Liebe Kolleginnen und Kollegen ……
…… in diesen Zeiten scheint es häufig sehr schwierig, den Kopf oben zu behalten. Haben wir uns leider schon fast an den Krieg Russlands gegen die Ukraine gewöhnt, da terrorisiert die Hamas mit einem unvorstellbar grausamen Angriff israelische Zivilisten. Was in der Folge dazu führt, dass hunderttausende Menschen im Gaza-Streifen von jeglicher Versorgung und medizinischer Betreuung abgeschnitten werden. Und im medialen Schatten dieser Ereignisse lässt Erdogan die kurdische Bevölkerung in Nordsyrien weiterhin bombardieren und viele der durch das Erdbeben im Februar in der Türkei und Syrien Geschädigten warten immer noch auf Hilfe. Afghanistan, Äthiopien, Somalia, die Liste der Krisenherde auf der Welt lässt sich noch länger fortsetzen. Opfer über Opfer! Tote Menschen und Menschen mit schwersten physischen und/oder psychischen Behinderungen, jeden Tag aufs Neue! Und wir? Wir beschäftigen uns ausgiebig damit, wie wir ein paar hundert Geflüchtete bestmöglich abschieben können.
„Humanität besteht darin, dass niemals ein Mensch einem Zweck geopfert wird.“ (Albert Schweitzer)
Angesichts der Krisen auf der Welt können und dürfen wir aber auch die Verhältnisse, Schicksale und sozialen Verwerfungen bei uns nicht vergessen. Manchmal werde ich sehr wütend, wie am Beispiel von Harald Mayer. Der an Multiple Sklerose erkrankte Harald Mayer kämpft gegen die Bundesrepublik Deutschland um das Sterbemittel seiner Wahl, Natrium-Pentobarbital. Dafür braucht er die Genehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Er will nicht jetzt sterben, aber er will selbst entscheiden, zu welchem Zeitpunkt er sein Leben beendet, wenn es für ihn zu schwer und nicht mehr ertragbar ist. Zudem kämpfte er um einen Rollstuhl mit Hebefunktion, den ihm die Krankenkasse verwehrte und auch ein Roboterarm, mit dem Harald Mayer selbstständig greifen oder einen Lichtschalter drücken, sich eigenständig kratzen könnte, wird abgelehnt. Der Roboterarm, schreibt die TK an Harald Mayer, biete ihm „keine Gebrauchsvorteile“. Er muss sich auch um eine neue Assistenz bemühen, weil der Pflegedienst ihm gekündigt hat. Mayer schreibt dutzende Anfragen mit Mimik-Steuerung, also mit den Augen - jeden Buchstabe, jeden Punkt. Eine Kraftanstrengung. „Ständig muss ich kämpfen. Das geht an die Substanz“, klagt er.
Harald Mayer geht es um Teilhabe und Selbstbestimmung. Der Krankenkasse geht es um die Kosten! Merke: Inklusion in Deutschland ist noch weit entfernt von den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)!
„Wer Inklusion will, sucht Wege; wer sie nicht will, sucht Begründungen.“ (Hubert Hüppe)
Das Staatenprüfungsverfahren zur UN-BRK hat wieder – wie berichtet – heftige Kritik an der Entwicklung der Inklusion in Deutschland hervorgebracht. Damit diese Kritik an der Bundesregierung nicht verpufft, sondern der Rückenwind der Staatenprüfung für die Inklusion in Deutschland genutzt wird, plant der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) eine Folgekonferenz im Februar 2024. Eingeladen werden, sollen die politisch Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen, um darauf hinzuwirken, dass sie die Abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen des Fachausschusses als Maßstab für konkrete politische Entscheidungen nehmen. Damit die Inklusion in Deutschland vorankommt und als das gesehen wird, was es ist: ein Menschenrecht, garantiert durch die UN-BRK!
Ausführliche Rückblicke vom ver.di-Bundeskongress im September gibt es an anderer Stelle. In Bezug auf die schwerbehinderten Mitglieder und deren betrieblichen Vertretungen gab es einige Antragsberatungen. Der Antrag zur Aufnahme der Gruppe der Menschen mit Behinderung als eigenständige Personengruppe in die ver.di-Sitzung wurde (zum wiederholten Male) abgelehnt (Antrag S 030). Erfreulich dagegen, die Einführung von Queer als eigenständige Personengruppe in die ver.di-Satzung (S 025)! Wir freuen uns mit den Queeren und hätten uns von den Delegierten in Belangen der schwerbehinderten Mitglieder dieselbe Weisheit gewünscht! Nichtsdestotrotz hat der Kongress eine verbindliche Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an Willensbildungsprozessen innerhalb von ver.di beschlossen (S 029). Nun wird hoffentlich der Bundesvorstand entsprechend handeln, damit ver.di endlich den Status eines Behindertenschutzverbandes erhält und damit auch das Recht zur Verbandsklage!
Dass der Kongress im Leitantrag zur Digitalisierung (D 001) neben Sinnstiftung der digitalen Arbeit, Diskriminierungsfreiheit und Nachhaltigkeit auch die Barrierefreiheit einfordert, ist positiv zu bewerten.
Eine inklusive Arbeitswelt bleibt unser Ziel! Dafür arbeiten auch wir im Landesarbeitskreis Behinderten- und Teilhabepolitik im Landesbezirk Niedersachsen-Bremen kontinuierlich weiter und sind uns dabei der Unterstützung innerhalb von ver.di sicher!
Mit besten Grüßen
Jürgen Bauch
BAR
Gemeinsam mit der überarbeiteten BAR-Arbeitshilfe „Stufenweise Wiedereingliederung“ (2023) hat die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (BAR) ein neues FactSheet zur Thematik veröffentlicht. Auf einen Blick eröffnet der Zweiseiter Näheres zu Zielen, Vorzügen und Ausgestaltung der Maßnahme, die individuell zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern abgestimmt wird. Darüber hinaus klärt das FactSheet Fragen der Zuständigkeit und Rahmenbedingungen einer Stufenweisen Wiedereingliederung.
