Liebe Kolleginnen und Kollegen ……
……da sind wir wieder. Von Sommerloch konnte keine Rede sein, die Vielzahl der Meldungen, hier schon selektiv wiedergegeben, legt davon Zeugnis ab. Es ist ein Versuch, das Wichtigste informativ aufzuarbeiten.
Dass es in unserem Land vielfach unbewusste, aber auch nicht wenige strukturelle Diskriminierungen behinderter Menschen gibt, ist uns allen aus den verschiedensten Bereichen bekannt. Die Digitale und bauliche Barrierefreiheit, sowie die Benachteiligungen im Verkehrswesen und natürlich in der beruflichen Teilhabe seien hier nur beispielhaft genannt.
Dass es auch ganz offen geäußerte Diskriminierung in Deutschland gibt, haben mal wieder Politiker der AfD jüngst gezeigt und damit große Empörung ausgelöst. Im MDR-Sommerinterview sorgte Oberstudienrat Höcke für Entsetzen bei Betroffenen, Bildungs- und Sozialverbänden sowie Gewerkschaften. Seine Äußerungen, dass die inklusive Beschulung von Kindern mit Behinderung oder der „Gender-Mainstream-Ansatz“ Ideologieprojekte seien, von denen das Bildungssystem „befreit“ werden müsste, bezeichneten viele Kritikerinnen und Kritiker als „Tabubruch“ und „Angriff auf die Menschenwürde“. Wer sein politisches Denken derart definiere, arbeite konsequent an der Erbsünde einer merkmalsorientierten Auslese, analysierte der Landesbehindertenbeauftragte von Sachsen-Anhalt, Dr. Christian Walbrach. Innenministerin Faeser erklärte gegenüber dem „Handelsblatt“, sie würde den AfD-Rechtsaußen nicht mehr in den Schuldienst zurücklassen, falls dieser eine Rückkehr beabsichtigen sollte.
Inklusion sei ein Menschenrecht und stelle für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft nicht das Problem dar. Vielmehr sei Inklusion die Lösung für eine Überwindung sozialer Spaltungen, entgegnete Corinna Rüffer, Bündnis 90/Die Grünen. „Wer Inklusion infrage stelle, greife die Demokratie an“, mit diesen klaren Worten reagierte der Bundesbehindertenbeauftragte Jürgen Dusel gegenüber dem Deutschlandfunk auf die inklusionsfeindlichen Äußerungen von Björn Höcke.
Höcke hatte sich gegen die Regelbeschulung von Kindern mit Behinderung geäußert, mit der Begründung, dass es sich dabei um einen „Belastungsfaktor“ im Schulsystem handle. Verschiedene Landespolitiker der Partei stimmten den Äußerungen Höckes zu. Dass er damit ein Menschenrecht (siehe UN-Behindertenrechtskonvention) mit Füßen tritt, wird ihm bewusst gewesen sein.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kritisierte die unglaublichen Äußerungen Höckes umgehend und völlig richtig als menschenfeindlich und betonte, dass ca. 1,3 Mill. Menschen mit Behinderung in Unternehmen beschäftigt, dort unverzichtbar seien und mehr Arbeitsuchende mit Behinderung eine qualifizierte Ausbildung haben (49%) als Arbeitssuchende ohne Behinderung (34%). Zur Wahrheit gehört aber auch – und das teilte das IW in dieser Pressemeldung nicht mit – dass ca. 45.000 dazu verpflichtete Unternehmen keine schwerbehinderten Menschen beschäftigen. „Unternehmen sollten das Potenzial von Menschen mit Behinderungen nicht unterschätzen“, sagte Andrea Kurtenacker, Projektleiterin von REHADAT.
Empörung alleine genügt nicht, denn die AfD greift hier wie so oft ein Thema auf, dass tatsächlich große Mängel aufweist. So ist ein inklusives Schulsystem eben nicht zum Nulltarif zu haben. Wer Inklusion bestellt, muss Inklusion auch auskömmlich finanzieren und ausstatten!
Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein:
Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.
(Johann Wolfgang von Goethe | 1749 – 1832)
Ende August fand die Staatenprüfung Deutschlands in Genf in Sachen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention statt. Ich glaube, wir werden mit dem daraus folgenden Bericht sicherlich wieder den Beleg dafür bekommen, dass Deutschland noch meilenweit von einer gelungenen Inklusion in allen Bereichen entfernt ist.
Dass es in der Frage von Inklusion auch gute Beispiele gibt, zeigt eine jüngst veröffentlichte Pressemeldung des Berliner Finanzsenators. Ab sofort können Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung einfacher in der Berliner Verwaltung tätig werden. Bislang musste immer eine entsprechende vakante Stelle vorhanden sein, um zum Beispiel eine Person aus einer Werkstatt für behinderte Menschen zu beschäftigen. Dies ist nun anders. Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung, kann der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst ohne vorhandene Stelle und ohne freie Mittel beschäftigen. Dieses Beschäftigungsverhältnis ist vorerst auf bis zu zwei Jahre befristet, ermöglicht in dieser Zeit jedoch das Finden einer freien Stelle und eine fundierte Einarbeitung. Ziel ist es, ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis zu schaffen. Berlin erfüllt die Beschäftigungsquote übrigens mit ca.7% in den letzten Jahren! Danke für das gute Beispiel, Kopieren ist allerorten erlaubt!
Der Arbeitgeber Land Niedersachen hat die Hürde der gesetzlichen Beschäftigungsquote dagegen mal wieder mit 4,57% gerissen. Man merkt: Sonntagsreden helfen wenig – Taten hingegen schon!
Im Sommerurlaub stieß ich auf eine sehenswerte Installation in Anerkennung der Verdienste des Designers Otto „Otl“ Aicher (1922 – 1991) in Isny, seinem langjährigen Arbeits- und Lebensmittelpunkt. Über die Grenzen Deutschlands hinweg ist er u.a. durch die Gestaltung einer neuen, weltweit zu verstehenden Zeichensprache bekannt geworden, den Piktogrammen. Nach der Ausstattung der Olympischen Spiele 1972 wurden und werden sie weltweit in ungezählten Variationen genutzt. Auch das erste Rollstuhl-Symbol stammt von ihm, zu einer Zeit, in der vom Universellen Design in Europa noch wenig die Rede war. Dass der kompromisslose Anwender der Kleinschreibung unkorrumpiert durch die Zeit des Hitlerregimes gegangen ist, nötigt Respekt ab und seine Reflexionen können auch heute noch helfen.
otl aicher gehört der schlusssatz, der in fast jeder lebenslage helfen kann:
wenn man in der lage ist, die richtigen fragen zu stellen,
ist man auch bereits in der nähe der richtigen lösung.
Herzliche Grüße
Jürgen Bauch
Aus dem Leben
Von Christof Perrevoort
Zugfahrt mit Folgen: Am Sonntagnachmittag musste ein ICE auf der Strecke Berlin-Hannover in Nennhausen (Havelland) wegen eines Defekts am Bremssystem stoppen. Mit an Bord war der niedersächsische SPD-Landtagsabgeordnete Constantin Grosch.
Die Bahn stellte auf dem gegenüberliegenden Gleis einen Ersatz-ICE bereit. Alle Fahrgäste mussten umsteigen. Nur Grosch nicht – weil er nicht konnte. Er sitzt im Rollstuhl. Mit einer weiteren Rollstuhlfahrerin musste er im defekten ICE zurückbleiben. Grund: Im kleinen Bahnhof im Havelland fehlte offenbar ein Hublift, mit dem die Bahn sonst Rollstuhlfahrern aus dem Zug hilft.
