Liebe Kolleginnen und Kollegen,
…… so sicher, wie auf den Sommer der Herbst folgt, so sicher ist es, dass Internetseiten von Zeit zu Zeit einer Überarbeitung bedürfen. Das Bildungswerk ver.di in Niedersachsen, Herausgeber des SBV InfoBriefs, hat den Relaunch nun vollendet. Die optimierte Website ist online und das hat natürlich auch Auswirkungen auf das Design des InfoBriefs. Ich finde, sehr gut gelungen! Aufmerksamen Betrachter*innen wird natürlich nicht entgehen, dass es eine kleine, aber nicht unwichtige Ergänzung gibt: Im Logo des Bildungswerk ver.di erscheint nun auch die SBV – ihrem Stellenwert gemäß, möchte ich hinzufügen!
Unbedingt weiterzuempfehlen sind die SBV Know How-Seiten, insbesondere für neu gewählte Vertrauenspersonen und Stellvertreter*innen. Die Lektüre ersetzt natürlich keineswegs die Bildungsangebote, die wichtig sind, um Kolleginnen und Kollegen zu beraten und mit Arbeitgeber*innen auf Augenhöhe verhandeln zu können, verschaffen aber einen Überblick!
Und nicht vergessen: Nach der Wahl bitte die Kontaktdaten der Gewählten per Wahlberichtsbogen an die zuständige ver.di-Bezirksverwaltung oder den Fachbereich! Nur dann kann ver.di unterstützen. Nur dann funktionieren Netzwerke!
Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen
die Welt verändern kann - tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise,
in der die Welt jemals verändert wurde.
(Margaret Mead | US-amerikanische Anthropologin und Ethnologin | 1901 – 1978)
„Schwerbehindertenvertretungen können auch zu einem höheren Anteil schwerbehinderter Beschäftigter im Betrieb beitragen“, so steht es in einer Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung (siehe Artikel). Kann das bitte mal jemand den Arbeitgeber*innen mitteilen, die zu wenig oder keine schwerbehinderten Menschen beschäftigen?
Die Auswertung der Befragung zum DGB-Index Gute Arbeit 2021 zeigt die große Bedeutung von SBVen für die Qualität der Arbeitsbedingungen von schwerbehinderten Beschäftigten. Das empirisch durch den Gute Arbeit Index zu belegen ist sehr, sehr wichtig! Aber mal ehrlich, wir haben es schon vorher gewusst……
Das Jahr 2022 befindet sich im dritten Drittel und für die neu- und wiedergewählten SBVen stellt sich nach den Wahlen die wichtige Frage der Bildungsplanung für 2023! Deswegen sei hier schon einmal auf die 12. SBV-Fachtagung hingewiesen, die vom 09.05. bis zum 11.05.2023 in Berlin stattfindet und in bewährter Form vom ver.di-Forum Nord in Kooperation mit dem Bildungswerk ver.di in Niedersachsen organisiert wird. Das wird - wie immer - ein quirliger Treffpunkt mit Vorträgen, Diskussionen, Fachforen, Auffrischen der Kontakte und ganz nebenbei, netten Gesprächen.
Bildung ist die mächtigste Waffe, die du verwenden kannst, um die Welt zu verändern.
(Nelson Mandela | 1918 - 2013)
Bei allen, was uns in Bezug auf die SBV-Arbeit umtreibt vergessen wir nicht, dass wir uns in einer ganz besonderen Situation befinden, die alle in einem Maß fordert, wie es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg noch nicht geschehen ist. Die Corona-Pandemie ist noch nicht bewältigt. Die Klimakrise spitzt sich zu. Der Ernährungsnotstand in einigen Teilen der Welt verlangt von den wohlhabenderen Staaten Lösungen zur Rettung von Menschenleben. Nie zuvor waren so viele Menschen aus vielerlei Gründen gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen. Mit dem völkerrechtswidrigen Krieg Russland gegen die Ukraine ist wieder einmal Tod und Leid nach Europa eingezogen, keine 2000 Kilometer von uns entfernt. Kein Krieg auf unserem Planeten hat in der jüngeren Vergangenheit echte „Sieger“ hervorgebracht. Verlierer waren immer die direkten und indirekten Opfer und dazu die Weltgemeinschaft. Der Krieg Russlands gegen das ukrainische Volk schreit auch deswegen geradezu nach diplomatischen Lösungen.
Wir brauchen sozial gerechte Lösungen für die Probleme, die (nicht nur) durch diesen Krieg in unserem Land entstanden sind. Es hat sich in der Politik immer noch nicht in der Breite die Auffassung durchgesetzt, dass diese Krisen nur bewältigt werden können, wenn Wohlhabendere einen größeren Teil zur Finanzierung beitragen. Das ist absurd, wenn man weiß, dass die Anzahl der Millionäre in Deutschland mittlerweile auf 1,6 Mill. gestiegen ist und 136 Menschen (2020: 107) mehr als eine Milliarde Euro Vermögen besitzen. Kleine Handwerksbetriebe, finanziell schwächer gestellte Menschen, Rentner*innen, Soloselbstständige, Studierende, kranke Menschen, behinderte Menschen und viele andere können die Lasten nicht tragen! Wer das nicht verstehen will, schadet nicht nur den betroffenen Menschen enorm, sondern auch der Demokratie!