PDF-Download: www.bar-frankfurt.de
ver.di-Bundeskongress
Matti Gantenberg geht zum Redepult, hinter ihm reihen sich junge Kolleginnen und Kollegen auf, zeigen ihre Solidarität, in dem sie Fahnen hochhalten und ein Plakat tragen mit dem Slogan: It’s Okay Not To Be okay. (Beifall)
„Hi, ich bin Matti und ich hab Depressionen. Ich bin Matti, ich hab‘ Depressionen und das ist okay. Es ist okay, weil meine Gefühle echt sind. Es ist okay, weil meine Krankheit zwar ein Teil von mir ist, aber nicht bestimmt wer ich bin. Und es ist vor allem okay, weil es verdammt nochmal okay ist, wenn‘s mir nicht okay geht.
Was nicht okay ist, ist wie wir als Gesellschaft mit dem Thema psychische Gesundheit umgehen. Fast die Hälfte der in Deutschland lebenden Erwachsenen leidet in ihrem Leben einmal an einer psychischen Erkrankung. Und trotzdem vermitteln wir den Betroffenen, sie seien allein damit. Jeder fünfte Beschäftigte hat schon einmal die Diagnose Depression erhalten und nochmal genauso viele denken, sie seien betroffen, trauen sich aber nicht einen Arzt aufzusuchen. Belastungen am Arbeitsplatz sind mit Abstand der häufigste Auslöser für depressive Erkrankungen. Gerade da müssen wir als Gewerkschaft doch anpacken. …….“
Matti Gantenberg berührt die Delegierten mit seinem Redebeitrag zum Antrag A153 „It's ok not to be ok – psychische Gesundheit in Gewerkschaftsarbeit fördern!“ (Antrag angenommen)
Die ganze Rede vom Kollegen Matti gibt es hier zum Nachlesen: www.verdi.de
DGUV
Die psychische Gesundheit in der Arbeitswelt soll durch eine gemeinsame Präventionsstrategie aller Akteurinnen und Akteure gefördert werden. Der 38. Internationale A+A Kongress vom 24. bis 27. Oktober 2023 bildet den Auftakt.
Der Koalitionsvertrag will längeres und gesünderes Arbeiten zu einem Schwerpunkt der Alterssicherungspolitik machen. Dazu soll ein Aktionsplan „Gesunde Arbeit“ ins Leben gerufen und der Grundsatz "Prävention vor Reha vor Rente" gestärkt werden. Beide Vorhaben erfordern eine gemeinsame Präventionsstrategie und stärker verknüpfte Aktivitäten von Politik, Sozialversicherungen, Trägern, Verbänden und Unternehmen.
Als erste gemeinsame Aktivität einer übergreifenden Zusammenarbeit plant das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), die psychische Gesundheit in der Arbeitswelt in den Fokus zu stellen. Dabei sollen gleichermaßen die psychische Belastung bei der Arbeit, als auch der Umgang mit psychisch Erkrankten im Beschäftigungsverhältnis, sowie die Vermittlungshemmnisse für deren (Re-)Integration thematisiert werden. Dieses Vorhaben knüpft an die „Offensive Psychische Gesundheit“ an, welche 2020 startete.
Der A+A-Kongress soll den Auftakt bilden, eine gemeinsame Strategie zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen zu entwickeln. Darin sollen Maßnahmen für eine menschengerechte Arbeitsgestaltung, Teilhabe und Beseitigung von Beschäftigungshemmnissen für psychisch Erkrankte und die bessere Erschließung der vielfältigen Angebote und Unterstützungsleistungen thematisiert werden. Auch die gesetzliche Unfallversicherung wird auf dem A+A Kongress vertreten sein. Sie engagiert sich ebenfalls im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie und der Nationalen Präventionsstrategie für gute Arbeitsgestaltung und psychische Gesundheit.
Quelle: DGUV Kompakt
Inklusion
Die ver.di Jugend setzt sich aktiv für eine umfassende Reform im Umgang mit Menschen ein, die derzeit in Behindertenwerkstätten beschäftigt sind. Diese Werkstätten, die traditionell für die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt gedacht waren, stehen zunehmend in der Kritik, da die Beschäftigten dort keinen regulären Arbeitnehmer*innenstatus haben und ihnen damit viele Rechte verwehrt bleiben. Es hat sich gezeigt, dass die Werkstätten eine Segregation statt Integration bedeuten. Die ver.di Jugend fordert eine Lösung, die auf die vielfältigen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen eingeht und gleichzeitig die Inklusion in den allgemeinen Arbeitsmarkt fördert. Ziel ist dabei die weitgehende Auflösung von Behindertenwerkstätten zugunsten einer Inklusion in den ersten Arbeitsmarkt.
Dieser Schritt soll sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Chancen und Rechte am Arbeitsplatz haben wie alle anderen Arbeitnehmer*innen. Dabei geht es nicht nur um die Eröffnung von neuen Ausbildung- und Arbeitsmöglichkeiten, sondern auch um die Schaffung eines inklusiven Arbeitsumfelds in den regulären Betrieben und Dienststellen, indem Vielfalt und Verschiedenheit geschätzt werden.
Durch den Arbeitnehmer*innen-Status würde sich auch das System der Vergütung verändern, gerade haben die Kolleg*innen in den Werkstätten zum Beispiel keinen Anspruch auf Mindestlohn. Das muss sich ändern!