Grosch äußerte seinen Ärger über den Kurznachrichtendienst Twitter. Die Bahn verwies auf Anfrage auf die eigenen Vorschriften, die es zum Schutz der Fahrgäste und aus versicherungstechnischen Gründen unmöglich machen würden, den Kunden auf andere Weise aus dem Zug zu helfen. Nach einer Weile fuhr der defekte Zug dann doch wieder an. Grosch twitterte: „Im Zug sind nur noch ein Zugführer und ein Techniker. Es wurde uns kein Wasser und nichts angeboten.“ Der defekte ICE erreichte schließlich den Bahnhof von Stendal. Dort gab es einen Lift für Rollstühle, allerdings wusste das Bahnpersonal vor Ort nicht, wie man den bedient. Der Politiker berichtete, dass er den Bahnmitarbeitern erklären musste, wie der Lift funktioniert. Der sei auch noch mit einem Zahlenschloss gesichert gewesen, es seien mehrere Telefonate nötig gewesen, bis das Schloss geöffnet werden konnte.
„Bahn hat nichts dazugelernt“
Grosch, der auch Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Muskelerkrankte ist, schrieb bei Twitter: „Die Zugbegleiter waren sehr freundlich und haben dann relativ bald verstanden, dass ich Vielfahrer bin, und meine Ratschläge angenommen. Coole Typen. Das Personal am Bahnhof Stendal hingegen ist eine Katastrophe.“
Mit einer Verspätung von zwei Stunden kam Grosch dann doch noch in Hannover an.
„Ich nehme das nur noch mit Humor und Sarkasmus“, sagt Grosch enttäuscht. Im Umgang mit behinderten Menschen habe die Bahn nichts dazugelernt. „Das Personal ist überhaupt nicht an den Rampen geschult, bei der Wagenausstattung werden noch die gleichen Fehler wie vor 30 Jahren gemacht.“ Betroffene seien mehr als frustriert. Grosch: „Es passiert in Deutschland täglich Dutzende Male, dass Menschen mit Behinderungen im Bahnverkehr stehen gelassen werden.“
Bahn entschuldigt sich
Die Bahn verspricht Besserung. Ein Sprecher: „Für die entstandene Situation der mitreisenden Fahrgäste mit Rollstuhl bitten wir um Entschuldigung. Wir nehmen die Schilderungen zum Anlass, die Abläufe in diesem besonderen Einzelfall im Hinblick auf die spezifischen Bedarfe mobilitätseingeschränkter Fahrgäste noch einmal aufzuarbeiten.“
Die Gewerkschaft Verdi drängt auf zügige Verbesserungen – vor allem in Niedersachsen. An vier Beispielen macht der Arbeitskreis Teilhabe- und Behindertenpolitik auf Mängel im Bahnverkehr aufmerksam:
- Einbeck: Am Zentralen Omnibusbahnhof können Rollstuhlfahrer nur an zwei Bussteigen aussteigen.
- Osnabrück: Der zentrale Kreuzungsbahnhof hat keine Orientierungshilfen für Menschen mit Sehbehinderungen. Zudem sind die Fahrstühle zu den Gleisen in Richtung Hannover dauerhaft defekt.
- Lüneburg: Der Bahnhofstunnel ist viel zu eng für Menschen mit Bewegungseinschränkungen. Regelmäßig fallen zwei der drei Aufzüge aus. Rollstuhlfahrer müssten einen Umweg über Hamburg fahren, um in Lüneburg auf dem Gleis mit einem funktionierenden Aufzug zu landen.
- Braunschweig: Der Bahnhof wird seit 2020 barrierefrei ausgebaut, die Gänge sind allerdings viel zu eng.
Quellenangabe: HAZ vom 26.07.2023, Seite 18
Pressemitteilung
Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange für Menschen mit Behinderungen, sprach anlässlich der zweiten Staatenprüfung bei den Vereinten Nationen, die am 28. Und 29. August in Genf stattgefunden hat. In seiner Rede vor dem Ausschuss machte er deutlich, dass die Empfehlungen der UN-Kommission „Maßstab und Richtschnur“ für seine Arbeit seien.
Der Behindertenbeauftragte erläuterte in seinem Eingangsstatement: „Neben den teilhabepolitischen Erfolgen seit der Ratifizierung der UN-BRK in 2009 und insbesondere seit der letzten Staatenprüfung 2015 gibt es noch echte ‚Baustellen‘, beispielsweise in den Bereichen der Barrierefreiheit, der Teilhabe am Arbeitsleben und der Inklusiven Bildung. Die mangelnde Barrierefreiheit zeigt sich besonders eklatant beim Zugang zum Gesundheitssystem. Insbesondere Arztpraxen und Rehakliniken sind aufgrund der fehlenden gesetzlichen Verpflichtung häufig nicht barrierefrei, was oftmals zu einer schlechteren Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen führt. Leider hat die Erfahrung gezeigt, dass es nicht ausreicht, auf Vernunft und Freiwilligkeit zu setzen. Andere Länder machen bereits vor, wie es gehen kann. So gilt in Österreich seit 2016 das Gesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen für alle Unternehmen: Alle Waren, Dienstleistungen und Informationen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, müssen barrierefrei angeboten werden. In diesem Sinne werde ich mich in die ressortübergreifende ‚Bundesinitiative Barrierefreiheit‘ regelmäßig und kritisch einbringen. Denn es wäre fatal, wenn diese Chance für mehr Barrierefreiheit wieder nicht entschlossen genutzt wird.“
Für die „Baustelle“ Arbeit führte der Beauftragte aus, dass sich trotz einiger Bemühungen in den letzten Jahren, die Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderungen zu verbessern, die Situation seit 2015 nicht wesentlich geändert habe. Die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderungen sei annähernd doppelt so hoch wie die von Menschen ohne Behinderungen und sie seien deutlich länger arbeitslos als Menschen ohne Behinderungen. „Die Weiterentwicklung der Werkstätten ist dringend erforderlich, damit das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, inklusiven und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt frei gewählt werden kann, nicht nur auf dem Papier steht“, so Jürgen Dusel.
Mit Blick auf die Inklusive Bildung in Deutschland machte Jürgen Dusel deutlich, dass gezielte und bundesweite Maßnahmen erforderlich seien, damit Menschen aufgrund Ihrer Behinderungen nicht weiterhin vom allgemeinen Bildungssystem und damit später vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden. Bund und Länder müssten hier an einem Strang ziehen.
Jürgen Dusel ergänzte: „Zur Wahrnehmung der Aufgabe des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen haben die Bundesministerien die beauftragte Person bei allen Gesetzes- und sonstigen wichtigen Vorhaben, soweit sie Fragen der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen behandeln, zu beteiligen. Nicht gesetzlich geregelt ist, wann und wie die Beteiligung zu erfolgen hat. Das führt dazu, dass die Bundesministerien ihre Beteiligungspflicht teilweise unterschiedlich auslegen. Wirklich zielführend im Sinne der Umsetzung der UN-BRK ist eine Beteiligung aber nur, wenn Sie frühzeitig, d.h. spätestens gemeinsam mit den anderen Ministerien in der Ressortabstimmung stattfindet. Nur so kann die beauftragte Person die Ministerien wirksam beraten.“
Gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) wird der Behindertenbeauftragte voraussichtlich im Februar 2024 eine Konferenz zur Staatenprüfung und den Abschließenden Bemerkungen veranstalten, um darauf hinzuwirken, dass Bund, Länder und Kommunen ihrer Aufgabe gerecht werden, für gleichwertige Lebensbedingungen zu sorgen, indem sie die Empfehlungen des UN-Ausschusses als Grundlage für konkrete politische und strategische Entscheidungen nehmen. Zu dieser Fachveranstaltung werden der Beauftragte und das DIMR einen Kreis von Entscheiderinnen und Entscheidern aus der Politik sowie Expertinnen und Experten in eigener Sache einladen. Teile der Veranstaltung werden online gestreamt und können von Interessierten mitverfolgt werden.
