Oktober 2021

    SBV InfoBrief
    Ausgabe Nr. 28

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

….. es sei ein Blick auf die zurückliegende Bundestagswahl erlaubt. Die Wahl der Wahlen ist entschieden! Es gibt nach Lage der Dinge eine klare Gewinnerin! Sorry, nicht die SPD! Nein, es ist die Gruppe der Nichtwählerinnen und Nichtwähler. Diese Gruppe hat einen deutlichen Vorsprung (im Vergleich zu den Zweitstimmen der Parteien) von ungefähr 2,4 Millionen Stimmen zur ausgerufenen Wahlsiegerin, der SPD. Ups…….

Wer wählt wird gequält!
Wer nicht wählt wird auch gequält!
(Willy Meuer, 1934-2018, Aphoristiker und Publizist)


Nach Analyse des Ungleichheitsforschers Christoph Butterwegge1 ist nicht die Tatsache der Stimmenthaltung das Problem, sondern die Tatsache, dass sich die Wahlbeteiligung nach Klassen und Schichten sortiert: Ärmere, Arbeitslose und Prekarisierte wählen seltener, Wohlhabende und Reichere wählen öfter. Damit wird der Sinn einer Beteiligung aller Bevölkerungsschichten an der Demokratie durch die herrschende Praxis konterkariert. Und nach Forschungen in der Zeit von 1980 bis 2015 hat der Bundestag viel häufiger Entscheidungen getroffen, die mit den Wünschen derjenigen übereinstimmen, die ein höheres Einkommen, ein höheres Bildungsniveau hatten oder die einer Berufsgruppe mit einem höheren sozialen Status angehörten.2

Da haben die zukünftigen Koalitionäre eine deutlich definierte Aufgabe zu lösen, wenn sie den weiteren Verfall der Demokratie aufhalten und umkehren wollen: die soziale Spaltung des Landes muss entschärft werden! Jede künftige „Modernisierung“ – von der jetzt Viele sprechen – unseres Staates muss auf seine Sozialverträglichkeit geprüft werden, damit dieser Begriff nicht wie die „Reformen“ der 80er, 90er und 2000er-Jahre auf Dauer historisch belastet sein soll!

Die sofortige Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro, die Einführung eines sozial gestaffelten „Energiegeldes“ als Flankierung der Maßnahmen zum Klimawandel, gesicherte und auskömmliche Renten, eine Erbschaftssteuer, die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer und eine Digitalsteuer für die internetbasierten Konzerne sind einige der ver.di-Forderungen! Eine bedarfsgerechte Grundsicherung, eine solidarische Bürgerversicherung und die soziale Absicherung von (Solo-) Selbstständigen und Freiberuflern – all dies könnte dazu dienen, dass wieder mehr Menschen zur Wahl gehen und der rechte Rand der Parteienlandschaft an Bedeutung verliert!

Schweres Los des Wählers: Wer das Kreuz an der falschen Stelle macht, muss es vier Jahre lang tragen.
(Helmut Glaßl, *1950, Aphoristiker)

In der Sozialpolitik, speziell der Teilhabe- und Behindertenpolitik, gibt es ebenfalls genügend Arbeitsfelder, auf denen sich die künftig Regierenden profilieren können.

Hier sei auf die notwendige Erhöhung der Beschäftigtenquote auf 6% hingewiesen, ebenso wie die in der letzten Legislaturperiode durch die CDU verhinderte deutliche Erhöhung der Ausgleichabgabe. Das BEM muss weiterentwickelt werden; keinesfalls darf jedoch, wie bislang von der FDP gefordert, die Teilnahme der betroffenen Person zur Pflicht erhoben werden! Eine weitergehende Stärkung der Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretungen durch eine generelle Unwirksamkeitsregelung bei Nichtbeteiligung ist dringend notwendig! Der Arbeitsmarkt kann und muss durch vielfältige Regelungen inklusiv werden!

Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen im SoVD-Inklusionstalk3: Um Barrierefreiheit entscheidend voranzubringen, müsse der Bereich als ein Querschnittsthema in allen Ressorts mitgedacht und auch auf europäischer Ebene bespielt werden.

Die gewerkschaftlichen Forderungen und die „Behindertenpolitische Forderungen des Deutschen Behindertenrates (DBR) zur Wahl des 20. Deutschen Bundestages 2021“ sollten wir alle unseren jeweiligen Bundestagabgeordneten noch einmal ins elektronische Postfach senden!

Wenn auch die Weiterentwicklung der Digitalisierung notwendig ist, sollte eines die künftige Prämisse sein: Das wahre Leben spielt sich nicht auf Datenautobahnen und im Internet ab – die Qualität des Lebens in der Gemeinschaft hängt in erster Linie von der sozial ausgewogenen Gestaltung unserer Gesellschaft ab!

Corona? Ja, gibt es auch noch. Ok, ich habe mich impfen lassen, so schnell es für mich ging. Weil ich Dusseltier an die seit 200 Jahren bewiesene Wirkung von Impfungen glaube, weil ich der Wissenschaft nicht hörig, aber zugewandt bin und weil für mich als Gewerkschafter die Solidarität mit Anderen ein hohes Gut ist. Die wichtigste Nachricht einige Monate nach der zweiten Impfung: Ich lebe noch. Ja, dafür habe ich mich kürzlich während eines Urlaubs im Freistaat Sachsen auf Plakaten als gleichgeschaltet, Opfer einer Diktatur und dumm, sowie nicht selbstständig denkend bezeichnen lassen. Sei´s drum. Hoffen wir auf einen milden Verlauf im Winter, vor allem für die jungen Menschen – für die trage ich gerne noch einige Monate den Schnutenpulli und akzeptiere damit diese wahrlich ungeheure Einschränkung meiner persönlichen Freiheit………

In diesem Sinne wünsche ich auch dieses Mal eine interessante Lektüre
Jürgen Bauch

sbv-infobrief@htp-tel.de

PS.: Wer den Fehler im Titelbild dieser Ausgabe findet….. darf ihn behalten!


1 https://www.deutschlandfunk.de/armutsforscher-christoph-butterwegge-verheerend-fuer-die.1939.de.html?drn:news_id=1307641
2 Wessen Stimme zählt? - Soziale und politische Ungleichheit in Deutschland (https://pw-portal.de/armut-im-wohlstand/40824-wessen-stimme-zaehlt)
3 https://www.youtube.com/watch?v=aNhMux61iIE

53° NORD

Die bundesweite Einführung des Budgets für Arbeit war einer der Kernpunkte des Ende 2016 verabschiedeten Bundesteilhabegesetzes. Kanzlerin Angela Merkel nannte das Gesetz einen Systemwechsel hin zu mehr Selbstbestimmung und sie versprach: „Durch das Budget für Arbeit verbessern wir die Chancen von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt“. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erwartete, dass im Jahr 2018 ca. 1% der Beschäftigten in WfbM Budgetnehmerinnen und Budgetnehmer wären, im Jahr 2019 ca. 2% und im Jahr 2020 ca. 3%.

Bei rund 300.000 Werkstattbeschäftigten entsprächen diese 6% in drei Jahren einer Anzahl von 18.000 Personen. Der tatsächliche Vermittlungserfolg ist dagegen ernüchternd. Eine Studie der Berliner Humboldt-Universität listet bis 2019 lediglich 1.000 Vermittlungen auf, wobei die Budgets aus dem Vorläuferprogrammen in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Hamburg bereits enthalten sind.

Was also verhindert den Erfolg des Budgets für Arbeit und wie ließe sich das ändern?
Lesen den Artikel von 53° NORD dazu hier.