Die Demokratie ist bekanntlich das beste politische System,
weil man es ungestraft beschimpfen kann.
(Ephraim Kishon 1924 – 2005)
Kein einfaches Leben gerade, trotzdem wünsche ich den SBV-Wahlen einen guten Verlauf und eine interessante Oktober SBV InfoBrief-Lektüre.
Jürgen Bauch
Recht
Nach länger andauernden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ihrer Beschäftigten haben Arbeitgeber die Pflicht, eine Maßnahme des „betrieblichen Eingliederungsmanagements“ anzubieten. Tun sie das nicht ordnungsgemäß und kündigen stattdessen krankheitsbedingt, kann es zu Schwierigkeiten kommen. Das hat das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven im Fall eines im Bereich der zivilen Luftfahrt tätigen Mechanikers entschieden.
Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 24. Februar 2022 – 8 Ca 8152-21
Recht
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) legt fest, dass bestimmte Produkte und Dienstleistungen künftig barrierefrei hergestellt und vertrieben bzw. angeboten und erbracht werden müssen. Mit dem Erlass der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz kommt die Bundesrepublik Deutschland der Umsetzungspflicht in Bezug auf den Anhang I der EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act, kurz: EAA) nach.
Nach dieser EU-Richtlinie sind Produkte so zu gestalten und herzustellen, dass Menschen mit Behinderungen sie maximal nutzen können. Darüber hinaus sind sie möglichst in oder auf dem Produkt selbst mit barrierefrei zugänglichen Informationen zu ihrer Funktionsweise und ihren Barrierefreiheitsfunktionen auszustatten.
Quelle: BMAS
Barrierefreiheit
Der Ausschuss für barrierefreie Informationstechnik gemäß § 5 BITV 2.0 hat inzwischen zwei Handreichungen veröffentlicht. Sie geben konkrete Hinweise zur Umsetzung barrierefreier Apps und barrierefreier Software.
Im Rahmen des Ausschusses für barrierefreie Informationstechnik gemäß § 5 BITV 2.0 gibt es Arbeitsgruppen (AGs) zu einzelnen Schwerpunktthemen. Der Ausschuss hat u.a. die Aufgabe, Empfehlungen zur praktischen Umsetzung der Anforderungen nach § 3 BITV 2.0 anzuwendenden Standards zu erarbeiten (vgl. § 5 BITV 2.0). Er ist bei der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund) eingerichtet. Die ersten beiden Handreichungen des Ausschusses wurden veröffentlicht.
Weitere Informationen bei der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit
DGUV-Daten
Die Daten zum Berufskrankheitengeschehen 2021 liegen vor. Die Anzahl der anerkannten Berufskrankheiten hat sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdreifacht. Dies ist vor allem auf die als Berufskrankheit anerkannten COVID-19-Erkrankungen zurückzuführen.
In den Jahren 2020 und 2021 wurden insgesamt 120.398 COVID-19-Erkrankungen als Berufskrankheit anerkannt. In knapp drei Prozent der anerkannten Fälle wurde die Diagnose Long- beziehungsweise Post-COVID dokumentiert. Die gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand haben bis Ende 2021 insgesamt 87,6 Millionen Euro für Rehabilitations- und Rentenleistungen in Zusammenhang mit COVID-19 als Berufskrankheit erbracht.
Link zur DGUV: www.forum.dguv.de
Info
Weltweit leben über 15 % aller Menschen mit einer Behinderung. Um gemeinsam auf mehr Teilhabe in den G7-Staaten hinzuwirken, hatte Jürgen Dusel vor gut zwei Wochen die Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen aus den G7-Staaten zu seinem ersten „G7 Global Inclusion Summit“ eingeladen. Die Vertreter*innen aus Frankreich, Italien, den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Vereinigten Königreich sowie aus Indien waren direkt vor Ort. Aus Kanada hatte die Ministerin für Beschäftigung, Personalentwicklung und Inklusion, Carla Qualtrough, persönlich teilgenommen. Die Vertreter*innen aus Japan sowie die Europäische Kommission waren digital zugeschaltet.
Ziel der Beauftragten ist es, sich gemeinsam dafür einzusetzen, dass Menschen mit Behinderungen in den G7-Staaten bessere Teilhabemöglichkeiten haben. Globale Herausforderungen sollen auch unter dem Blickwinkel der Inklusion gemeinsam angepackt werden.
„Inklusion darf auch in schwierigen Zeiten nicht hintenanstehen, sondern muss stetig vorangebracht werden. Leider hat zum Beispiel die jüngste COVID-19-Pandemie gezeigt, dass die Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen nicht immer gewährleistet ist“, so Dusel.