Der „konstruktive Dialog“ zwischen der Delegation der Bundesrepublik Deutschland und dem Ausschuss findet am 29. und 30. August 2023 in Genf statt. Hier befragt der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen die deutsche Delegation zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland.
Die erste Staatenprüfung fand 2015 statt, im gleichen Jahr erschienen die „Abschließenden Bemerkungen“, die die Ergebnisse dieser ersten Befragung zum Stand der Inklusion in Deutschland zusammenfasst. Basis der Befragung für die Staatenprüfung 2023 sind der kombinierte zweite und dritte Staatenbericht, den die Bundesregierung 2019 einreichte und 2023 aktualisierte sowie die Parallelberichte der Zivilgesellschaft und des Deutschen Instituts für Menschenrechte.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 05/2023, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Berlin, 29. August 2023
Aus dem Bundestag
Um den Tourismus in Deutschland barrierefrei zu machen, soll auf Grundlage der Nationalen Tourismusstrategie ein koordinierter Masterplan vorgelegt werden. Das fordert die Fraktion Die Linke in einem Antrag (20/7640) an die Bundesregierung.
Außerdem sollen ein Konzept zur Fortführung und Weiterentwicklung des Informations- und Kennzeichnungssystem „Reisen für Alle“ vorgelegt werden und die derzeitigen Möglichkeiten zur Schaffung von Barrierefreiheit und zur Verhinderung des Entstehens neuer Barrieren im Neubau genutzt werden. Die Abgeordneten fordern zudem, die Entwicklung digitaler Anwendungen zu fördern, die den barrierefreien Zugang zu allen Informationen garantieren.
Gefordert wird weiter, dass das Thema barrierefreier Tourismus verpflichtend in die akademische Ausbildung der tourismusrelevanten Studiengänge sowie die Ausbildungsprogramme der Hotelfachschulen aufgenommen wird; auch dafür soll sich die Bundesregierung nach Willen der Linken einsetzen.
hib – heute im bundestag | Nr. 565 | Freitag, 21. Juli 2023
Pressemitteilung
Menschen mit Behinderung erhalten derzeit – je nach Bundesland – unterschiedliche finanzielle Leistungen. Es gibt zwar überall ein Landesblindengeld, allerdingt variiert die Höhe stark. Während es unter anderem in Berlin oder Nordrhein-Westfalen Unterstützung für gehörlose oder taubblinde Menschen gibt, gehen Betroffene in Niedersachsen leer aus. Aus Sicht des Sozialverbands Deutschland (SoVD) in Niedersachsen ist dieser Zustand nicht hinnehmbar. Er fordert deshalb ein einheitliches Teilhabegeld für alle Menschen, die eine Behinderung haben.
Bis zu 410 Euro – diesen Betrag bekommen blinde Menschen in Niedersachsen monatlich zum Ausgleich der Nachteile, die ihnen durch ihre Behinderung entstehen. Würden die Betroffenen in Berlin wohnen, wären es über 670 Euro. „Das kann einen Unterschied von etwa 260 Euro im Monat ausmachen und ist nicht hinnehmbar“, sagt Bernhard Sackarendt, Landesvorsitzender des SoVD in Niedersachsen. Noch ungerechter sei die Situation für Gehörlose und Taubblinde. „In Berlin, Brandenburg oder Nordrhein-Westfalen bekommen sie pro Monat eine finanzielle Unterstützung, in Niedersachsen erhalten sie keinen Cent“, kritisiert Sackarendt. Es könne nicht sein, dass es vom Wohnort abhänge, ob Betroffene Leistungen erhalten oder nicht.
„Dieser Flickenteppich muss beendet werden. Nur so kann gerechte Teilhabe hergestellt werden“, ist sich der Landesvorsitzende sicher. Deshalb fordert der größte Sozialverband in Niedersachsen ein Teilhabegeld, dass alle Betroffenen – unabhängig von Einkommen und Vermögen – erhalten. So könnten spezielle Bedarfe, die aufgrund ihrer Behinderung entstehen, ausgeglichen werden. „Wichtig ist dabei, dass es jeder*jedem, die*der eine Behinderung hat, zur Verfügung steht, ohne, dass sie langwierig erläutern müssen, für welchen Mehrbedarf sie das Geld genau verwenden“, betont Sackarendt weiter. Dies sei eine wichtige Voraussetzung für mehr Flexibilität und Selbstbestimmung. „Niedersachsen sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen und ein Teilhabegeld auf Landesebene einführen. Ziel wäre aber natürlich eine Lösung auf Bundesebene“, so Sackarendt.
Quelle: PM, SoVD Niedersachsen, 17.07.2023
kobinet-nachrichten.org
Die UN-Behindertenrechtskonvention muss vor allem auch in den einzelnen Bundesländern umgesetzt werden. Dies wurde bei der Staatenprüfung Deutschlands am 29. und 30. August 2023 in Genf deutlich. Der niedersächsische Landtagsabgeordnete Constantin Grosch drängt daher auf eine konsequentere Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland. Constantin Grosch mahnte daher die Notwendigkeit an, die Belange von Menschen mit Behinderungen ernster zu nehmen. "Es ist zwar erfreulich zu sehen, dass die Sensibilisierung der Gesellschaft für die Belange von Menschen mit Behinderungen zunimmt, doch trotz dieser vermeintlich positiven Entwicklung, verschlechtern sich für viele Menschen mit Behinderung die tatsächlichen Lebensbedingungen“, sagte Constantin Grosch.
Den kompletten Artikel vom 31. 08. 2023 gibt es auf kobinet-nachrichten.org
Aus dem Bundestag
Von den 280 aktiven Personenbahnhöfen in Thüringen waren im Dezember 2022 laut Bundesregierung 81 „weitgehend barrierefrei“. Im Jahr 2017 habe die Anzahl der weitgehend barrierefreien Bahnhöfe in dem Bundesland noch bei 54 gelegen, heißt es in der Antwort der Regierung (20/7486) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (20/6897). Seit 2017 seien rund 28 Millionen Euro in Projekte zur barrierefreien Modernisierung von Verkehrsstationen in Thüringen investiert worden.
Im Zeitraum von 2008 bis 2015 seien in Abstimmung mit dem Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) 168 Verkehrsstationen stillgelegt worden, wird außerdem mitgeteilt. Ab dem Jahr 2016 habe es bis heute keine weiteren Stilllegungen gegeben.
Nach Auskunft der Deutschen Bahn AG (DB AG) habe es in den Jahren 2018 bis 2022 keine Gleiserweiterungen im Land Thüringen gegeben, schreibt die Bundesregierung. Die letzte Erweiterung des Streckennetzes in Thüringen sei mit der Inbetriebnahme der Strecke Ebensfeld-Erfurt (Verkehrsprojekt Deutsche Einheit VDE 8.1) im Dezember 2017 erfolgt. Aktuell befänden sich keine entsprechenden Maßnahmen im Bau. In der Antwort werden aber mehrere Vorhaben des Vordringlichen Bedarfs im Bundesverkehrswegeplan (BVWP 2030) aufgeführt, die Schienenprojekte in Thüringen betreffen.