Der Bundesjugendvorstand von ver.di hat sich dazu verpflichtet, sich in den nächsten Jahren intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Die ver.di Jugend ist überzeugt, dass eine inklusivere Arbeitswelt nicht nur im Interesse der Menschen mit Behinderungen liegt, sondern auch der Gesellschaft als Ganzem zugutekommt, indem sie die Diversität und Vielfalt am Arbeitsplatz fördert und damit die Stärken und Potenziale jeder einzelnen Person hervorhebt.
Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.
Das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und die Straßenverkehrsordnung (StVO) werden derzeit reformiert. Bisher sind dort zwei Ziele festgehalten, die Flüssigkeit und die Sicherheit des Verkehrs. Im Rahmen des Reformprozesses sollen weitere hinzukommen und zwar Gesundheit, städtebauliche Entwicklung sowie Klima- und Umweltschutz. Ein wichtiges Ziel wird dabei sträflich vernachlässigt: die Barrierefreiheit. Der DBSV hat deshalb heute gemeinsam mit fünf Bündnispartnern Forderungen für ein besseres Straßenverkehrsrecht präsentiert.
Die fünf Partner sind Fuss e.V., die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL), der Landesseniorenbeirat Berlin, die Landesseniorenvertretung Nordrhein-Westfalen und der Sozialverband VdK Deutschland. „Der vorliegende Referentenentwurf zur StVO vernachlässigt die vielen Millionen Menschen, die auf barrierefreie Mobilität angewiesen sind“, erläutert DBSV-Justiziarin Christiane Möller. „Aber noch ist es nicht zu spät. Morgen beginnt die Verkehrsministerkonferenz und die Teilnehmenden müssen die Weichen für Barrierefreiheit auf Straßen und Gehwegen stellen. Keinesfalls dürfen die grundsätzlich begrüßenswerten neuen Zielstellungen im Straßenverkehrsrecht dazu führen, dass die eigenständige Mobilität von Menschen mit Behinderungen zukünftig zur Nebensache wird.“
Die Forderungen des Bündnisses für Barrierefreiheit im Straßenverkehrsrecht können Sie herunterladen unter: www.dbsv.org
Die detaillierten Forderungen des DBSV zur Änderung der Straßenverkehrsordnung finden Sie unter: www.dbsv.org
Quelle: Pressemitteilung DBSV, 10.10.2023
Recht
Die Zuständigkeit des Betriebsrats für schwerbehinderte Arbeitnehmer umfasst auch schwerbehinderte leitende Angestellte. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Danach müssen Arbeitgeber dem Betriebsrat eine Liste aller schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten übermitteln, einschließlich leitender Angestellter.
Auszüge aus dem Urteil:
Die Aufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG iVm. § 176 SGB IX, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern, erfasst auch die Gruppe der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten leitenden Angestellten.
Darüber hinaus erfasst die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats – wie von ihm geltend gemacht – auch die Pflicht der Arbeitgeberin aus § 164 Abs. 5 Satz 3 SGB IX. Die Norm gewährt schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist. Die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats besteht nicht erst dann, wenn ein schwerbehinderter Mensch erfolglos einen Antrag auf eine entsprechende Beschäftigung geltend gemacht hat.
Die Förder- und Überwachungsaufgaben des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG iVm. § 176 Satz 1 und Satz 2 Halbs. 1 SGB IX erfassen alle schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer und damit auch solche, die leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG sind. Das ergibt die Auslegung der hierfür maßgebenden Normen.
Die in § 176 Satz 1 SGB IX genannten Aufgaben des Betriebsrats beziehen sich schon dem Wortlaut nach personell auf schwerbehinderte Menschen iSv. § 2 Abs. 2 SGB IX. Diese Legaldefinition stellt lediglich auf den Grad der Behinderung ab und unterscheidet nicht nach der Art einer (etwaigen) Beschäftigung oder den hiermit ggf. verbundenen Befugnissen. Damit sind auch solche Personen erfasst, die im Fall ihrer Beschäftigung als leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG anzusehen wären.
Vor allem die Systematik des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch und der hieraus folgende Regelungszusammenhang geben dieses Verständnis vor.
Dem Auskunftsanspruch stehen keine datenschutzrechtlichen Gründe entgegen. Die Weitergabe der begehrten Daten an den Betriebsrat ist nach § 26 Abs. 3 iVm. § 22 Abs. 2 BDSG zulässig.
Aktenzeichen 1 ABR 14/22
Link zum Urteil: www.bundesarbeitsgericht.de
Arbeitnehmer-Anwälte
„Im Übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.“ – Was Kurt Tucholsky über das Deutschland der 1920er-Jahre schrieb, gilt noch heute und wohl weltweit. Whistleblower sind, gerade im beruflichen Kontext, stark von erheblichen Repressalien bedroht. In Deutschland, wie auch in anderen europäischen Staaten, konnte der Schutz dieser Personen bisher als unzureichend bezeichnet werden. Die europäische Hinweisgeberschutz-Richtlinie von 2019 sollte das ändern und verpflichtete die europäischen Staaten, bis 17.12.2021 entsprechende Gesetze zu schaffen. In Deutschland geschah bis dahin nichts.
Nach zähen Verhandlungen gilt in Deutschland seit 02.07.2023 das neue Hinweisgeberschutzgesetz. Es soll Hinweisgeber, die auf Missstände im beruflichen Umfeld aufmerksam machen, schützen. Hierfür sollen betrieblich und extern Meldestellen eingerichtet werden. Was bedeuten die neuen Regelungen in der Praxis, und wo liegen Chancen und Risiken für Beschäftigte und deren Interessenvertretungen?
Zu diesem Thema informiert ein Artikel im Rundbrief Nr. 59 der Arbeitnehmer-Anwälte.
Recht
Diese Änderungen für die bayerischen Personalräte wirken sich teils direkt aus auf die bayerischen SBVen.