Während des Treffens wurden drängende Themen wie die Verbesserung der Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinderungen, Digitalisierung und KI sowie die Beteiligung an Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen besprochen. Nationale und internationale Keynote Speaker*innen haben Impulsvorträge zu den Themenschwerpunkten gehalten. Jürgen Dusel ist überzeugt: „Die G7 sollte nicht nur ein Wirtschaftsbündnis sein, sondern auch ein Bündnis, das vor allem die Menschenrechte und deren Einhaltung als verbindendes Element hat.“
Die konkreten Vereinbarungen zu den Themenschwerpunkten wurden in einer gemeinsamen Chairs‘ Summary festgehalten. Die Inhalte der Chairs' Summary können unter dem folgenden Link nachgelesen werden:
Chairs' Summary des G7 Global Inclusion Summit 2022 (in deutscher Sprache)
Institut der Deutschen Wirtschaft
Barrierefreie Arbeitsplätze sowie organisatorische und personelle Unterstützung von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsplatz sind eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche betriebliche Inklusion. Dass dies häufig in den Unternehmen gelingt, zeigt der kürzlich veröffentlichte Abschlussbericht der Bundesregierung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.
Das Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH (infas) hat zusammen mit der Hochschule Fulda, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und der Hochschule Duisburg-Essen im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) über vier Jahre – von 2017 bis 2021 – mehr als 22.000 Personen befragt (BMAS, 2022, S. 45). Damit ist diese Teilhabebefragung die umfangreichste ihrer Art, die es bisher in Deutschland gab. Sie untersucht unter anderem, welche Unterstützung Menschen mit Behinderungen für eine selbstbestimmte Lebensführung in Anspruch nehmen.
Der vorliegende Kurzbericht greift Einzelergebnisse aus dem Kapitel „Arbeit und Beschäftigung“ heraus und betrachtet weitere Studien zur Thematik.
Link zum Bericht: www.iwkoeln.de
Deutsche gesetzliche Unfallversicherung
Bestimmte Berufsgruppen sind in der Pandemie einem erhöhten arbeitsbedingten Infektionsrisiko ausgesetzt. Das IPA (Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung) untersuchte die psychische Beanspruchung von Beschäftigten zu Beginn und während der zweiten Corona-Welle in Deutschland.
Aus dem Bundestag
Mehr als 23 Millionen Menschen in Deutschland sind von einer allergischen Erkrankung betroffen. Das berichtet die Bundesregierung mit Verweis auf das Robert Koch-Institut (RKI) in ihrer Antwort (20/3180) auf eine Kleine Anfrage (20/3042) der CDU/CSU-Fraktion.
Demnach gaben in den aktuellsten Erhebungen des RKI aus den Jahren 2019/2020 30,9 Prozent der Erwachsenen eine allergische Erkrankung in den zurückliegenden zwölf Monaten an. Auf dieser Grundlage sei davon auszugehen, dass mehr als 21 Millionen Erwachsene ab 18 Jahren, darunter etwa neun Millionen Männer und zwölf Millionen Frauen, an einer Allergie leiden.
Für Kinder und Jugendliche liegen den Angaben zufolge für die Jahre 2014 bis 2017 Daten zu allergischen Erkrankungen aus einer Studie des RKI vor (KiGGS). Danach waren 16,1 Prozent der Kinder und Jugendlichen von mindestens einer der drei Erkrankungen Asthma bronchiale, Heuschnupfen oder Neurodermitis betroffen. Es sei davon auszugehen, dass mehr als 2,1 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland unter einer dieser Erkrankungen leiden.
hib – heute im bundestag | Nr. 436 | Dienstag, 6. September 2022
Digitale Barrierefreiheit
Jeder stand schon einmal vor einer digitalen Barriere. Ein unlesbarer Text, weil der Kontrast zum Hintergrund zu gering war. Eine unverständliche Erklärung zur Bedienung einer Software. Ein zu kleiner Button, den Sie auf Ihrem Smartphone wiederholt verfehlen. Kommt dann noch eine körperliche oder kognitive Beeinträchtigung hinzu, sind solche Barrieren nicht zu überwinden. Doch sie sind einfach zu verhindern. Und zudem haben Betroffene eine Vielzahl technischer Hilfsmittel, um ihre Beeinträchtigung zu kompensieren. Voraussetzung ist, dass Websites, Apps oder Dokumente darauf vorbereitet, sprich barrierefrei, sind.
Teilhabe 4.0 hat das Ziel, digitale Barrierefreiheit ins Bewusstsein von Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen zu bringen, damit Menschen mit Behinderung am öffentlichen und Arbeitsleben uneingeschränkt teilhaben können. Um dies zu erreichen, sensibilisiert und schult Teilhabe 4.0. Damit man digitale Barrieren erkennen, bewerten und abbauen und die Kolleginnen und Kollegen schulen kann.
Link zum Projekt Teilhabe 4.0
Recht
Wer Hörprobleme hat und sich vom Hörakustiker mit einem Hörsystem versorgen lässt, muss danach nicht nochmal zum Arzt, nur um die ordnungsgemäße Versorgung feststellen zu lassen. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg bestätigt (Az.: L 1 KR 267/20 KL vom 24.08.2022).
Link zur G-BA-Pressemitteilung: www.g-ba.de
Info
Trotz Personalmangel an allen Ecken ist die Zahl der arbeitslos gemeldeten behinderte Menschen immer höher als vor der Pandemie. Waren im August 2019 noch 156.453 schwerbehinderte Menschen arbeitslos gemeldet, sind es im August 2022 163.815, wie aus der aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der arbeitslos gemeldeten schwerbehinderten Menschen jedoch um fast 8.000 zurückgegangen.