Was die Anbindung an den Fernverkehr angeht, so verweist die Regierung in der Vorlage auf Auskünfte der DB AG, wonach ab 10. Dezember 2023 fünf Mal täglich IC2-Züge zwischen Leipzig-Jena-Nürnberg-Stuttgart-Karlsruhe verkehren werden - also vier zusätzliche Züge je Richtung. Rudolstadt werde dabei neuer Fernverkehrshalt. Weitere Ausweitungen im Fernverkehr für Thüringen würden derzeit geprüft.
hib – heute im bundestag | Nr. 520 | Mittwoch, 5. Juli 2023
Aus dem Bundestag
Die Fraktion Die Linke will von der Bundesregierung erfahren, wie viele Personen von den Jobcentern in den Monaten März, Juni, September und Dezember der Jahre 2019 bis 2022 Leistungen zur „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ bekommen haben. Auch erkundigt sie sich in einer Kleinen Anfrage (20/7886) unter anderem danach, wie hoch nach Kenntnis der Bundesregierung die Gesamtausgaben für die Leistungen zur „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ in den Jahren 2019 bis 2022 waren.
hib – heute im bundestag | Nr. 577 | Dienstag, 1. August 2023
Pressemitteilung - Sören Pellmann
Die Bundesregierung lehnt eine Überarbeitung der deutschen Übersetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ab, weil sie den Aufwand für zu hoch und den Nutzen für zu gering hält. Das geht aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag hervor (BT-Drs. 20/7712). Die Bundesregierung redet sich mit Verweis auf Artikel 50 der UN-BRK heraus, wonach nur die arabische, chinesische, englische, französische, russische und spanische Fassung völkerrechtlich bindend sind.
„Das ist eine skandalöse Aussage und eine Geringschätzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland“, empört sich Sören Pellmann, Sprecher für Inklusion und Teilhabe der Fraktion DIE LINKE im Bundestag. „Die Bundesregierung stellt den Aufwand für eine korrekte Übersetzung über den Nutzen für eine klare und verständliche Umsetzung der UN-BRK. Damit zeigt sie, wie wenig ihr an einer inklusiven und teilhabegerechten Gesellschaft liegt. Andere Staaten wie Österreich haben ihre Fehler geändert und waren damit wohl nicht überfordert oder haben diesen „Aufwand“ gern betrieben.“
Pellmann wirft der Bundesregierung vor, die Inklusions- und Teilhabepolitik für Menschen mit Behinderungen zu vernachlässigen und zu verzögern. Er verweist auf den unzureichenden Gesetzentwurf zum inklusiven Arbeitsmarkt, die fehlenden Konzepte für ein barrierefreies und inklusives Gesundheitssystem und die ausstehende Überarbeitung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) und des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG).
„Die Bundesregierung muss endlich liefern und die Privatwirtschaft zur Barrierefreiheit verpflichten, ein wirksames Verbandsklagerecht im AGG schaffen, bedarfsdeckende Förderungen für arbeitslose Menschen mit Behinderungen gewährleisten, verbindliche Regelungen für das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) einführen und ein Konzept für ein inklusives Gesundheitssystem vorlegen“, fordert Pellmann. „Die Bundesregierung darf nicht länger den Anschluss an andere europäische Länder verlieren, die bei der Übersetzung und Umsetzung der UN-BRK und der Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen vorangehen.“
Pellmann weiter: „Die Antwort der Bundesregierung ist eine Zumutung für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen, die dringend auf ein barrierefreies und inklusives Gesundheitssystem angewiesen sind. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag versprochen, einen Aktionsplan für 2022 vorzulegen, aber bisher keine konkreten Schritte unternommen, um dieses Versprechen einzulösen. Stattdessen vertröstet sie die Betroffenen mit vagen Ankündigungen und unverbindlichen Prüfungen.
Die Ampel muss endlich handeln und einen Aktionsplan erarbeiten, der konkrete Maßnahmen enthält, wie die Barrierefreiheit in Gesundheitseinrichtungen und Arztpraxen verbessert, die Sensibilität des Personals geschult und die Partizipation von Selbstvertretungsorganisationen und Verbänden von Menschen mit Behinderungen sichergestellt wird. Die Bundesregierung darf nicht länger die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen vernachlässigen. Sie muss ihnen ein Recht auf eine gleichberechtigte und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung garantieren.“
Quelle: Pressemitteilung, Sören Pellmann (MdB, Die Linke), 21.08.2023
Pressemitteilung - Hubert Hüppe
Anlässlich der erneuten Debatte um die Förderung von Einrichtungen aus der Ausgleichsabgabe erklärt der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Behindertenauftrage der Bundesregierung Hubert Hüppe:
Arbeitsminister Hubertus Heil und die Abgeordneten der Ampelkoalition fahren einen absurden Zickzackkurs bei der Werkstätten-Förderung aus der Ausgleichsabgabe.
Aktuell will Hubertus Heil einen Beschluss des Bundestages rückabwickeln, um auch nach dem Jahresende weiterhin die Bewilligung von Mitteln der Ausgleichsabgabe an Einrichtungen zu ermöglichen.
Richtig wäre es, diese Mittel, die ja im ersten Arbeitsmarkt gewonnen werden, auch zur Integration von Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt einzusetzen.
Der Referentenentwurf des Gesetzes zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts aus dem Arbeitsministerium sah im November 2022 noch vor, dass ab Januar 2024 keine Förderung von Einrichtungen aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe mehr bewilligt werden darf. Damit sollte eine Vorgabe des Koalitionsvertrages umgesetzt und eine vollständige Verwendung der Mittel der Ausgleichsabgabe zur Unterstützung und Förderung der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erreicht werden. Das Bundeskabinett hat diese Bestimmung entscheidend verwässert, als es im Februar 2023 den Gesetzentwurf verabschiedete, der Bewilligungen weiterhin auch ab Januar 2024 ermöglichte, wenn sie nur vor dem Januar 2024 beantragt worden sind.
Diese Absicht durchkreuzte der Bundestag durch eine Änderung am Gesetzentwurf und setze mit der Mehrheit der Ampelkoalition durch, dass nach dem Jahresende keine solchen Bewilligungen mehr möglich sind.
Nun will der Arbeitsminister durch Rückabwicklung dieses Bundestagsbeschlusses nicht nur die Ampel-Abgeordneten düpieren, die den Beschluss herbeigeführt und mitgetragen haben. Vielmehr lässt er Zweifel daran aufkommen, dass er mit voller Überzeugung zu der in seinem Gesetzentwurf angekündigten "Konzentration der Mittel aus der Ausgleichsabgabe auf die Förderung der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt" steht.
Wenn tatsächlich der Bundesminister Hubertus Heil entgegen dem Willen des Parlaments die Änderungen vornimmt, ist das ein Einknicken gegenüber der Werkstattlobby. Im Ergebnis werden noch auf Jahre hin Mittel für Sonderwelten vergeudet, die dringend für eine inklusive Arbeitswelt benötigt werden.
Die Kehrtwendung ist geradezu eine Aufforderung, noch ganz schnell Zuschüsse für neue Sondereinrichtungen zu beantragen, damit noch mehr Menschen mit Behinderungen in Sonderwelten leben müssen.
Besonders pikant ist dies vor dem Hintergrund, dass Deutschland sich in wenigen Tagen der Staatenprüfung zur Umsetzung UN-Behindertenrechtskonvention stellen muss. Bei der letzten Prüfung wurde die Bundesrepublik wegen Ihrer Sondereinrichtungen, insbesondere der großen Anzahl von Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, scharf kritisiert.
Quelle: Pressemitteilung, Hubert Hüppe (MdB CDU), 21.08.2023
DIE NEUE NORM
Bis zu 720€ „Strafe“ im Monat, wenn man als Unternehmen keine oder zu wenige Menschen mit Behinderung beschäftigt. So will es das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes. Aber was hat es damit auf sich? Und wird der Arbeitsmarkt jetzt endlich inklusiv? Warum das Gesetz viele Chancen liegen lässt, erklärt Marie Lampe auf DIE NEUE NORM.