Die Teilnahme der SBV an der Personalratssitzung erfolgt jetzt nicht mehr ausschließlich in Präsenz. Die SBV kann sich nun mittels Video- oder Telefonkonferenz zuschalten. Diese Regelung in Bayern (Art. 35 Abs. 2 BayPVG) ist deckungsgleich mit der Regelung auf Bundesebene (§ 38 Abs. 3 BPersVG). Wie die SBV ihr Beratungsrecht wahrnimmt, gibt das SGB IX nicht vor. Ein Vetorecht gegen die Digitalisierung der PR-Sitzung hat die SBV nicht. Die Entscheidung hierüber, Sitzung in Präsenz oder digital, trifft der PR-Vorsitzende.
Erfolgt die Sitzung ordnungsgemäß mittels Video- oder Telefonkonferenz, ist die Dienststelle verpflichtet, der SBV die erforderliche sachliche Ausstattung für die Zuschaltung zur Verfügung zu stellen. Eine Mitnutzung der Endgeräte des PR ist ausgeschlossen. Der PR darf keines Zugriffs- oder Leserechte auf die nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO besonders schutzbedürftigen personenbezogenen Daten schwerbehinderter Menschen haben. Deshalb ist die gemeinsame Nutzung von z.B. PC, Laptop, Tablet oder Handys praktisch ausgeschlossen.
Die SBVn in Bayern können seit dem 01.08.23 die jährliche Versammlung der schwerbehinderten Menschen ganz oder teilweise mittels Videokonferenz durchführen. Art. 48 BayPVG regelt hierzu das Einvernehmen zwischen PR und Dienststellenleitung. Diese Regelung ist deckungsgleich mit § 58 Abs. 1 BPersVG. Auch bei einer digitalen Versammlung ist dem Datenschutz und der Datensicherheit Rechnung zu tragen.
Sprechstunden der SBV sind ebenfalls mittels Video- oder Telefonkonferenz möglich. Art. 43 Abs. 1 BayPVG enthält diesbezüglich eine Kann-Regelung. Diese Regelung entspricht § 45 Abs. 3 BPersVG.
Das Land Bayern räumt der an der Sitzung teilnehmenden SBV nicht nur ein Beratungs- sondern auch ein Stimmrecht ein. Bei Beschlüssen des PR, die überwiegend schwerbehinderte Beschäftigte treffen, gewährt Art. 40 Abs. 3 BayPVG der SBV dieses Stimmrecht. Die Neufassung des BayPVG regelt auch die Verhinderung bei Doppelmandat. Entgegen der bisherigen Regelung heißt es jetzt im Art. 40 Abs. 3 BayPVG, dass bei oben genannten Beschlüssen die SBV, die ein Doppelmandat als PR hat, nur als SBV abstimmen darf und als PR bei der Abstimmung verhindert ist.
Die SBV verliert also ihr personalvertretungsrechtliches Stimmrecht. In der Praxis bedeutet dies eine Nachladung des nächsten Ersatzmitgliedes nur zu diesem einem Tagesordnungspunkt.
Quelle: Prof. Düwell in Schwerbehindertenrecht und Inklusion 10/2023 Bund Verlag
Zentrum für Sozialforschung Halle (ZSH)
Das Zentrum für Sozialforschung Halle (ZSH) hat die nächsten Termine seiner monatlichen Online-Fortbildungen für Schwerbehindertenvertretungen (SBVen) bekanntgegeben. Hier werden sowohl Themen aus den Arbeitsbereichen der SBV als auch aktuelle, für SBVen relevante Themen aufgegriffen. Die Fortbildungen richten sich ausschließlich an SBV-Mitglieder. Die nächsten Fortbildungstermine sind:
- 08. November 2023 14:30 – 16:30 Uhr
- 13. Dezember 2023 14:30 – 16:30 Uhr
Um an den Fortbildungen teilzunehmen, ist es notwendig, sich in den Mail-Verteiler einzutragen. Über den Verteiler erhalten Interessierte ca. eine Woche vor der Veranstaltung die Zugangsdaten für die jeweilige Fortbildung.
Zur Anmeldemöglichkeit für den Mail-Verteiler des ZSH
Die Fortbildungsveranstaltungen sind Teil des Kooperationsprojekts „Zugänglichkeit – Inklusion – Partizipation. Nachhaltige Teilhabe an Arbeit durch Recht" (ZIP – NaTAR), das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) aus Mitteln des Ausgleichsfonds gefördert wird. Weitere Informationen zum Projekt sind auf der Projektseite abrufbar.
(Quelle: Zentrum für Sozialforschung Halle)
Aus dem Bundestag
Auf die herausgehobene Bedeutung von Sport und Bewegung für Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen weist die CDU/CSU-Fraktion in einem Antrag (20/8858) hin und fordert mehr Teilhabe. Gerade in dieser Bevölkerungsgruppe sei die Anzahl der sportlich Aktiven sehr gering, heißt es in dem Antrag, der am Freitag auf der Tagesordnung des Bundestages steht. Laut Unionsfraktion treiben von 320.000 Menschen mit geistiger Behinderung lediglich rund acht Prozent regelmäßig Sport. Von den Menschen mit körperlichen Behinderungen trieben 55 Prozent keinen Sport. Diese Zahlen würden sich signifikant von der Anzahl der Sportler in Deutschland insgesamt unterscheiden und seien besorgniserregend.
Ein Grund dafür ist aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion das geringe Angebot entsprechender Aktivitäten in den Sportvereinen in Deutschland: Nur sieben Prozent aller Vereine würden Sport für Menschen mit Behinderungen anbieten. Behinderungsspezifische Sportverbände wie beispielsweise der Deutsche Gehörlosensportverband hätten insbesondere in Folge der Pandemie aktuell oft finanzielle Notlagen zu bewältigen.