Für den noch stark von der Corona-Pandemie geprägten August 2021 hatte die Bundesagentur für Arbeit 171.965 arbeitslose schwerbehinderte Menschen gemeldet. Mit Spannung warten die Behindertenverbände auf die Vorschläge zur Ausgleichsabgabenerhöhung und zur Verbesserung der Situation behinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die im Herbst vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf den Weg gebracht werden sollen.
Quelle: www.kobinet-nachrichten.org
Deutsche gesetzliche Unfallversicherung
Notebook, Webcam und Headset gehören seit Corona in vielen Unternehmen zur Standardausstattung. Früher wurden die benötigte Hardware, Webcam und Headset nur in begrenzter Stückzahl vorgehalten und bei Bedarf ausgegeben. Mit den pandemiebedingt verhängten Lockdowns wurde die flächendeckende Ausstattung der Beschäftigten vieler Betriebe notwendig, um über Webkonferenz-Software miteinander in Verbindung zu bleiben. Aber nicht jedes Gerät, das zu Pandemiezeiten hastig beschafft wurde, erfüllt langfristig die Anforderungen an sicheres und gesundes Arbeiten.
Doch was sind diese Standards an sichere und gesunde Arbeitsplätze? Gibt es Produkte, die die Anforderungen des Betriebs und der Nutzenden besonders gut erfüllen? Entstehen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit, die bei umsichtiger Auswahl und Beschaffung vermieden werden können?
Diesen Fragen ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe in einem Forschungsprojekt am Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) nachgegangen.
Link zum Artikel: www.dguv.de
Medien-Tipp
Die zweijährige Mila ist gehörlos. Bei einer Untersuchung wird festgestellt, dass sie mit einem Implantat hören könnte. Doch ihre Eltern sind dagegen. Eine Richterin muss entscheiden. Liegt Kindeswohlgefährdung vor, wenn einem Mädchen die Möglichkeit verwehrt wird, hören zu lernen? Oder lohnt sich der Blick hinter die Kulissen: Was ist mit der Sorge der Eltern, dass hier ein Kind ohne Not zu einem Dauerpatienten gemacht werden könnte?
Für den Dreh wurde der „Deaf Supervisor“ Tobias Lehmann engagiert. Als Deaf Supervisor wachte er darüber, dass der Film Inhalte und Details zur Gebärdensprache und Gehörlosenkultur richtig darstellte. Darüber hinaus wurden neben den Rollen der gehörlosen Eltern auch viele andere, auch Komparsenrollen, durch gehörlose Schauspieler*innen besetzt, was bei weitem nicht Standard ist. Oft tun hörende Schauspieler*innen so, als wären sie gehörlos. Nicht so bei „Du sollst hören“! Mit Anne Zander und Benjamin Piwko kamen zwei gehörlose Profis zum Einsatz, die in ihren Rollen brillieren. (Deutscher Gehörlosen-Bund e.V.)
Dieser eindrucksvolle Film nach einer wahren Begebenheit ist in der ZDF-Mediathek bis zum 9. September 2023 zu sehen: www.zdf.de
Save The Date
Der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und sein Projekt agnes@work – Agiles Netzwerk für sehbeeinträchtigte Berufstätige – veranstalten im kommenden Jahr die Fachtagung „Perspektiven der digitalen Arbeitswelt – Beschäftigungs- und Weiterbildungschancen für Menschen mit Behinderungen“.
Termin: 25. April 2023, 09:00 Uhr – 17:30 Uhr
Ort: Berlin, Festsaal der Berliner Stadtmission, Lehrter Straße 68, 10557 Berlin
Die Fachtagung will die Bedingungen und Chancen beruflicher Teilhabe schwerbehinderter Menschen – insbesondere von Blinden und Sehbehinderten – vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in der Arbeitswelt verdeutlichen. Sowohl aus Sicht der Betroffenen als auch der unterschiedlichen Unterstützungsakteure und der Selbsthilfe sollen die Voraussetzungen inklusiver Arbeit und beruflicher Entwicklung unter den Bedingungen agiler Arbeit und der Digitalisierung beleuchtet werden.
Dabei werden Keynotes aus der Wissenschaft ebenso einbezogen wie die Ergebnisse des BMAS-geförderten Projekts agnes@work. Im Ergebnis sollen die Voraussetzungen eines Unterstützungsnetzwerks skizziert werden, das die unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten verschiedener Akteure integriert.
Weitere Informationen sowie das Tagungsprogramm gibt es in Kürze auf der agnes@work-Webseite unter www.agnes-at-work.de
Deutsche gesetzliche Unfallversicherung
Das Europäische Parlament hat am 5. Juli eine Entschließung zur psychischen Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt angenommen. Darin werden die EU-Institutionen und Mitgliedstaaten aufgefordert, Wege zu finden, um psychischen Problemen in der digitalen Welt vorzubeugen. Ziel ist, der psychischen Gesundheit den gleichen Stellenwert wie der körperlichen Gesundheit einzuräumen.