REHADAT-Erklärvideo

In Deutschland haben knapp 10,4 Millionen Menschen ihre Behinderung amtlich anerkennen lassen (Tabelle 1). Dabei legen die Versorgungsämter nach den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ die Auswirkung der Beeinträchtigung als Grad der Behinderung (GdB) in Zehnergraden von 20 bis 100 fest. In dem Dokument der „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ finden sich Tabellen mit einer Übersicht der möglichen Schädigungen und deren Einstufung.

Im REHADAT-Erklärvideo wird am Beispiel von Frau Kaya, die an Diabetes mellitus erkrankt ist, gezeigt, wie der GdB beantragt werden kann. Zum Beispiel, wo Interessierte die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ finden, mit welchen Informationen aus den verschiedenen REHADAT-Portalen sie sich genauer über die Rechtsprechung, Literatur oder über den Ablauf der Antragstellung informieren können und wer dabei helfen kann.
Zielgruppe sind sowohl Personen mit Beeinträchtigungen, die sich informieren wollen, was der GdB bedeutet und inwiefern eine Einstufung unter oder über 50 für sie bedeutsam sein könnte. Aber auch für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind dies wichtige Informationen, weil damit beispielsweise Fördermöglichkeiten verbunden sind.

Von den 10,4 Millionen Menschen mit einer anerkannten Behinderung hatten 2019 insgesamt 7,6 Millionen eine Schwerbehinderung mit einem GdB von 50 bis 100 und knapp 2,8 Millionen eine leichtere Behinderung.

Anzahl der Menschen mit einer anerkannten Behinderung (Jahr 2019)

Deutsche Herzstiftung

Meldungen, dass Impfungen gegen das Corona-Virus eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis) verursachen können, beunruhigen nach wie vor viele Menschen. Ein neuer Expertenbericht aus den USA hat nun das Risiko erneut unter die Lupe genommen und dazu 177 Millionen Impfungen mit den mRNA-basierten Impfstoffen analysiert. Durchschnittlich kam es bei einer Million Impfungen zu 12,6 Fällen von Herzmuskelentzündungen. Die Entzündung verschwand meist ohne Klinikaufenthalt innerhalb von zwei Wochen ohne bleibende Schäden. Dies galt auch für Patienten mit bestehenden Herzerkrankungen.

Mehr Informationen zum Thema unter www.herzstiftung.de

ver.di-Forum Nord

Fachtagung für die Vertrauenspersonen der Schwerbehinderten sowie für Betriebsräte, Personalräte und Mitarbeitervertretungen.

Nachdem die Fachtagung in 2021 nur als Online-Veranstaltung stattfinden konnte, planen wir die 11. Fachtagung. Wir lenken den Blick auf die Frage: Wie kommen mehr Menschen mit Behinderung in Ausbildung und Arbeit? Wie können Betriebe und Dienststellen Rahmenbedingungen gestalten und welche Handlungsmöglichkeiten haben die SBVen dabei?
Wir werden uns mit den Themen Barrierefreiheit in Betrieb und Dienststelle, Gleichstellung, Präventionsverfahren, Erwerbsminderungsrente und der Beteiligung der SBV bei Einstellungen beschäftigen.
Auch in diesem Jahr haben wir Expertinnen und Experten des Arbeits- und Sozialrechts als Referentinnen und Referenten gewinnen können, die auf dieser Fachtagung die für die Arbeit der SBVen erforderlichen Kenntnisse vermitteln.

In Vorträgen, Diskussionen und Workshops werden die speziellen Themen der SBV thematisiert, gemeinsam bearbeitet und vertieft.
Die konkreten Inhalte werden rechtzeitig bekannt gegeben.

