung-und-lehre.de
Anmerkung, J.B.: Die „Barrierefreie Hochschule“ ist ein Thema, über das ich schon 2017 in der DUZ schreiben durfte: www.duz.de
09.10. bis 10.10.2024 in Lübeck
Die Arbeit der SBV wird komplexer und dynamischer. Im Arbeitsalltag spielen die rechtlichen und politischen Entwicklungen eine große Rolle.
So stehen Veränderungen im Betrieblichen Eingliederungsmanagement, der Barrierefreiheit und auch in der europäischen Rechtsprechung an.
Diese und weitere Themen werden in Vorträgen mit unseren Expertinnen und Experten gemeinsam mit den Teilnehmer*innen mit Blick auf die tägliche Praxis erarbeitet. Alle Vorträge vermitteln Wissen, das für die Arbeit der SBV erforderlich ist.
Die Referent*innen und die Teams vom ver.di-Forum Nord und dem Bildungswerk ver.di in Niedersachsen freuen sich auf euch!
Das Programm, sowie die Möglichkeit der Anmeldung findet ihr hier: www.verdi-forum.de
25.09.2024 in Hannover
In dieser Arbeitsschutzkonferenz wollen wir uns mit den Einflussmöglichkeiten der betrieblichen Interessenvertretung auf die Gestaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes beschäftigen. Die zentrale Bedeutung im betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz hat die Gefährdungsbeurteilung und die damit verbundene Festlegung von Maßnahmen und deren Überprüfung.
Programm und Infos und Anmeldung auf www.bw-verdi.de
03.09. bis 05.09.2024 in Travemünde
Die Norddeutschen Arbeitsrechtstage gehen in ihre 14. Auflage. Auch in diesem Jahr haben wir ein interessantes und umfangreiches Programm zusammengestellt.
Der Themenkomplex Arbeitszeit wirft immer große Fragen auf, die die Interessenvertretungen und die Mitbestimmung betreffen. Begriffe wie Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Dienstreiseregelungen, Überstunden etc. führen zu Unsicherheiten, Diskussionen und Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern.
Wir haben ausgewiesene Expert*innen des Arbeitsrechts für unsere Fachtagung gewonnen, die aufzeigen, wie der aktuelle Stand der Rechtsprechung ist und wie Betriebs- und Personalräte sowie Schwerbehinderten- und Mitarbeitervertretungen ihre Arbeit erfolgreich gestalten können.
Link zum Programm und zur Anmeldung: www.verdi-forum.de
Anmeldung für den SBV InfoBrief
Wenn Sie gerne in den Verteiler für den SBV InfoBrief aufgenommen werden möchten,
schreiben Sie uns einfach eine kurze Nachricht:
sbv@bw-verdi.de
Betreff: Abo SBV InfoBrief