Die Pandemie hat sich bei vielen Beschäftigten negativ auf die psychische Gesundheit ausgewirkt. Um sie besser zu schützen, fordern EU-Abgeordnete nun weitreichende Maßnahmen. So etwa eine Richtlinie über Mindeststandards und -arbeitsbedingungen, damit Arbeitnehmende ihr Recht auf Nichterreichbarkeit ausüben können. Gefordert werden auch Mechanismen zur Prävention psychosozialer Störungen und zur Wiedereingliederung der Betroffenen. Zudem, so die Forderung der Abgeordneten, sollen arbeitsbedingte psychische Störungen, wie etwa Depression oder Burnouts, in die Empfehlung über die Europäische Liste der Berufskrankheiten aufgenommen werden. Angedacht ist, die Empfehlung dann in eine EU-Richtlinie umzuwandeln. Diese sollte nach Auffassung der Abgeordneten eine Mindestzahl an Berufskrankheiten sowie Mindestanforderungen für die Anerkennung und die Entschädigung der Betroffenen enthalten. Die Gesetzesinitiative würde jedoch in die Freiheit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer Sozialversicherungssysteme eingreifen.
Für Menschen mit Behinderung, einschließlich derjenigen mit psychischen Gesundheitsproblemen, kann der digitale Wandel eine Chance bieten. Von den Arbeitgebern werden barrierefreie digitale Lösungen gefordert, die auch ihnen die Teilhabe am Arbeitsmarkt ermöglichen.
Um weiter für das Thema zu sensibilisieren, soll 2023 zum EU-Jahr der psychischen Gesundheit ausgerufen werden.
Quelle: www.dguv.de
www.reha-recht.de
Anmerkung zu EuGH-Urteil v. 10. Februar 2022, Az. C-485/20 (HR Rail SA)
Die Autorin, Dr. jur. Cathleen Rabe-Rosendahl, bespricht eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Pflicht zur behinderungsgerechten Beschäftigung nach Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG. Der Gerichtshof stellt in seinem Urteil heraus, dass diese Arbeitgeberpflicht gegenüber behinderten Beschäftigten auch bereits während einer Probezeit besteht und beispielsweise eine Versetzung des behinderten Menschen auf einen anderen, behinderungsgerechten Arbeitsplatz bedeuten kann. Die Autorin begrüßt dieses Urteil und setzt sich ausführlich mit den verschiedenen Verfahrensschritten der Arbeitgeberpflicht auseinander.
Link zum Fachbeitrag: www.reha-recht.de
Zum Thema gibt es auch einen interessanten Artikel in der September-Ausgabe des Arbeitnehmer-Anwälte-Rundbriefs (Seiten 18 -22): www.arbeitnehmer-anwaelte.de
Formulare
Als Mensch mit Behinderungen können Sie unter bestimmten Voraussetzungen schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden. Den Gleichstellungsantrag können Sie online stellen.
Damit schwerbehinderte Menschen nicht nur am Arbeitsleben teilhaben, sondern eine für sie geeignete Arbeit ausüben können, haben sie besondere Rechte. Sind Sie einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt, gelten diese Rechte in weiten Teilen auch für Sie.
Eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen (im Folgenden: Gleichstellung) ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Unter anderem muss der Grad Ihrer Behinderung mindestens 30, aber kleiner als 50 sein. Erfüllen Sie diese und weitere Voraussetzungen, haben Sie Anspruch darauf, mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt zu werden.
Ziel der Gleichstellung ist, Ihre Nachteile auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen: Die Gleichstellung soll Ihnen helfen, eine geeignete Beschäftigung zu finden beziehungsweise zu behalten. Rechtliche Grundlage der Gleichstellung sind Paragraf 2 Absatz 3 und Paragraf 151, Absatz 2, 3 und 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX).
Weitere Informationen und das Antragsformular: www.arbeitsagentur.de
Aus dem Bundestag
Die Fraktion Die Linke hat eine Kleine Anfrage (20/3374) zu psychischen Belastungen in der Arbeitswelt gestellt. Darin fragt sie die Bundesregierung unter anderem nach der Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund dieser Belastungen, nach überlangen Arbeitszeiten und den Folgen des Corona-Pandemie.
hib – heute im bundestag | Nr. 458 | Montag, 19. September 2022
DGB-Index Gute Arbeit
Schwerbehindertenvertretungen spielen eine wichtige Rolle für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen von Menschen mit Behinderungen. In der neuen „Kompakt“-Ausgabe des DGB-Index Gute Arbeit wird gezeigt, dass Beschäftigte mit Schwerbehinderung ihre Arbeitsbedingungen deutlich besser bewerten, wenn in Betrieb oder Dienststelle eine SBV gewählt wurde.
Die Auswertung der Befragung zum DGB-Index Gute Arbeit 2021 zeigt die große Bedeutung von SBVen für die Qualität der Arbeitsbedingungen von schwerbehinderten Beschäftigten: Existiert in einem Betrieb eine SBV, werden verschiedene Aspekte der Arbeitsbedingungen deutlich positiver bewertet als in Betrieben, in denen keine SBV gewählt wurde. Das betrifft sowohl die Einkommenssituation als auch die betrieblichen Sozialleistungen. Wenn eine SBV vorhanden ist, verfügen Beschäftigte mit Schwerbehinderung zudem über bessere Weiterbildungsmöglichkeiten.