Anmeldung und weitere Informationen unter www.verdi-forum.de

DGB

Im Rahmen seiner Bundestagswahlkampagne unter dem Motto „Echt Gerecht“ hat der Deutsche Gewerkschaftsbund Orry Mittenmayer einen Tag lang mit der Kamera begleitet. Der Gewerkschafter und Aktivist erzählt: „Seit ich denken kann, bin ich immer wieder mit verschiedenen Diskriminierungsformen konfrontiert gewesen. Weil ich Schwarz bin, weil ich behindert bin und weil meine Familie nicht reich ist.“

Weitere Informationen unter www.dgb.de

VdK und das Bundesnetzwerk SBV

Der VdK und das Bundesnetzwerk SBV sehen dringenden Handlungsbedarf und stellen ihre zentralen behindertenpolitischen Forderungen für die kommende Legislaturperiode vor, die aus ihrer und der Sicht der mitzeichnenden Organisationen und Verbände in den nächsten Koalitionsvertrag aufgenommen und von der kommenden Bundesregierung umgesetzt werden müssen:

  1. Die Überarbeitung und Weiterentwicklung der Feststellung einer Behinderung muss durch ein interdisziplinär besetztes und partizipativ ausgerichtetes Gremium erfolgen!
  2. Ausgleichabgabe für Unternehmen, die ihrer Beschäftigungspflicht nicht oder unzureichend nachkommen, erhöhen!
  3. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) stärken!
  4. Personelle Maßnahmen ohne die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung müssen unwirksam sein!
  5. Arbeit der Schwerbehindertenvertretungen stärken, auch in kleinen und mittleren Unternehmen!
  6. Besonderen Kündigungsschutz für Menschen mit Behinderung stärken!
  7. Barrierefreiheit muss verpflichtend werden!
  8. Die Partizipation behinderter Menschen und ihrer Verbände bei den Sozialleistungsträgern muss verbessert werden!
  9. Die Versorgungsstruktur muss gemeinde- und betriebsnah sein!

Quelle: www.bundesnetzwerksbv.de
Siehe auch: www.vdk.de

Tipp

Am 8. Oktober 2021 beginnt die zwanzigste Woche des Sehens mit vielfältigen Veranstaltungen in ganz Deutschland. Acht Tage lang werden namhafte Organisationen aus den Bereichen Selbsthilfe, Augenmedizin und Entwicklungshilfe den Blick auf die Themen Sehen, Blindheit und Augenkrankheiten lenken.
Die Woche des Sehens 2021 findet vom 8. bis 15. Oktober statt und schließt die folgenden internationalen Aktionstage mit ein: Welttag des Sehens am 14. Oktober 2021 und den Tag des weißen Stocks am 15. Oktober 2021

In diesem Jahr baut die Woche des Sehens – ganz pandemietauglich – ihr digitales Angebot aus. Das dafür neu entwickelte inklusive Online-Game wird nur nach Gehör gespielt und stellt so für sehende Menschen eine besondere Herausforderung dar.

Tagungsbericht

Diese Frage stand im Zentrum der digitalen rentenpolitischen Veranstaltung des ver.di Bereichs Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik am 19. August 2021. Mit und von Expertinnen und Experten wurde über Aspekte der Wahlprogramme informiert und darüber diskutiert. Im Rahmen eines „Hearings“ mit den rentenpolitischen Sprecherinnen und Sprechern wurden vier Schwerpunktthemen (Rentenniveau, Renteneintritt, Altersarmut und „Fondsmodelle“) in den Fokus genommen.

Link zum Tagungsbericht: www.arbeitsmarkt-und-sozialpolitik.verdi.de

Deutsche Vereinigung für Rehabilitation

Der Autor, Dipl.-jur. Constantin Eberhardt, bespricht eine Anmerkung zu einem Urteil des ArbG Gelsenkirchen vom 12. März 2019, in welchem die Kündigung einer schwerbehinderten Auszubildenden wegen einer unmittelbaren Benachteiligung i. S. d. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) für unwirksam erklärt wird. Das Urteil enthält wichtige Hinweise zur Anwendbarkeit des AGG neben dem allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzrecht und setzt sich bemerkenswert ausführlich mit den Begrifflichkeiten der mittelbaren sowie der unmittelbaren Benachteiligung sowie Fragen der Beweislast auseinander - auch wichtige unionsrechtliche Bezüge sind enthalten.