Die Unionsfraktion verlangt nun von der Bundesregierung, zunächst eine umfassende Ursachenanalyse vorzunehmen, weshalb der Anteil der Sport treibenden Menschen mit Beeinträchtigungen so gering ist und sich in diesem Zusammenhang durch die Beschaffung geeigneter Informationen einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Vereine und anderen Institutionen in Deutschland aktuell Sportaktivitäten für Menschen mit Behinderungen anbieten. Die Regierung müsse sich außerdem dafür einsetzen, dass die bestehenden Angebote ausgeweitet und dass Menschen mit Behinderungen durch entsprechende Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit - auch mit barrierefreien Informationen in leichter Sprache - motiviert werden, diese Angebote auch zu nutzen. Die Unionsfraktion regt an, in Form einer Werbekampagne über Chancen und Möglichkeiten inklusiver Sportangebote aufzuklären, „um dadurch noch immer in den Köpfen bestehende Barrieren abzubauen“.
In dem Antrag gehen die Abgeordneten auch auf das Thema Sportstätten ein. Gemeinsam mit Ländern und Kommunen müsse es gelingen, eine möglichst hohe Zahl an barrierefreien, für Menschen mit körperlichen, Sinnes- und geistigen Beeinträchtigungen gleichermaßen nutzbare Sportstätten zu schaffen, wird verlangt. In einem ersten Schritt brauche es eine Bestandsaufnahme zur Barrierefreiheit von Sportstätten in Deutschland. Danach müsse ein Programm erstellt und mit entsprechenden Haushaltsmitteln unterlegt werden, um die identifizierten Defizite zu beheben. Dieses Programm gelte es zeitnah umzusetzen sowie von einem angemessenen Monitoring mit wissenschaftlicher Expertise zu begleiten.
hib – heute im bundestag | Nr. 784 | 19. Oktober 2023
Deutsche Rentenversicherung
Leistungsberechtigte haben ein Mitspracherecht, wenn um die Reha geht. Das sogenannte Wunsch- und Wahlrecht wurde reformiert. Seit Anfang Juli 2023 können Versicherte, die eine Reha über den Rentenversicherungsträger beantragen, selbst Rehaeinrichtungen vorschlagen.
Um ihren Gesundheitszustand zu verbessern sowie einer Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit vorzubeugen, können Betroffene beispielsweise nach einer Operation, einem Schlaganfall oder auch bei Long Covid einen Antrag auf eine stationäre oder eine ambulante Reha stellen. Je nach beruflicher Situation und Ursache der vorliegenden Erkrankung sind unterschiedliche Träger für die Kostenübernahme zuständig.
Für Rehabilitationsmaßnahmen, die beim Rentenversicherungsträger beantragt werden müssen, das Wunsch- und Wahlrecht reformiert. Bisher gab es ein Mitspracherecht, wenn es darum ging, in welcher Klinik sie an einer Reha teilnehmen wollten. Ab sofort können Antragstellende dem Rentenversicherungsträger darüber hinaus auch Rehaeinrichtungen vorschlagen. Die Rentenversicherung prüft, ob die vorgeschlagenen Kliniken geeignet sind und entscheidet dann über Bewilligung oder Ablehnung des Antrags. Unter www.meine-rehabilitation.de kann man qualitätsgesicherte Einrichtungen finden und vorhandene Angebote vergleichen.
Forschung
Für eine umfangreiche Forschungsarbeit über die Folgen der Lock-Down Maßnahmen während der COVID-19-Pandemie haben Mitarbeiter*innen des Medizinischen Zentrums für Erwachsene mit Behinderungen (MZEB) am Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg Daten von 848 Menschen mit Behinderung zusammengetragen. Die Forschergruppe um den Rotenburger Epileptologen und Behinderten-Experten, Dr. med. Frank Bösebeck, hatte über eine Online-Befragung in 71 Wohngruppen aus Bremen und Niedersachsen untersucht, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie und die gesetzlichen Regularien auf das Wohlbefinden sowie die medizinische und psychische Verfassung der Bewohner*innen gehabt haben.
Die Forschungsergebnisse sind deutlich: Zusammenfassend wurden bei 41 Prozent der Betroffenen Verschlechterungen ihres Gesamtbefindens im Kontext der Corona-Pandemie angegeben. Am stärksten betroffen waren die Bereiche Stimmung, alltagsstrukturierende Kompetenzen, soziale Interaktion und geistige Leistungsfähigkeiten. Aber auch körperlich waren negative Folgen des Lock-Down festzustellen. Beispielsweise fanden sich erhebliche Verschlechterungen der motorischen Koordination und Beweglichkeit, oft einhergehend mit einer Verstärkung vorbestehender Lähmungen. Dies kann für Betroffene mit bereits vorbestehenden Einschränkungen langfristig desaströse Folgen für die individuelle Mobilität haben.
Der komplette Text ist hier zu lesen: www.diako-online.de
Bundesverfassungsgericht
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich der gesetzlich krankenversicherte, schwerkranke Beschwerdeführer gegen die fachgerichtlich bestätigte Ablehnung der Kostenübernahme für eine experimentelle Therapie durch seine Krankenkasse wendet. Damit wird der daneben gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos.
Der 2020 geborene Beschwerdeführer leidet an einer unheilbaren neurodegenerativen Stoffwechselerkrankung. Diese führt zu einem zunehmenden Verlust erworbener kognitiver und motorischer Fähigkeiten bis hin zu schwersten Behinderungen und einer verkürzten Lebenserwartung. Eine anerkannte kausale Therapie, also eine Behandlung der Krankheitsursache, gibt es nicht. Seit dem Frühjahr 2022 erhält der Beschwerdeführer das Arzneimittel Tanganil im Rahmen einer sogenannten Off-Label-Therapie, dem Einsatz außerhalb der genehmigten Anwendungsgebiete. Im November 2022 beantragte der Beschwerdeführer bei seiner Krankenkasse die Kostenübernahme für eine weitere Off-Label-Therapie mit dem Arzneistoff Miglustat. Gegen die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse wandte sich der Beschwerdeführer – bislang erfolglos – an die Fachgerichte. Seit Mai 2023 erhält der Beschwerdeführer aufgrund einer zwischenzeitlich wieder aufgehobenen Eilentscheidung des Sozialgerichts die begehrte Therapie mit Miglustat. Der Medikamentenvorrat des Beschwerdeführers mit Miglustat wird seinen Angaben zufolge in Kürze aufgebraucht sein. Der Beschwerdeführer sieht sich durch die fachgerichtlich bestätigte Ablehnung der Kostenübernahme für eine Miglustat-Therapie in seinen Grundrechten verletzt.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Beschwerdeführer hat die Möglichkeit einer Verletzung seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte nicht hinreichend dargelegt.