SBVen finden sich häufiger im Öffentlichen Dienst, in größeren Unternehmen und in Betrieben, in denen es bereits einen Betriebs- oder Personalrat gibt. In diesen Bereichen lassen sich die Interessen schwerbehinderter Beschäftigter einfacher und effektiver vertreten, weil die Institutionen der betrieblichen Mitbestimmung in der Regel fester in der Betriebskultur verankert sind. Das bedeutet auch, dass die Unterschiede in den Arbeitsbedingungen sicherlich nicht allein auf die Existenz einer SBV zurückzuführen sind. Dennoch ist die SBV ein zentraler Baustein einer betrieblichen Kultur der Beteiligung und der spezifischen Interessenvertretungsarbeit, wenn es darum geht, die Belange von schwerbehinderten Menschen zu vertreten, die Inklusion zu fördern und ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern.
PDF-Download des DGB-Index Kompakt 03/2022 auf dieser Seite: www.index-gute-arbeit.dgb.de
Aus der Presse
Christian Stichternath, Vize-Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Schwerbehindertenvertretung in den obersten Landesbehörden, hat eine Verständigung mit der Landesregierung und dem DGB gelobt. Nach der Vereinbarung, die demnächst vom Kabinett beschlossen wird, sollen die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretungen für ressortübergreifende Angelegenheiten jetzt verbindlich festgeschrieben werden. Eine entsprechende Richtlinie, auf deren Entwurf sich die Beteiligten verständigt haben, soll bald beschlossen werden. Stichternath kündigt an, gegenüber der nächsten Landesregierung noch für weitere Verbesserungen eintreten zu wollen. So sei bei der Erhöhung der Zahl der Beschäftigten mit Schwerbehinderung und beim Thema einer umfassenden Barrierefreiheit in den Dienststellen noch „Luft nach oben“.
Quelle: rundblick, Ausgabe vom 20. August 2022
Aus dem Bundestag
Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen wird bei allen Gesetzes-, Verordnungs- und sonstigen wichtigen Vorhaben, „soweit sie Fragen der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen behandeln oder berühren“, von den Bundesministerien beteiligt. So heißt es in der Antwort der Bundesregierung (20/3244) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (20/3092). Die Umsetzung des Ziels, vollständige Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu erreichen, obliege den Ländern, wird mitgeteilt.
Seitens der Bundesregierung sei der Abschluss eines Ausbau- und Modernisierungspakts geplant, bei dem sich Bund, Länder und Kommunen gemeinsam über die Zukunft des ÖPNV und über dessen Finanzierung bis 2030 verständigen, heißt es weiter. In diesem Zusammenhang werde auch über Barrierefreiheit beraten. Wie die Bundesregierung weiter schreibt, könnten die Länder die ihnen vom Bund zur Verfügung gestellten Regionalisierungsmittel entsprechend dem Regionalisierungsgesetz für Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit im ÖPNV einsetzen. „Über den konkreten Mitteleinsatz entscheiden die Länder in eigener Zuständigkeit“, heißt es in der Antwort.
hib – heute im bundestag | Nr. 462 | Mittwoch, 21. September 2022
BMAS
Die Studie dient dazu, ein transparentes, nachhaltiges und zukunftsfähiges Entgeltsystem in Werkstätten für behinderte Menschen zu entwickeln. Es wird auch untersucht, wie Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verbessert werden können. Der Schwerpunkt des zweiten Zwischenberichts liegt auf Auswertungen aus der Befragung von Werkstattleitungen und der Befragung von Werkstattbeschäftigten.
Weiterhin enthält er Berechnungen zur Einkommenssituation von Werkstattbeschäftigten. Darüber hinaus wird die Umsetzung der (bereits abgeschlossenen) Befragung ehemaliger Werkstattbeschäftigter zusammengefasst.
Schließlich wird über den Stand der Vorbereitung der Befragung anderer Leistungsanbieter, der Befragungen von Werkstatträten und Frauenbeauftragten sowie der Vertiefungsstudie mit acht ausgewählten WfbM und der darin enthaltenen vertiefenden Befragung der Werkstatträte und Frauenbeauftragten berichtet.
Link zur Publikation: www.bmas.de
Recht
Die 26-jährige Berlinerin Sonja M. (Der Name wurde geändert, weil die Beschwerdeführerin anonym bleiben möchte.) reichte am 26. 9. – vertreten durch Professorin Dr. Theresia Degener und die Rechtsanwält*innen Ronska Grimm und Lea Beckmann – Verfassungsbeschwerde beim Landesverfassungsgerichtshof Berlin ein.
Sie hat 2020 Anzeige erstattet und ausgesagt, dass sie von ihrem Vorgesetzten in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen sexuell belästigt wurde. Sie wehrt sich dagegen, dass die Berliner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen den Beschuldigten eingestellt hat, weil sie angeblich nicht fähig sei, eine Aussage zu machen. Ihre Rechtsanwält*innen kritisieren gravierende fachliche Mängel in der Begutachtung und sehen in der fehlenden Würdigung der Aussage ihrer Mandantin und ihrer Behandlung im Ermittlungsverfahren eine strukturelle Diskriminierung gegen Frauen mit Behinderungen.