Link zum Artikel: www.reha-recht.de

BAuA

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es wenige systematische Aufarbeitungen unter Einbezug der Arbeitsschutzexpertinnen und -experten zum Umgang der Betriebe mit den Arbeitsschutzstandards sowie Darstellungen guter Praxisfälle
Das Projekt dient dazu, den Umgang der Betriebe mit den Corona-Arbeitsschutzstandards zu erheben und eine Sammlung guter Praxisfälle zu generieren. Hinsichtlich der Regelungen und Empfehlungen erfolgt eine Schwerpunktsetzung auf die Maßnahmenempfehlungen aus dem Arbeitsschutzstandard und der Arbeitsschutzregel, jedoch keine Analyse und Bewertung aller Regelungen zum SARS-CoV-2-Virus.

PDF-Download: www.baua.de

Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)

Für schwer psychisch erkrankte Erwachsene mit einem komplexen ärztlichen wie therapeutischen Behandlungsbedarf gibt es künftig ein neues Angebot der gesetzlichen Krankenversicherung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschloss am 2. September 2021 in einer neuen Richtlinie die Details für diese koordinierte und strukturierte Versorgung (KSVPsych-RL). Ziel ist es, alle für die Versorgung im Einzelfall benötigten Gesundheitsberufe zu vernetzen, um Betroffenen schnell und bedarfsgerecht zu helfen. Das schließt auch Hilfen ein, wenn Patientinnen und Patienten zwischen stationärer und ambulanter Versorgung wechseln müssen. Bezugs- und Koordinationspersonen für die jeweiligen Patientinnen und Patienten kommt dabei eine besondere Aufgabe im Netzverbund zu.

Link zum vollständigen Text und Download

3. Oktober

Depressive Erkrankungen zählen zu den häufigsten Krankheiten in Deutschland. In Europa sind etwa 50 Millionen Menschen mindestens einmal in ihrem Leben von einer Depression oder depressiven Phase betroffen (elf Prozent der Bevölkerung). Knapp vier Millionen Deutsche sind aktuell an Depressionen erkrankt. Trotzdem wird diese Form der Erkrankung weiterhin stark unterschätzt: Lediglich ein Drittel der in Deutschland Erkrankten – so Expertenschätzungen – erhält professionelle Hilfe.

Siehe Website: www.european-depression-day.de

Siehe auch die Veröffentlichung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages:
Europäischer Tag der Depression am 3. Oktober 2021 www.bundestag.de

Aus dem Bundesrat

Eine Ergänzung im Bundestagsverfahren betrifft die Betreuung von Menschen mit Behinderung während eines Krankenhausaufenthalts: Vertraute Begleitpersonen, z.B. Angehörige, erhalten künftig unter bestimmten Voraussetzungen ihren Verdienstausfall erstattet. Der Bundestag griff damit - zumindest teilweise - eine Forderung des Bundesrates auf (Drs. 583/20 (B) und 349/21 (B)).
Nach erfolgter Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten kann die Bundesregierung das Gesetz im Bundesgesetzblatt verkünden lassen. die Regelungen zum Krankengeld für Begleitpersonen treten bereits am Tag nach der Verkündung in Kraft.

In einer begleitenden Entschließung fordert Bundesrat die kommende Bundesregierung auf, weitere Verbesserungen für die Begleitung von Menschen mit Behinderungen auf den Weg zu bringen und einen Kostenausgleich aus Bundesmitteln in der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Sozialen Rehabilitation zu schaffen. Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Sie entscheidet, wann sie sich mit der Länderforderung befasst.