Pressemitteilung - Institut für Menschenrechte
Das Deutsche Institut für Menschenrechte bemängelt die Stagnation bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland. „Ein echter Paradigmenwechsel in Politik und Gesellschaft hin zu Inklusion und Selbstbestimmung ist auch 14 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtkonvention nicht festzustellen“, erklärt Leander Palleit, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Instituts, anlässlich der bevorstehenden Staatenprüfung Ende August in Genf. „Die Dynamik in Bund, Ländern und Kommunen hat trotz einiger Fortschritte inzwischen deutlich nachgelassen und in der Abwägung unterschiedlicher politischer Prioritäten hat die Konvention spürbar an Gewicht verloren.“
Am 29. und 30. August 2023 prüft der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zum zweiten Mal, wie Deutschland die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland umsetzt. Die Staatenprüfung findet im Rahmen eines „Konstruktiven Dialogs“ mit deutschen Regierungsvertreterinnen und -vertretern in Genf statt. Zu dieser Staatenprüfung hat die Monitoring-Stelle einen sogenannten Parallelbericht verfasst. Der Bericht benennt ausgewählte Problembereiche bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland, etwa zu den Themen Arbeit, Inklusive Bildung, Zwang, Selbstbestimmtes Leben und Barrierefreiheit.
Die Monitoring-Stelle kritisiert vor allem das stark ausgebaute System von Sonderstrukturen in Deutschland – sowohl in der schulischen Bildung und bei der Beschäftigung in Werkstätten als auch in Form von großen stationären Wohneinrichtungen. „Es wird zwar viel über Inklusion diskutiert, konsequent in die Tat umgesetzt wird sie allerdings nicht“, so Palleit.
Der Parallelbericht weist darauf hin, dass in vielen Bereichen Menschen mit Behinderungen und ihre Bedarfe nach wie vor kaum oder gar nicht mitgedacht werden. So fehle ein durchgängiges Bewusstsein für Barrierefreiheit als Grundvoraussetzung einer gleichberechtigten Teilhabe. Das gelte beispielsweise für Wohnungsbau, Katastrophenschutz sowie Zugang zu Arztpraxen. Probleme, wie etwa fehlende diskriminierungsrechtliche Verpflichtungen zu Barrierefreiheit im privaten Sektor, seien zwar seit langem bekannt, aber politisch nicht bearbeitet. „Hier fehlt es an der notwendigen menschenrechtlich gebotenen politischen Priorisierung“, heißt es im Bericht.
Link zum Parallelbericht an den UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zum 2./3. Staatenprüfverfahren Deutschlands: www.institut-fuer-menschenrechte.de
Quelle: Pressemitteilung, Institut für Menschenrechte, 15.08.2023
Recht
Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund eines Unfalls sind für die Frage der negativen Zukunftsprognose grundsätzlich nicht relevant, da sie regelmäßig nicht prognosefähig sind.
Die Parteien stritten um eine ordentliche Kündigung der Beklagten wegen häufiger Kurzerkrankungen.
LAG Köln 4. Kammer, 4 Sa 659/22, 28.03.2023
Link zum Urteil: www.rehadat-recht.de
Recht
Es passiert sehr selten, dass eine SBV-Wahl für ungültig erklärt wird. Der Kollege Eberhard Hagen hat einen Beschluss des Arbeitsgerichtes Hannover nachfolgend zusammengefasst:
Tenor:
Die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung einschließlich der Wahl der Hauptvertrauensperson (HPV) für Beschäftigte mit Schwerbehinderung im niedersächsischen Schuldienst vom 07. 03. 2023 wird für ungültig erklärt.
Gründe (Stark verkürzt):
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der am 07. März 2023 durchgeführten Wahl zur Hauptschwerbehindertenvertretung einschließlich der Wahl der Hauptvertrauensperson (HPV) für Beschäftigte mit Schwerbehinderung im niedersächsischen Schuldienst.
Der Beteiligte zu 1. (örtliche Vertrauensperson) hat sich neben der Beteiligten zu 5. (amtierende HPV) und weiteren Bewerbern für das Amt zur HPV beworben. Das Wahlergebnis wurde in der öffentlichen Sitzung des Wahlvorstandes am 07. März 2023 bekanntgegeben. Dabei wurde die Beteiligte zu 5., die das Amt bereits seit 12 Jahren innehat, wiedergewählt.
Während ihrer letzten Amtsperiode nahm die Beteiligte zu 5. In ihrer Funktion als amtierende HPV an verschiedenen Veranstaltungen teil. Themen der Veranstaltungen waren unter anderem die Wahl der Schwerbehindertenvertretung im Herbst 2022.
Im Anschluss an die Veranstaltung in O. am 05. Dezember 2022, an welcher auch der Beteiligte zu 1. teilnahm, fand ferner eine Vorstellung der Kandidaten für die Wahl der HPV statt.
Zum Zweck der weiteren Wahlwerbung verfasste der Beteiligte zu 1. ein Schreiben, in dem er seine Person und sein Wahlprogramm vorstellte. Das Schreiben versendete er am 10. Februar 2023 von seiner privaten E-Mail-Adresse an die dienstlichen E-Mail-Adressen der Wahlberechtigten.
Mit Schreiben vom 15. Februar 2023 übersendete auch die Beteiligte zu 5, ein entsprechendes Schreiben per E-Mail an die Wahlberechtigten. Für das Schreiben verwendete die Beteiligte zu 5. das Wappen des Landes Niedersachsen sowie den amtlichen Briefkopf der HPV, welcher nur selten, regelmäßig aber bei Informationsschreiben an Bezirks- und örtliche Vertrauenspersonen genutzt wurde.
Bei der letzten Wahl im Jahr 2015 gab es zwischen den Bewerbern eine Absprache, wie Wahlwerbung erfolgen sollte. Sämtliche Kandidaten verfassten Wahlwerbung auf einem neutralen Papier, die im Anschluss gebündelt von der Beteiligten zu 5. an die Wahlberechtigten versandt wurden.
Der Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit folgt aus der äußeren Gestaltung des Bewerbungsschreibens.
Durch die Verwendung des Briefkopfes und insbesondere des Wappens hat die Wahlbewerbung der Beteiligten zu 5. einen offiziellen amtlichen Charakter erhalten. Dieser Charakter fehlt den Wahlbewerbungen der übrigen Wahlbewerber, die auf einem neutralen Papier verfasst wurden. Ihnen war zudem, mangels Innehabens eines entsprechenden Amtes, auch nicht möglich, ihre Wahlbewerbungsschreiben gleichsam zu gestalten. Hierdurch entsteht ein Ungleichgewicht. Es findet keine klare Trennung zwischen der Funktion der Beteiligten zu 5. als Amtsinhaberin und als Wahlbewerberin statt. Zudem kann durch die Verwendung des Wappens der zusätzliche Eindruck entstehen, dass der Arbeitgeber die Bewerberin unterstützt, was bei den Wählern zu einer – wenn auch unbewussten – Beeinflussung führen kann, die Beteiligte zu 5. zu wählen. Zudem wirkt ein offizielles Schreiben, unabhängig von dessen Inhalt, grundsätzlich professioneller, was bei den Wählern ferner den Eindruck erwecken kann, die Beteiligte zu 5. sei kompetenter als die übrigen Wahlbewerber.
Arbeitsgericht Hannover 12. Kammer, Beschluss vom 04. 07. 2023, AktZ.: 12 BV 6/23
Vollständiger Beschluss veröffentlicht bei juris
AGG - Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes
Der Sozialverband VdK und das Bündnis AGG Reform – Jetzt! fordern die Bundesregierung auf, die bereits im Koalitionsvertrag 2021 angekündigte Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) umzusetzen. Vom Bundesjustizministerium gibt es noch keinen Gesetzentwurf und kein Eckpunktepapier.