Die Verfassungsbeschwerde wird begleitet durch den bff: Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, dem Bundesnetzwerk von FrauenLesben und Mädchen mit Beeinträchtigung Weibernetz e.V. sowie das Zentrum für Disability Studies (BODYS) an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe.
Link zum Artikel bei BODYS: www.bodys-wissen.de
BAuA-Faktenblatt
Laut Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention haben Menschen mit Behinderung ein Recht auf günstige und sichere Arbeitsbedingungen. Allerdings ist über die Arbeitsbedingungen von Erwerbstätigen mit Behinderung bisher nur wenig bekannt. Wie Auswertungen der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 zeigen, fühlen sich Beschäftigte mit einer Behinderung häufiger durch Arbeitsanforderungen belastet als Menschen ohne Behinderung. Weitere Ergebnisse hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) im Faktenblatt „Arbeitsbedingungen von Erwerbstätigen mit und ohne Behinderung: Gemeinsamkeiten und Unterschiede“ veröffentlicht.
In der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 wurden rund 17.000 Erwerbstätige, darunter 1.766 Personen mit einer amtlich anerkannten Behinderung, u.a. zu den psychischen Arbeitsanforderungen befragt. Dabei zeigte sich, dass Menschen mit einer Behinderung häufiger an der Grenze der Leistungsfähigkeit arbeiten, während Beschäftigte ohne Behinderung häufiger mehrere Arbeiten gleichzeitig betreuen müssen. Weitere Unterschiede zeigen sich beim schnellen Arbeiten. Hier gaben 61 Prozent der Erwerbstätigen mit Behinderung an, betroffen zu sein. Bei den Beschäftigten ohne Behinderung sind es dagegen nur 51 Prozent.
Besonders stark ist diese Arbeitsbelastung in der Industrie. Dort fühlen sich 69 Prozent der behinderten Beschäftigten im Gegensatz zu 50 Prozent der nichtbehinderten Menschen durch schnelles Arbeiten belastet. Beim Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit besteht der größte Unterschied im Dienstleistungssektor. Hier gaben 92 Prozent der Beschäftigten mit Behinderung an, sich durch diese Arbeitsanforderung belastet zu fühlen, während bei den Erwerbstätigen ohne Behinderung 76 Prozent angaben, unter Leistungsdruck zu stehen. Um der Überlastung von Beschäftigten vorzubeugen, können Maßnahmen, die auf die Gestaltung guter Arbeitsbedingungen abzielen, helfen. So können Beschäftigte mit Behinderung beispielsweise durch eine bessere technische Ausstattung oder mehr Flexibilität unterstützt werden. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch ein als inklusiv erlebtes Betriebsklima.
Das Faktenblatt „Arbeitsbedingungen von Erwerbstätigen mit und ohne Behinderung: Gemeinsamkeiten und Unterschiede“ gibt es zum Herunterladen auf der Internetseite der BAuA unter www.baua.de.
Thema Triage
„Solange wir in der Situation sind, triagieren zu müssen, werden immer falsche Entscheidungen getroffen“, stellte Dr. Florian Grams klar. Bei einer Podiumsdiskussion ging es um die Gefährdung behinderter Menschen im Falle von Triage.
Ein interessanter Bericht, der zum Nachdenken anregt: www.marburg.news
Rbb - radioeins
Wenn es um Behinderungen geht, fallen den meisten Menschen Beispiele ein, die offensichtlich sind. Menschen, die den Rollstuhl nutzen oder blinde Menschen mit Langstock. Viele Behinderungen und damit auch die Menschen, die sie haben, sind aber unsichtbar.
Henning Schmidt, selbst seh- und gehbehindert, hat sich mit dem Thema näher beschäftigt und Rebecca Trulsen getroffen.
Link: www.radioeins.de
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI)
Ab dem 1. Oktober werden, wie alle vier Jahre, die Schwerbehindertenvertretungen neu gewählt. Allerdings längst nicht in allen Betrieben, wie eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Denn zum einen beschäftigen viele Unternehmen keine Schwerbehinderten oder ihnen rechtlich gleichgestellte Personen – oder weniger, als die gesetzliche Quote vorsieht. Dabei zeigen die vom WSI ausgewerteten Daten der repräsentativen Betriebs- und Personalrätebefragung, dass – verglichen mit Daten der Bundesagentur für Arbeit zu allen Arbeitgebern in Deutschland – Arbeitgeber in mitbestimmten Betrieben ihre Pflichten eher erfüllen. Mitbestimmung scheint damit zu einer besseren Inklusion von Schwerbehinderten beizutragen. Zum anderen wird der Anspruch auf die Einrichtung einer Schwerbehindertenvertretung, die Menschen mit Behinderung unterstützt und als ihr Sprachrohr wirken soll, auch dort nicht überall eingelöst, wo genügend Wahlberechtigte arbeiten, so die Untersuchung von Dr. Florian Blank und Dr. Wolfram Brehmer.