Aus der Plenarsitzung des Bundesrates am 17.09.2021
Siehe zum Thema auch: www.umsetzungsbegleitung-bthg.de

Aus dem Bundestag

Die Bundesregierung kann keine Auskunft darüber geben, ob das Ziel der „bundesweiten Barrierefreiheit“ im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Jahr 2022 erreicht werden kann. In ihrer Antwort (19/32357) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/32027) verweist die Regierung auf eine frühere Antwort (19/7815). Danach obliegt die Umsetzung des Ziels, vollständige Barrierefreiheit im ÖPNV zu erreichen, den Ländern. Eine Berichtspflicht der Länder gegenüber dem Bund bestehe nicht. Daher lägen der Bundesregierung „keine eigenen Erkenntnisse über den Stand der Umsetzung vor“.

hib – heute im bundestag | Nr. 1034 | Donnerstag, 23. September 2021

Bundesfachstelle Barrierefreiheit

Die Bundesfachstelle hat in tabellarischer Form einen Überblick über die Barrierefreiheit verschiedener Videokonferenz-Tools veröffentlicht. Web- oder Videokonferenz-Programme gehören in Beruf und Freizeit inzwischen zum Alltag. Damit allen Menschen die Teilhabe an Webkonferenzen ermöglicht werden kann, ist die Barrierefreiheit der Programme Voraussetzung für die Nutzbarkeit.
Einige Anbieter von Videokonferenz-Programmen hatten die Barrierefreiheit von Beginn an mit beachtet. Andere erkennen erst jetzt die Notwendigkeit und liefern nach und nach Updates, um die Programme möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.

Die Tabelle zeigt den aktuellen Stand der gängigen Videokonferenz-Programme hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit und bietet die Möglichkeit zum direkten Vergleich. Die Tabelle wurde von der KickIn! Beratungsstelle für Inklusion im Fußball erstellt. Der Fokus bei der Aufteilung in verschiedene Bewertungskategorien liegt dabei nicht auf den verschiedenen Behinderungen. Vielmehr stehen die Zugangsbedarfe im Zentrum, die für die barrierefreie Nutzung der Programme für verschiedenste Zielgruppen elementar sind.

Verglichen werden die Programme Adobe Connect, BigBlueButton, Cisco Webex, Google Meet, GoToMeeting, Jitsi Meet, Microsoft Teams, Skype und Zoom.

Weitere Informationen unter www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de

Tipp

Da das Risiko, sich mit dem SARS-CoV-2-Virus zu infizieren, je nach Beruf sehr unterschiedlich ist, sind berufs- und tätigkeitsspezifische Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat daher einen Index entwickelt, um das bei der Ausübung eines Berufes bestehende Ansteckungsrisiko quantifizieren zu können. Eine gemeinsame Analyse mit der AOK Bayern verdeutlicht dessen Aussagekraft in der aktuellen Pandemie.

Download PDF: www.iab-forum.de

Nora-Notruf-App

Der Notruf wird digital: Die Zeiten, in denen ein Notruf ausschließlich mit einem Anruf oder Fax an die 110 und 112 ausgelöst werden konnte, sind nun vorbei. Der Notruf wird durch die neue bundesweit einheitliche Notruf-App (nora-Notruf-App) ergänzt und vereinfacht nicht nur das Absetzen eines Notrufs, sondern schafft vor allem eine barrierefreie Alternative.
Beim Absetzen eines Notrufes über die Notruf-App wird, wie bei einem Sprachnotruf, der Standort des Notrufenden automatisch ermittelt und mit den grundlegenden Informationen zum Vorfall an die örtlich zuständige Notrufabfragestelle übertragen. Die Kommunikation zwischen der Notrufleitstelle und dem Nutzenden erfolgt dann textbasiert, vergleichbar mit der Bedienung eines üblichen Messengersystems. Die Notruf-App ist kostenlos und kann ab heute aus den jeweiligen App Stores heruntergeladen werden.

Die Förderung der Entwicklung eines Prototyps für eine solche bundesweit einsetzbare App und deren anschließende Erprobung mit ausgewählten Leitstellen erfolgte durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) unter enger Beteiligung der übrigen betroffenen Ressorts, der Länder, Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Spitzenverbände und anderen betroffenen Organisationen.