Weitere Informationen auf www.reha-recht.de
Bundesfachstelle Barrierefreiheit
Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit stellt eine Online-Übersicht von Gesetzen und Verordnungen bereit, in denen es um Barrierefreiheit in unterschiedlichen Bereichen geht. Bisher gab es keine übersichtliche Sammlung dieser rechtlichen Vorgaben.
Die Rechtssammlung umfasst Themengebiete wie Arbeitsschutz, Bildung, Gebäude, Gesundheit oder Kommunikation. Interessierte können Suchworte eingeben oder nach diesen Themengebieten sowie nach dem zuständigen Bundesressort filtern. Die Suchergebnisse sind verlinkt zu Informationen über die jeweiligen Gesetze – wie etwa die Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabenverordnung (SchwbAV) oder das EU-Fahrgastrechte-Kraftomnibus-Gesetz (EU-FahrgRBusG).
Die Rechtssammlung enthalte zurzeit über 110 Gesetze und Verordnungen, so die Bundesfachstelle. Sie biete einen kompakten Überblick über die vorhandenen Gesetzestexte, die rechtliche Regelungen für die Barrierefreiheit beinhalten. Die Sammlung zeige auch die Vielfalt der Barrierefreiheit auf. Der Fokus der Sammlung liege zunächst auf dem Bundesrecht. Für die landesrechtlichen Vorschriften der Barrierefreiheit solle diese Rechtssammlung als Beispiel dienen, das in den jeweiligen Bundesländern übernommen und fortgesetzt werden könne.
Die Rechtssammlung entstand in Zusammenarbeit mit der Rechtsanwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Die Sammlung wird regelmäßig aktualisiert und weiterentwickelt werden.
Link zur Rechtssammlung: www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de
Inklusionsbeirat
Der Inklusionsbeirat der Staatlichen Koordinierungsstelle mahnt die Erfüllung des Koalitionsvertrags an.
Die Ampel-Koalition hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, bis Ende 2022 einen Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen zu erarbeiten.
Bislang wurde hierzu noch nichts vorgelegt und kein Austausch mit den zu beteiligenden behindertenpolitischen Verbänden begonnen.
Der Inklusionsbeirat mahnt daher die Umsetzung des Koalitionsvertrags eindringlich an und fordert das Bundesministerium für Gesundheit auf, zügig das geplante Vorgehen mit den Verbänden und Selbstvertretungsorganisationen gemeinsam festzulegen und die eigentliche Arbeit am Aktionsplan aufzunehmen, damit der Zugang zur gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen in Deutschland endlich verbessert wird.
Hierzu hat der Beirat ein Papier veröffentlicht, dass Sie unter folgendem Link einsehen können:
Das komplette Positionspapier hier zum Download
Tipp
Der Podcast „Teilhabe und Inklusion“ reiht sich mit authentischen Gesprächen in die REHADAT-Familie ein und informiert praxisnah über Möglichkeiten, Barrieren in der Gesellschaft und vor allem im Arbeitsleben abzubauen. Es erwarten Sie komplexe Themen, verständlich aufbereitet.
Bislang sind 5 Folgen erschienen:
- Barrierefreiheit im Arbeitsleben,
- Sag ich's oder sag ich's nicht
- Teilhabe statt Ausgleichsabgabe: Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen
- Von der Werkstatt in den allgemeinen Arbeitsmarkt: Erfolgsgeschichten
- Barrierefreiheit auf Social Media: Digitale Teilhabe fördern
Link zur Podcast-Seite bei www.rehadat.de
www.reha-recht
Die SBV als Akteur betrieblicher Teilhabe – Anmerkung zum Beschluss des BAG vom 19. Oktober 2022 – 7 ABR 27/21
Der Autor, Prof. Dr. Wolfhard Kohte, stellt eine Grundsatzentscheidung des BAG für die Schwerbehindertenvertretung als eigenständige Interessenvertretung aus dem Jahr 2022 vor. Der 7. Senat sowie auch der Autor betonen, dass im Vergleich zu anderen Interessenvertretungen in bestimmten Konstellationen auch eigenständige rechtliche Lösungen möglich und geboten sind. Dies gelte insbesondere für das Fortbestehen der SBV im Fall des Absinkens der Zahl der schwerbehinderten Beschäftigten im Betrieb unter den Schwellenwert von fünf Personen, da die SBV als einen wichtigen Zweck auch die Eingliederung von schwerbehinderten Menschen in den Betrieb und den Arbeitsmarkt zu stärken habe.
Link zum Text bei www.reha-recht
BAR Reha-Info 4/2023 – Schwerpunkt: „Reha lohnt sich?!“
„Reha zahlt sich aus?!“ Und bei der Frage, muss sich etwas auszahlen damit es gerechtfertigt ist? Oder anders gefragt: „Was kostet uns Ihre Gesundheit?“ Die Beiträge der Ausgabe zeigen ein Bild zwischen Optimismus und Ernüchterung. Angespannt ist die Finanzlage sowohl bei medizinischen wie bei beruflichen Leistungserbringern unter anderem aufgrund rückläufiger Anträge und explodierender Kosten bedingt durch Energiekrise und Inflation. Angespannt ist aber häufig auch die Finanzsituation von Menschen mit Behinderungen selbst
Dass es auch positive Beispiele der Teilhabe am Arbeitsleben gibt, wird in einem Unternehmens-Interview deutlich.
Link zum WEB-PDF: www.bar-frankfurt.de
SoVD Niedersachsen
Besonders in Innenstädten – mit verkehrsberuhigten und autofreien Zonen – sind die Parkmöglichkeiten oft knapp. Für Menschen mit Behinderung oder einer Mobilitätseinschränkung, die dort ihre Ärzte*innen, Behörden oder Einkaufsmöglichkeiten erreichen müssen, ist das ein Problem. Denn längere Wege vom Parkplatz aus können sie nicht bewältigen, und nahegelegene Parkplätze gibt es nur begrenzt. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) in Niedersachsen sieht hier die Teilhabe vieler Menschen in Niedersachsen eingeschränkt und fordert daher die Einführung zusätzlicher Parkerleichterungen.
„Häufig sind Parkplätze so weit von der ärztlichen Praxis entfernt, dass die Betroffenen nicht eigenständig hinlaufen können. Das kann sogar dazu führen, dass sie in ihrem Recht auf freie Wahl der Ärztin oder des Arztes eingeschränkt werden und sich letztlich eine neue Praxis suchen müssen“, bemängelt Bernhard Sackarendt, SoVD-Landesvorsitzender in Niedersachsen. Zwar gibt es die bundesweit gültigen blauen und orangen Parkausweise, die bestimmten Gruppen Parkerleichterungen bieten – beispielsweise kann mit ihnen in Fußgängerzonen während der Ladezeit oder auf Parkplätzen mit Zeitbegrenzung unbegrenzt geparkt werden.
Die Auflagen sind jedoch in beiden Fällen sehr hoch: Für die Ausstellung eines blauen Parkausweises, der auch zum Parken auf Schwerbehindertenplätzen berechtigt, ist ein Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) oder Bl (Blindheit) erforderlich. Auch für den orangen Parkausweis sind genau definierte Einschränkungen oder Erkrankungen nachzuweisen. „Viele Menschen, die dauerhaft oder vorübergehend stark mobilitätseingeschränkt sind, erfüllen die eng definierten Voraussetzungen nicht“, weiß Sackarendt.