Arbeitgeber mit mehr als 20 Beschäftigten sind in der Regel verpflichtet, fünf Prozent ihrer Stellen mit Menschen zu besetzen, denen das Versorgungsamt einen Grad der Behinderung von mindestens 50 auf einer bis 100 reichenden Skala attestiert. Auch Menschen mit geringerem Behinderungsgrad können diesen Schwerbehinderten gleichgestellt werden; darüber entscheidet die Arbeitsagentur. Wer die Vorgaben als Arbeitgeber nicht erfüllt, muss eine Ausgleichsabgabe zahlen.
Dennoch haben es schwerbehinderte Menschen – in Deutschland etwa 7,8 Millionen – auf dem Arbeitsmarkt schwer. Die Erwerbstätigkeit Behinderter bleibt deutlich hinter der nicht-behinderter Menschen zurück. Nach Daten der Bundesagentur für Arbeit erfüllen 62 Prozent der Arbeitgeber in der Privatwirtschaft die Quote nicht oder nicht vollständig und zahlen stattdessen die Ausgleichsabgabe. Bei den öffentlichen Arbeitgebern sind es laut BA 39 Prozent.
Besser mit Mitbestimmung
Die WSI-Untersuchung auf Basis einer repräsentativen Befragung von mehr als 3.200 Betriebs- und Personalräten ergibt, dass mitbestimmte Betriebe dabei im Vergleich zur Gesamtheit der von der Bundesagentur für Arbeit registrierten Arbeitgeber spürbar besser abschneiden. Betriebsräte in der nicht-gemeinnützigen Privatwirtschaft sagen zu 59 Prozent, dass ihr Arbeitgeber die Fünf-Prozent-Vorgabe erfüllt, unter den befragten Personalräten konstatieren das knapp 82 Prozent. „Offensichtlich sind mitbestimmte Betriebe besser darin, schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Menschen in Arbeit zu integrieren“, so Brehmer und Blank.
Dennoch besteht hier ebenfalls Nachholbedarf. Das macht auch eine weitere Auswertungsebene der Befragung deutlich: Im Durchschnitt kommen lediglich der öffentliche Dienst und gemeinnützige Betriebe auf Beschäftigungsquoten von gut fünf Prozent. In den mitbestimmten Betrieben der gewinnorientierten Privatwirtschaft hingegen machen Schwerbehinderte oder ihnen Gleichgestellte nur 3,9 Prozent der Beschäftigten aus. Hier finden sich mit 11,6 Prozent auch häufiger Betriebe, die gar keine Schwerbehinderten beschäftigen. Besonders häufig kommt dies in kleineren Betrieben vor.
In Betrieben oder Dienststellen mit fünf Schwerbehinderten oder mehr sollen diese gemäß dem Neunten Sozialgesetzbuch eine Schwerbehindertenvertretung wählen. Laut WSI-Erhebung geschieht dies immerhin in drei Viertel der betreffenden kommerziellen, mitbestimmten Betriebe. Je mehr Schwerbehinderte es im Betrieb gibt, desto eher existiert eine Vertretung. „Umgekehrt könnte eine Schwerbehindertenvertretung auch zu einem höheren Anteil schwerbehinderter Beschäftigter beitragen“, schreiben Brehmer und Blank. In jedem Fall bestehe für Betriebs- und Personalräte dort, wo Menschen mit Behinderung bislang nicht repräsentiert sind, „ein klarer Handlungsauftrag“. So will es auch das Sozialgesetzbuch: Betriebs- und Personalräte „wirken auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung hin“.
Möglichkeit zum PDF-Download: www.wsi.de
Recht
Kirchliche Arbeitgeber müssen auch als öffentlich-rechtliche Körperschaft keine schwerbehinderten Stellenbewerber zum Vorstellungsgespräch einladen. „Die Evangelische Kirche, einschließlich ihrer Untergliederungen, ist kein öffentlicher Arbeitgeber“, entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in einem am Dienstag, 13.09.2022, veröffentlichten Urteil (AZ: 5 Sa 10/22). Die Mainzer Richter ließen wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zu.
Die Leitsätze:
- Der Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen die in § 165 Satz 3 SGB IX geregelte Pflicht, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung.
- Die Evangelische Kirche, einschließlich ihrer Untergliederungen, ist kein öffentlicher Arbeitgeber im Sinne der §§ 165 Satz 3, 154 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX.
- Lädt ein Kirchenkreis der Evangelischen Kirche einen schwerbehinderten Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein, kommt dem keine Indizwirkung im Sinne von § 22 AGG zu.
Link zum Urteil: www.landesrecht.rlp.de
(jb) Das Urteil ist ein Baustein in den Forderungen nach einer Revision des kirchlichen Arbeitsrechts. Die Kirchen beanspruchen für sich besondere Rechte, werden aber ihrem eigenen christlichen Anspruch in dieser Frage – wie auch in anderen Fragen – nicht gerecht.
Zirka 50 000 Unternehmen betreiben Kirchen, Klöstern und deren Einrichtungen. Mit etwa 1,3 Millionen Arbeitnehmern sind die Kirchen in Deutschland der zweitgrößte Arbeitgeber nach dem öffentlichen Dienst. Die Rolle als Staat im Staate gehört auf den Prüfstand.
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