Sie können den Text im Internet über folgende URL erreichen:
www.bundesverfassungsgericht.de
Institut der deutschen Wirtschaft
Neueste Entwicklungen zeigen, dass sich mittlerweile eine große Zahl von Unternehmen im Rahmen ihrer Corporate-Social-Responsibilty-Strategien selbstverpflichtend Ziele zur diversen Mitarbeitereinstellung setzen. Und obwohl Vielfalt und Inklusion unabdingbare Säulen einer gerechten Arbeitswelt darstellen, stehen Unternehmen trotz zunehmender Bemühungen vor erheblichen Herausforderungen bei der Schaffung einer diversen Belegschaft und der gleichberechtigten Einstellung von Menschen mit Behinderungen.
Gleichzeitig suchen Unternehmen aufgrund des Fachkräftemangels oft lange oder erfolglos nach geeigneten Mitarbeitern. Und obwohl viele Menschen mit Behinderungen geeignete Qualifikation aufweisen, wird das Potential dieser Beschäftigungsgruppe nicht vollständig ausgeschöpft. Die Einstellung von Menschen mit Behinderungen ist nicht nur eine ethische Verpflichtung, sondern auch eine Chance für Unternehmen, von einer breiteren Palette an Talenten, Perspektiven und Fähigkeiten zu profitieren. Trotzdem zeigen Forschung und Erfahrung, dass es weiterhin tief verwurzelte Vorurteile, unbewusste Diskriminierung und fehlende Sensibilisierung gibt, die die Einstellungsentscheidungen in Organisationen beeinflussen. Diese verhaltensökonomischen Hürden können dazu führen, dass qualifizierte Menschen mit Behinderungen von der Arbeitswelt ausgeschlossen werden, was nicht nur ihre persönlichen Chancen beschränkt, sondern auch den Unternehmen wertvolle Ressourcen vorenthält.
Diese vorliegende Studie widmet sich intensiv der Analyse der komplexen Hürden und verhaltensökonomischen Einflüsse, die die Einstellung von Menschen mit Behinderungen negativ beeinflussen und entwickelt Ansätze, um diese Hindernisse mithilfe von Nudging-Strategien und inklusiven Führungsstrategien zu überwinden.
Digital-Kompass
Wie können Online-Konferenzen barrierearm durchgeführt werden und welche Hilfsmittel für Sehbeeinträchtigte Menschen gibt es an PC und Laptop?
Digitale Barrierefreiheit ist wichtig, um digitale Angebote auch für Menschen mit Beeinträchtigungen nutzbar zu machen und damit Teilhabe für alle zu gewährleisten. Doch dafür müssen Websites, elektronische Dokumente und Anwendungen entsprechend aufgemacht oder eingestellt werden können. In vielen Fällen gibt es bereits sinnvolle Konfigurationen, die von Betriebssystemen oder Programmen bereitgestellt werden.
In einer neuen Video-Reihe hat sich der Digital-Kompass die Vorstellung dieser zum Ziel gesetzt. Insgesamt fünf Videos sind von nun an auf dem YouTube-Kanal des DiKo zu finden: www.digital-kompass.de
Niedersachsen
Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung und das Büro der/des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen laden ein
am Mittwoch, 6. Dezember 2023, von 10.00 bis 16.30 Uhr (Einlass ab 9.00 Uhr)
im Designhotel und Congresscentrum Wienecke XI. Hildesheimer Str. 380, 30519 Hannover.
Die maximale TEILNEHMENDENZAHL ist bereits ERREICHT. Eine Anmeldung für die Teilnahme vor Ort ist daher nicht mehr möglich.
Sie können jedoch digital per Live-Stream teilnehmen. Rufen Sie dazu am Tag der Veranstaltung folgenden Link ab 10 Uhr auf: https://vimeo.com/event/3665192/a68f7926ca
Hans-Böckler-Stiftung
Der betriebliche Alltag wandelt sich auf vielen verschiedenen Ebenen. Als Folge der Corona-Pandemie und im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung haben sich orts- und zeitflexible Formen der Arbeitsorganisation stark verbreitet. Darüber hinaus stellen Arbeitskräfteengpässe und der demografische Wandel neue Anforderungen an die Gestaltung der Arbeit in den Betrieben - und damit auch an das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Der vorliegende Report zeigt anhand von Befunden der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2021, wie Instrumente der Betrieblichen Gesundheitsförderung helfen können, die Herausforderungen zu bewältigen, die der Wandel der Arbeitswelt mit sich bringt, und inwieweit Betriebe ihre Möglichkeiten des Betrieblichen Gesundheitsmanagements ausschöpfen.