Um auch die Inklusion in Niedersachsen zu stärken, fordert der größte Sozialverband des Landes die Einführung des gelben Parkausweises – dieser ist bisher nur in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz gültig. Er vergibt dieselben Sonderparkrechte wie der orange Parkausweis, gleichzeitig ist der Personenkreis der Berechtigten aber weiter gefasst: Der Grad der Behinderung als Voraussetzung ist niedriger angesetzt und es werden auch Menschen berücksichtigt, die in ihrer Mobilität – vorübergehend oder dauerhaft – stark beeinträchtigt sind und sich maximal 100 Meter weit fortbewegen können. „Der gelbe Parkausweis würde viele Betroffene in Niedersachsen im Alltag deutlich entlasten und wäre ein wichtiger Schritt zu mehr gleichberechtigter Teilhabe in Niedersachsen“, betont der SoVD-Vorsitzende.
Quelle: PM, SoVD Niedersache, 10.07.2023
DGUV
Damit vielfältige, diverse Teams sicher und gesund arbeiten, braucht es eine barrierefreie betriebliche Kommunikation - auch bezüglich des Arbeitsschutzes. Ein Beitrag der Juli- Ausgabe von Arbeit & Gesundheit zeigt anhand eines Praxisbeispiels, wie etwa in Notfallsituationen alle Beschäftigten eines Betriebs zuverlässig erreicht werden.
Tipp
Viermal im Jahr erscheint SBVdirekt mit Beiträgen zu Themen wie Burnout, Arbeit und Behinderung, Ausbildung ohne Barrieren, Mobilität oder barrierefreies Reisen und soll frische Impulse für die Inklusionsarbeit liefern.
Die aktuelle Ausgabe gibt es hier zum Blättern oder als barrierefreies PDF zum Herunterladen: SBVdirekt 02/2023 als barrierefreies PDF
Das E-Magazin ist ein exklusives redaktionelles Angebot des Sozialverband VdK Baden-Württemberg e.V. und richtet sich an alle Menschen, die ein Interesse an Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung haben.
Tipp
Sich mit Inklusion im Design auseinanderzusetzen, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Ist es aber häufig immer noch zu selten. Und nach wie vor bestehen Unklarheiten, Unsicherheiten und Ungereimtheiten bezüglich der Umsetzung und möglichen Implementierungsweisen.
In einem kürzlich abgeschlossen Projekt hat sich die Fakultät Gestaltung der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst mit den komplexen Zusammenhängen Inklusiver Gestaltung auseinandergesetzt. Über mehrere Semester ging ein interdisziplinäres Team der Frage auf den Grund, welche Rahmenbedingungen Projekte benötigen, um inklusiv wirken zu können – und welche didaktischen Formate und Methoden sinnvoll sind, um die Designlehre inklusiver zu gestalten.
Entstanden ist dabei die das Buch INKLUSION GESTALTEN. Dieses, so die Herausgeber*innen, soll weniger als “Projektabschluss” dienen, sondern vielmehr einen Diskurs zwischen Hochschulen, Expertinnen und Designerinnen eröffnen.
Das Buch enthält Fachtexte aus den Bereichen Kommunikationsdesign, Innenarchitektur, Produktdesign und Werbung. Es geht um Inklusion, Partizipation, Universal Design, Orientierungssysteme, Typografie, Ladengestaltung, Stadtraumgestaltung, Leichte Sprache und inklusive Designlehre. Das dazugehörige Methodenbuch gibt darüber hinaus Anregungen, wie ausgewählte Designmethoden so modifiziert werden können, dass sie sich für einen partizipativen und inklusiven Designprozess eignen.
Mit Beiträgen von: Florian Adler, Thomas Bade, Tom Bieling, Tiemo Brants, Ulrike Dammann, Andrea Döring, Barbara Kotte, Christiane Maaß, Isabel Rink, Maria Scherlies und Svenja Schulz, Andreas Schulz, Günter Weber, Tobias Witt und Peter Woltersdorf.
Link zur Vorstellung des Buches: www.designforschung.org
Deutsche Rentenversicherung
Eine interdisziplinär ausgerichtete Rehabilitation erhöht die Chancen von Post-COVID-Patientinnen und -Patienten auf Besserung ihrer Beschwerden. Zu diesem Schluss kommen die Deutsche Rentenversicherung (DRV) und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) in einem gemeinsamen Eckpunktepapier für die medizinische Rehabilitation bei Post-COVID-Syndrom. Mit Hilfe des Eckpunktepapiers wollen DRV und DGUV die Versorgung derjenigen Erkrankten verbessern, bei denen mehrere Organsysteme betroffen sind und bei denen isoliert auf ein Fachgebiet ausgerichtete Reha-Konzepte nicht ausreichen.
Nach einer Erkrankung an COVID-19 können Beschwerden wie Erschöpfung, Müdigkeit, mangelnde Belastbarkeit und Konzentrationsprobleme auftreten. Halten diese Beschwerden an, kann ein so genanntes Post-COVID-Syndrom vorliegen. Die Frage, wie den Betroffenen geholfen werden kann, beschäftigt auch die Politik. So stellte am 12. Juli 2023 Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Pläne für ein Versorgungsforschungsprogramm vor, mit dem insbesondere Modellprojekte gefördert und evaluiert werden.
Link zur Deutschen Rentenversicherung: www.deutsche-rentenversicherung.de
reha-recht.de
Die psychische Gesundheit ist eine wichtige Voraussetzung für Arbeitsfähigkeit, Teilhabe und Lebensqualität. Psychische Beeinträchtigungen hingegen führen oftmals zu langen Ausfallzeiten bis hin zu Frühverrentungen. Im betrieblichen Kontext stellt das Thema die Beteiligten vor große Herausforderungen – so auch im Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM). Marianne Giesert und Tobias Reuter beschreiben im vorliegenden Beitrag, welche zentrale Rolle ein gut umgesetztes ganzheitliches Betriebliches Gesundheitsmanagement auf Basis der rechtlichen Grundlagen mit den Handlungsfeldern Arbeitsschutz, Betriebliches Eingliederungsmanagement und Betriebliche Gesundheitsförderung beim Umgang mit psychischer Beeinträchtigung im Betrieb einnimmt.
Link zum Artikel: www.reha-recht.de
ver.di-Arbeitskreis Teilhabe- und Behindertenpolitik
Zugausfälle, defekte Fahrstühle, fehlende Rampen - Nutzer des ÖPNV in Niedersachsen kennen diese Probleme. Für Menschen mit Bewegungseinschränkungen führt dies häufig dazu, dass sie eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln gar nicht erst angetreten können. Der ver.di-Landesarbeitskreis (LAK) Teilhabe- und Behindertenpolitik fordert deshalb deutliche Verbesserungen beim Ausbau der Barrierefreiheit von Bahn- und Busbahnhöfen im Land. An vier Beispielen sollen die mangelnde Barrierefreiheit deutlich gemacht werden:
Einbeck:
In der südniedersächsischen Stadt können Rollstuhlfahrer am Zentralen Omnibusbahnhof nur an zwei Bussteigen aussteigen. Bei den übrigen Haltepunkten fehlt eine entsprechende Ausstiegsmöglichkeit für Rollstuhlfahrer. Es bleibt den Betroffenen nur die Möglichkeit, an entfernteren Bushaltestellen auszusteigen.
Osnabrück:
Der zentrale Kreuzungsbahnhof im Südwesten Niedersachsens hat keine Orientierungshilfen für Menschen mit Sehbehinderungen. Zudem sind dauerhaft die Fahrstühle zu den Gleisen Richtung Hannover defekt.