Quelle: Pressemitteilung des BMWi v. 28.09.2021

Tipp

REHADAT hat seine Sammlung der Inklusionsvereinbarungen aktualisiert. 129 Vereinbarungen von Unternehmen zeigen, wie die Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderungen verbessert werden kann:
Inklusionsvereinbarungen | REHADAT-Gute Praxis

In Inklusionsvereinbarungen vereinbaren Arbeitgeberin und Arbeitgeber, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen. Sie enthält z. B. Regelungen zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfelds, Arbeitsorganisation oder Arbeitszeit.

Recht

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat den Versorgungsanspruch eines schwerhörigen Klägers mit Hörgeräten außerhalb der Festbetragsgruppe bestätigt.
Denn beim Ausgleich einer Schwerhörigkeit sei der Versorgungsanspruch nicht auf das möglichst störungsfreie Verstehen von Sprache beschränkt, so das Gericht. Zum Hören gehören auch das räumliche Erkennen von Geräuschen und ein möglichst unverzerrtes Klangbild. Biete das getestete Hörgerät relevante Gebrauchsvorteile gegenüber anderen getesteten Geräten, indem es ein besseres Hörverstehen in unterschiedlichen Hörsituationen ermögliche, so habe der Versicherte Anspruch auf Versorgung mit einem Hörgerät außerhalb der Festbetragsgruppe.

Welche Faktoren noch eine Rolle spielten, lesen Sie im kompletten Urteil mit dem Aktenzeichen L 1 KR 325/19: Suche | REHADAT-Recht

Beratung Antidiskriminierungsstelle

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes reagiert auf die deutlich gestiegene Zahl der Anfragen mit einem Ausbau ihres Beratungsangebots.
Ab dem 28. September wird unter der neuen, kostenlosen Rufnummer 0800 – 546 546 5 ein Servicebüro von Montag bis Donnerstag jeweils von 9-15 Uhr die telefonische Beratung sicherstellen. Bereits freigeschaltet ist die komplett neue Homepage der Antidiskriminierungsstelle, die unter anderem um einen digitalen Beratungswegweiser, um intelligente Suchfunktionen und eine aktualisierte Beratungslandkarte ergänzt wurde.

Weitere Informationen: www.antidiskriminierungsstelle.de

Gesundheit

Burn-out hat viele Ursachen. Burn-out ist nicht plötzlich da, sondern bahnt sich an – ein Prozess, bei dem sich Symptome immer weiter verstärken. Sicherheitsbeauftragte können helfen. Wird nicht rechtzeitig eingegriffen, sind Beschäftigte mit Burn-out schließlich nicht mehr arbeitsfähig und müssen gegebenenfalls stationär behandelt werden.

Zu den wichtigsten Anzeichen gehören Erschöpfung und Unzufriedenheit mit der eigenen Leistung. Betroffene können nicht abschalten und fühlen sich ausgebrannt. Dabei ignorieren sie ihr Bedürfnis nach Erholung, arbeiten sogar noch mehr, bis sie schließlich zusammenbrechen.

Link zum Artikel: www.aug.dguv.de

Tipp

Inklusionsbeauftragte sind die persönlichen Ansprechpersonen des Arbeitgebers/der Dienststelle bei der Umsetzung der Inklusion im betrieblichen oder dienstlichen Alltag. Damit sind sie das Pendant zu den gewählten Interessenvertretungen, wie z. B. der Schwerbehindertenvertretung, wenn es um die Angelegenheiten der schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen im Betrieb/in der Dienststelle geht.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter (BIH) hat erstmals einen ausführlichen Ratgeber zu Amt, Rechtsstellung, Rolle und Aufgaben der Inklusionsbeauftragten veröffentlicht.