Schlechte Arbeitsbedingungen stellen ein erhebliches Risiko für Körper und Psyche von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dar. Einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit in der Bevölkerung können daher Unternehmen leisten, indem sie für gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen sorgen. Inwieweit sie dieser Verantwortung gerecht werden, haben Dr. Elke Ahlers und Valeria Quispe Villalobos vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung anhand von Daten der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2021 untersucht, an der sich mehr als 3700 Beschäftigtenvertretungen beteiligt haben. Der Studie zufolge haben sich Management und Interessenvertretungen in vielen mitbestimmten Betrieben zuletzt intensiv mit Gesundheitsthemen befasst – auch aufgrund der Corona-Pandemie. Fast drei Viertel der Betriebe boten 2021 betriebliche Gesundheitsförderung an – 2015 waren es erst gut rund die Hälfte. Instrumente des betrieblichen Gesundheitsmanagements wie beispielsweise Gefährdungsbeurteilungen werden ebenfalls zunehmend genutzt, allerdings gibt es insbesondere bei der Erfassung psychischer Belastungen noch Lücken. Bei der konkreten Umsetzung von Verbesserungen und den Beteiligungsmöglichkeiten von Beschäftigten hapert es zudem nach Analyse der Forscherinnen oft noch. Und in Betrieben ohne Betriebsrat ist das Engagement für den Gesundheitsschutz erfahrungsgemäß geringer.
Arbeitsschutz sei ein „klassisches Thema der betrieblichen Interessenvertretung“, das durch die Coronakrise ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt sei, schreiben Ahlers und Quispe Villalobos. Während bei Betriebs- und Personalräten vorher vor allem Überstunden, Arbeitsintensivierung, Zeit- und Leistungsdruck die Agenda beherrschten, hatten 2021 die drei meistgenannten Arbeitsfelder auch mit der Pandemie zu tun: Mit Corona und den Folgen für den Betriebsablauf befassten sich 89 Prozent der Befragten, mit Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung 86,1 Prozent, mit mobiler Arbeit und Homeoffice 80,5 Prozent.
Link zur Studie: www.wsi.de
BAuA
Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse für die Sicherheit und Gesundheit beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstättenwieder. Sie werden vom Ausschuss für Arbeitsstätten ermittelt bzw. angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt gemacht.
Die ASR V3a.2 (Barrierefreiheit) konkretisiert im Rahmen ihres Anwendungsbereichs Anforderungen der Verordnung über Arbeitsstätten. Bei Einhaltung dieser Technischen Regel kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Schutz der Gesundheit für die Beschäftigten erreichen.
Im April 2023 wurde die Ergänzenden Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung bezüglich „Kantinen“ und deren Barrierefreiheit publiziert.
PDF-Download, ASR V3a.2 „Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten“, Anhang A4 Kantine, ab Seite 38
REHADAT
REHADAT hat eine neue Ausgabe der Reihe „REHADAT-Wissen“ zum Thema chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (kurz CED) im Arbeitsleben veröffentlicht. Die Online-Publikation informiert über die Erkrankung CED, die damit verbundenen Auswirkungen auf die Arbeitssituation der Betroffenen und über Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung.
Eine im Vorfeld durchgeführte Umfrage bei 451 Betroffenen untersuchte grundlegende Fragen, wie z.B.:
- Welche Herausforderungen gibt es im Arbeitsalltag von CED-Betroffenen?
- Wie lässt sich die Arbeit von CED-Betroffenen bedarfsgerecht gestalten?
Die Antworten bieten Einblicke in die verschiedenen Belastungen am Arbeitsplatz für CED-Betroffene. Ergänzende Interviews mit Betroffenen und Expert*innen lieferten wichtige zusätzliche Erkenntnisse, die direkt in die Broschüre eingeflossen sind.
„Entscheidend sind vor allem die so genannten weichen Faktoren, die das Arbeiten mit einer CED positiv beeinflussen können. Die Möglichkeit für flexible Arbeitszeitregelungen, für mobiles Arbeiten oder Homeoffice und eine vertrauensvolle Kommunikation auf Augenhöhe gehören dazu“ erklärt Andrea Kurtenacker, Projektleiterin von REHADAT.
Die Ausgaben der Online-Anwendung REHADAT-Wissen richten sich an Unternehmen, Arbeitsmediziner*innen, Beschäftigte mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen sowie an deren Vorgesetzte und/oder Kolleg*innen, Therapeut*innen und alle Fachleute, die sich für die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen einsetzen.
Hier finden Sie die neueste Ausgabe der Reihe REHADAT-Wissen zum Thema CED: www.rehadat-wissen.de
Tipp
In jedem Bus, in jeder Hand, im Büro und auf dem Bahnhof leuchten sie – die Displays unserer Tage. Damit sind nicht nur die großen Bildschirme wie etwa Abfahrtstafeln oder Werbebildschirme gemeint, sondern auch die kleinen privaten Smartphones und Tablets. Schöne digitale Welt, immer verfügbar, nachhaltig, günstig und offen für alle. Zumindest beim letzten Punkt, der Zugänglichkeit oder etwas technischer, der Barrierefreiheit (accessibility), stimmt das ganz und gar nicht.
Gleiswechsel ohne Ansage am Bahnhof, schon ist der Zug für blinde Reisende weg. Wäre die Reiseapp doch nur barrierefrei abrufbar. In Videotutorials verraten schlaue Stimmen die Lösung zu fast jedem Problem. Ohne Untertitel oder Gebärdensprache bleibt man als Mensch mit Höreinschränkung mit dem Problem allein. Komplizierte Buchungen und Freigabeverfahren sind für uns alle schwer, aber wie bekommen das Menschen mit Lernschwierigkeiten hin? Das mit dem Onlineshoppen, mit dem richtigen Klick auf Cookiebanner und kleinen Häkchen vor Buchstabenbergen? Gar nicht – so ernüchternd ehrlich ist die Antwort.