Lüneburg:
Der Bahnhofstunnel ist, wegen der gestiegenen Zahl der Reisenden, viel zu eng geworden. Insbesondere zu Stoßzeiten ist die Benutzung des Tunnels für Menschen mit Bewegungseinschränkungen schwierig. Ein weiteres Problem mit gravierenden Folgen: Regelmäßig fallen zwei der drei Aufzüge am Bahnhof aus. Menschen mit Rollstuhl können dann, aus Richtung Hannover kommend, nicht in Lüneburg aussteigen, weil sie nicht vom Bahnsteig herunterkommen. Sie sind gezwungen, große Umwege, unter Umständen auch über Hamburg, zu fahren, um dann am anderen Bahnsteig in Lüneburg aussteigen zu können.
Braunschweig:
Seit 2020 wird der Braunschweiger Bahnhof auch barrierefrei ausgebaut. Die Baustelle führt aber zu viel zu engen Gängen. Menschen mit Bewegungseinschränkungen fühlen sich zu Stoßzeiten bedrängt.
Grundsätzlich bestehen in den Zügen regelmäßig Probleme: nicht nutzbare Schwerbehindertenplätzen, defekte Behinderten-Toiletten und Klimaanlagen (besonders belastend bei bestimmten Erkrankungen wie MS). „Bis zur Barrierefreiheit im ÖPNV in Niedersachsen ist es noch ein weiter Weg. Wir brauchen einen Plan zur Barrierefreiheit im Nahverkehr für Niedersachsen. An dieser Stelle ist die Landesregierung gefragt“, sagt ver.di-Sekretär Matthias Hoffmann, der den Arbeitskreis betreut.
Für weitere Informationen stehen Betroffene gern zur Verfügung. An den jeweiligen Orten zeigen ver.di-Mitglieder mit Bewegungseinschränkungen gerne die Probleme im Detail.
Quelle: PM, ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen, 24.07.2023
Pressemitteilung
Die Gesamtschwerbehindertenvertretung für das Land und die Stadtgemeinde Bremen hatte große Erwartungen auf einen künftigen Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung hinsichtlich guter Impulse zur Inklusionspolitik gesetzt. Es bestand die Hoffnung, nachdem die vorherigen Ziele des alten Koalitionsvertrages hinsichtlich der Schaffung von inklusiven Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst verfehlt wurden, nun gezielt und aktiv die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung im öffentlichen Dienst zu sichern und aktiv die Einstellung von Menschen mit Behinderung zu fördern.
Der Koalitionsvertrag ist jedoch hinter diesen Erwartungen weit zurückgeblieben. Konkrete Ziele, welche im vorherigen Koalitionsvertrag noch mit Zahlen hinterlegt waren (z. B. die Schaffung von mindestens 20 Arbeitsplätzen auf der Grundlage des Budgets für Arbeit), gibt es nicht mehr. Vielmehr soll das Budget für Arbeit „verbindlich erprobt“ und eine „Strategie zur Sicherung der Schwerbehindertenquote“ erarbeitet werden. „Der Senat will offenkundig vermeiden, an der konkreten Umsetzung der Inklusionspolitik gemessen zu werden“, so Gesamtschwerbehindertenvertreter Marco Bockholt.
Auch ist dem Koalitionsvertrag nicht schlüssig zu entnehmen, wie man künftig dem (Fach-) Kräftemangel entgegensteuern möchte. Es reicht nicht aus, im Koalitionsvertrag festzustellen, dass die Freie Hansestadt Bremen „ihre Attraktivität als Arbeitgeberin weiter verbessern muss“. Hierzu zählt auch die Schaffung von barrierefreien Arbeitsplätzen, hier gibt es einen großen Nachholbedarf. Auch dies gehört aus Sicht der Gesamtschwerbehindertenvertretung zu den Faktoren einer Arbeitgeberattraktivität. Es besteht immer noch großer Handlungsbedarf, um eine volle sowie wirksame und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung als Beschäftigte im bremischen öffentlichen Dienst zu ermöglichen.
Die Gesamtschwerbehindertenvertretung hätte sich einen Koalitionsvertrag mit klaren Positionen gewünscht. Eine Beschreibung des jetzigen Zustandes, ohne hierbei wirklich eindeutige Schlussfolgerungen zu ziehen, reicht nicht aus. Dem neuen Senat wird von der Gesamtschwerbehindertenvertretung jetzt gerne die Chance eingeräumt, seine Hausaufgaben zu erledigen, erkennbare Fakten zu schaffen, um am Ende der Legislaturperiode bilanzieren zu können, dass Bremen diesmal bei der Inklusion einen deutlichen Schritt nach vorne gekommen ist!
Quelle: PM, GSBV Land und Stadtgemeinde Bremen, 17.07.2023
Wissenswertes
Ressentiments gegenüber behinderten Menschen sind so vielfältig wie körperliche und geistige Behinderungen selbst. Sie reichen von Spott über den ungewöhnlichen Körper und Geist über Zuschreibung von Eigenschaften bis hin zu Gewalt und Mord, zum Beispiel während der Zeit der „Euthanasie“ Schwerbehinderter während des Nationalsozialismus.
Erst seit kurzem wird auch im deutschen Diskurs das englische Wort „Ableism“ verwendet, das innerhalb der englischsprachigen Behindertenbewegung entstand. Das Wort leitet sich ab vom Wort „Ability“, Fähigkeit, und erweitert den Fokus von Behinderung auf Körper allgemein. Ein entsprechender Ausdruck im Deutschen wurde bisher nicht gefunden, daher bleibt es oft beim englischen Wort. Ableism ist die Beurteilung von Körper und Geist anhand von Fähigkeiten – der „Wert“ eines Menschen entscheidet sich dabei danach, was sie oder er „kann“ oder „nicht kann“. Der Mensch wird so flexibel je nach Alter, Geschlecht oder Kultur gesetzten Standards beurteilt. Ist zum Beispiel ein Kind in einem bestimmten Alter und hat noch nicht die von ihm und seinen Altersgenossinnen und –genossen erwarteten Fähigkeiten erreicht, droht das Label „Behinderung“.
Auszug aus einem interessanten Beitrag von Rebecca Maskos aus dem „Stern-Lexikon“
Tipp
Die Budgets für Arbeit oder Ausbildung besser nutzen und damit Menschen mit Behinderung den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtern: Das ist Ziel des Projektes „Budgetkompetenz – Initiative zum Budget für Arbeit und Ausbildung“, das die Interessensvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) gemeinsam mit anderen Projektpartnern kürzlich startete.
Das Projekt richtet sich an:
- Menschen mit Behinderungen, die sich für die Budgets interessieren, sich dazu unabhängig beraten lassen wollen und ein Unterstützungsangebot vor Ort suchen.
- Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die sozialversicherungspflichtige Arbeits- bzw. Ausbildungsplätze im Rahmen der Budgets verwirklichen wollen.
- Betriebe, die Werkstattbeschäftigte bereits auf Außenarbeitsplätzen beschäftigen.
Weitere Informationen: www.budgetfuerarbeit.de
DGUV Information
Im Arbeitskontext führt riskanter oder problematischer Alkoholkonsum häufig zu Fehlzeiten, Leistungseinbußen, gefährlichem Verhalten und Unfällen. Von Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit betroffene Beschäftigte gefährden im Arbeitsalltag dabei nicht nur sich selbst sondern auch Andere.
Diese DGUV Information möchte Führungskräfte beim Umgang mit Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit bei der Arbeit unterstützen. Sie fasst Tipps für die Intervention und die Gesprächsführung mit betroffenen Beschäftigten zusammen. Darüber hinaus liefert sie anhand verschiedener Beispiele hilfreiche Hinweise zur Prävention von Alkoholmissbrauch im Arbeitskontext.
Broschüre als PDF hier erhältlich: www.publikationen.dguv.de
Anmeldung für den SBV InfoBrief
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Betreff: Abo SBV InfoBrief