Download PDF (6,25 MB): ZB-Ratgeber Inklusionsbeauftragte des Arbeitgebers | integrationsaemter.de

Über 100.000 Fälle von COVID-19 als Berufskrankheit anerkannt

Berufsgenossenschaften und Unfallkassen haben seit Beginn der Pandemie bis einschließlich August 2021 mehr als 100.000 Fälle von COVID-19 als Berufskrankheit anerkannt. Das teilt ihr Spitzenverband, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), mit. Hinzu kommen über 10.000 Fälle, in denen eine COVID-19-Erkrankung als Arbeits- oder Schulunfall anerkannt wurde. Die Pandemie beeinflusst damit auch weiterhin das Versicherungsgeschehen in der gesetzlichen Unfallversicherung. Laut vorläufigen Zahlen für das erste Halbjahr 2021 gab es deutlich mehr Berufskrankheiten, während Arbeits- und Wegeunfälle unter dem Niveau des Jahres 2019 blieben.

Weitere Informationen: www.dguv.de

Erwerbstätigenbefragung 2018

Nur eine Minderheit der berechtigten Erwerbstätigen erhält vom Arbeitgeber ein adäquates Angebot, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen. Zu diesem Schluss kommt eine Sekundäranalyse auf Basis der Erwerbstätigenbefragung 2018 des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).

Mehr Informationen auf www.reha-recht.de

Online Befragung: „Mit dem Problem Alkohol nicht allein bleiben“

Die Universität Lübeck führt im Rahmen einer Abschlussarbeit im Fachbereich Psychologie derzeit eine anonyme Online-Befragung zu Belastungsfaktoren und Erwartungen an Hilfeangebote bei Angehörigen von Menschen mit alkoholbezogenen Störungen durch. Hierfür werden noch Probandinnen und Probanden gesucht. Ziel der Studie ist es, Hinweise zur Optimierung des Beratungsangebots für Angehörige von Menschen mit alkoholbezogenen Störungen zu erhalten. Die Befragung ist hier zugänglich.

Arbeitsschutz

Die Corona-Arbeitsschutzverordnung ist an die Dauer der epidemischen Lage gekoppelt und bis einschließlich 24.11.2021 verlängert. Die bestehenden Schutzmaßnahmen bleiben bestehen. Zudem enthält die Verordnung Ergänzungen, um die Impfbereitschaft zu fördern. So sollen Arbeitgeber die Beschäftigten zur Wahrnehmung von Impfangeboten von der Arbeit freistellen.

Dazu mehr Infos: www.arbeitsmarkt-und-sozialpolitik.verdi.de

Recht

Steht fest, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer persönlich für eine neu ausgeschriebene Stelle nicht geeignet ist, muss ihn der öffentliche Arbeitgeber nicht zu einem Vorstellungsgespräch nach § 165 S. 3 SGB IX einladen. Darauf, ob der Arbeitnehmer offensichtlich fachlich ungeeignet ist oder nicht, kommt es dann nicht an. Die aus Sicht des Arbeitgebers persönliche Ungeeignetheit kann sich etwa daraus ergeben, dass der Arbeitnehmer bis kurz vor der neuen Bewerbung bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war und noch in der Wartezeit aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt wurde.

§ 165 S. 4 SGB IX ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Gesetzgeber weiterhin davon ausgeht, dass im Hinblick auf die Regelung des Art. 33 Abs. 2 GG lediglich dann, wenn die fachliche Eignung eines schwerbehinderten Bewerbers als Einstellungshemmnis in Betracht kommt, eine Einladung nur dann entbehrlich ist, wenn der Bewerber offensichtlich fachlich ungeeignet ist. An den weiteren Einstellungsvoraussetzungen, insbesondere einer persönlichen Eignung als Einstellungskriterium sollte durch § 165 S. 3 und 4 SGB IX nichts geändert werden, sodass der öffentliche Arbeitgeber auch dann nicht zu der Einladung eines schwerbehinderten Bewerbers verpflichtet ist, wenn dessen persönliche Eignung nicht gegeben ist. (redaktioneller Leitsatz)

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 05.08.2020, Aktenzeichen: 2 Ca 554/19, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.

LArbG Nürnberg, Urteil v. 20.05.2021 – 5 Sa 418/20
Quelle: www.gesetze-bayern.de

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