Der komplette Text auf www.heise.de
Aus dem Bundestag
Nach der Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage (in Millionen) aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen in den Jahren 2020, 2021 und 2022 erkundigt sich die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (20/8987). Auch fragt sie darin unter anderem, wie sich diese Werte im Vergleich zu den Jahren 2002 und 2012 darstellen.
hib – heute im bundestag | Nr. 801 | 30. Oktober 2023
Medien-Tipp
Immer mehr prominente Menschen stehen öffentlich dazu, von Legasthenie betroffen zu sein. Kaum ein Aspekt des schulischen Lernens ist in den letzten Jahrzehnten so zeitaufwendig erforscht worden wie die Legasthenie und doch herrscht in der Wissenschaft noch immer Unklarheit über Ursachen und Therapien, werden Kinder mit dem Gefühl, Versager zu sein, allein gelassen.
Johann Wolfgang von Goethe, Agatha Christie, Albert Einstein, Steven Spielberg, Nigel Kennedy, Walt Disney, Steve Jobs, Bill Gates, Whoopy Goldberg, Pablo Picasso, John Irving, David Murdock, Ingvar Kamprad, Leonardo da Vinci, Alfred Hitchcock, Kronprinzessin Victoria von Schweden, Bodo Ramelow: Sie alle sind oder waren von Legasthenie betroffen - und haben trotzdem Wege gefunden, ihr außergewöhnliches Talent zu entdecken und dieses zu leben. Doch solche prominenten Beispiele sind in der Welt der Menschen mit Legasthenie eher Ausnahmen. Meistens schaffen Schüler und Schülerinnen mit einer diagnostizierten Legasthenie viel zu selten einen ihren Fähigkeiten und Begabungen entsprechenden Schulabschluss. Das müsste nicht so sein!
Kaum ein Aspekt des schulischen Lernens ist in den letzten 130 Jahren so zeitaufwendig erforscht worden, wie die Legasthenie und doch herrscht in der Wissenschaft noch immer Unklarheit über Ursachen und Behandlungswege, werden Kinder zu lange mit dem Gefühl, Versager zu sein, allein gelassen.
Der Film zeigt die schwierige und psychisch belastende Situation von betroffenen Kindern in Schule und Alltag in Deutschland, Großbritannien und Frankreich, erzählt von Erfolgsgeschichten wie der des jungen britischen Designers Daniel Britton und der des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und beleuchtet die neuesten Forschungsergebnisse.
Tipp
Raúl Aguayo-Krauthausen: Kürzlich wurde ich in der Hochschule Ansbach mit dem Bildungspreis Ansbach geehrt. Es war eine Feier, die sehr mühe- und liebevoll von den Studierenden gestaltet war und auf die ich gerne zurückblicke. In diesem Rahmen bin ich für ein Jahr zum Namensgeber eines Hörsaals ernannt worden, der allerdings (noch) nicht barrierefrei ist. Das verleitet mich nun ein paar Gedankenanstöße über Inklusion im Bildungs- und Wissenschaftsbereich zu teilen. Es folgen u. a. Ausschnitte meiner Rede in Ansbach.
Inklusion und Barrierefreiheit an Hochschulen ist ein Thema, mit dem ich mich aus vielerlei Gründen regelmäßig beschäftigen muss. Einige davon wurden auch bei meinem Besuch der Hochschule Ansbach evident und verdienen eine nähere Betrachtung. Wichtige Punkte in dem Bereich sind u.a. folgende:
- Barrierefreiheit der Gebäude und Säle
- Barrierefreiheit der Lehrinhalte
- Teilhabe als Studierende / Teilgabe als Lehrende
- Zugang zu Bildung für Schüler*innen mit Behinderung
- Forschung an Hochschulen und die Perspektive behinderter Menschen
- Der Mehrwert von Behinderung: Resilienz und Erfindungsreichtum
- Intersektionalität: Rassismus im Bildungssystem
Jeder dieser Punkte trägt individuell und in Summe dazu bei, dass Bildungseinrichtungen, insbesondere Hochschulen, noch immer Orte der Exklusion sind.
Aus dem Bundestag
Der Tourismusausschuss hat in seiner Sitzung am Mittwoch einen Antrag (20/7590) der CDU/CSU-Fraktion zum barrierefreien Reisen mehrheitlich abgelehnt.
Die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion fordern darin die Bundesregierung dazu auf, eine langfristige Finanzierung des Zertifizierungs- und Kennzeichnungssystems „Reisen für Alle“ sicherzustellen. Weiterhin sollen in Abstimmung mit Behindertenverbänden, der Tourismuswirtschaft, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und den Bundesländern Konzepte entwickelt werden, wie entlang der gesamten touristischen Leistungskette Barrierefreiheit zum Standard gemacht werden könne, schreiben die Abgeordneten in dem Antrag.
Die hib-Meldung zum Antrag: www.bundestag.de
hib – heute im bundestag | Nr. 777 | 18. Oktober 2023
Bürokratieabbau
Wer in der Vergangenheit Leistungen aus der Ausgleichsabgabe für berufstätige und selbständige schwerbehinderte Personen beantragen wollte, musste sich erst durch zahlreiche Papierformulare arbeiten. Zeitaufwendig und kompliziert. Deshalb hat das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung zusammen mit dem niedersächsischen Integrationsamt einen Onlinedienst entwickelt, der die Antragstellung rasch und barrierefrei in digitaler Form möglich macht. Mit wenigen Klicks können schwerbehinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Antrag nun online stellen und alle erforderlichen Unterlagen direkt im Antrag hochladen. Sofern gewünscht, kann auch vorab eine Beratung angefragt werden, heißt es einer Pressemitteilung des Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung.
Nähere Informationen zu den Leistungen aus der Ausgleichabgabe an berufstätige und selbständige schwerbehinderte Personen und einen direkten Zugang zu dem Onlinedienst erhalten Sie unter folgendem Link:
(jb) Ein Antrag benötigt die Registrierung für ein Servicekonto als persönlichen Online-Zugang zu den Leistungen der Behörden. Darüber hinaus können jedoch auch über einen Gastzugang Leistungen beantragt werden.
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