Liebe Kolleginnen und Kollegen,
…… die Zeit vergeht sehr schnell. Das merke ich immer dann, wenn schon wieder ein InfoBrief geschrieben werden will – wieder ein Monat vorbei! Für die Menschen in der Ukraine wird die Zeit sicher viel zu langsam vergehen. Seit dem 24. Februar leidet ein Volk unter einem Krieg, den es nicht vom Zaun gebrochen hat. Ein Krieg, in dem es der russischen Führung um die angebliche Entnazifizierung der Ukraine geht. Der zu diesem Thema schon im April publizierte Text ist schockierend und entlarvend.
Die Zivilbevölkerung leidet unbeschreiblich. Tausende Menschen sind bisher gestorben. Sie sind gestorben, weil sie zufällig in dem Land, dass im 2. Weltkrieg acht Millionen Opfer beklagen musste, geboren sind, dort leben und arbeiten. Viele tausend Menschen werden ihr weiteres Leben kriegsbedingt mit körperlichen und seelischen Behinderungen meistern müssen. Wenn jetzt – auch da dieser Krieg noch lange nicht vorbei ist – von Wiederaufbau des Landes gesprochen wird, darf die notwendige Infrastruktur für behinderte Menschen und die von Kriegseinflüssen physisch und psychisch betroffenen Menschen nicht vergessen werden.
Die Schriftsteller können nicht so schnell schreiben,
wie die Regierungen Kriege machen;
denn das Schreiben verlangt Denkarbeit.
(Bertolt Brecht, 1898 - 1956)
Wie in den letzten Monaten immer, fällt es schwer, sich anderen wichtigen Themen zu widmen.
Immer deutlicher werden die Rufe danach, mehr Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen und auszubilden. So kamen auch dieses Jahr wieder anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai zahlreiche Aufrufe und Appelle in die Welt.
Der ver.di-Landesarbeitskreis Behinderten- und Teilhabepolitik Niedersachsen/Bremen beschäftigt sich natürlich auch mit diesem Thema und lädt am 15. Juni zu einer Online-Veranstaltung ein. Anlässlich der Landtagswahl in Niedersachsen werden wir mit Vertreter*innen der Landtagsfraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ins Gespräch kommen, welche Vorstellungen sie haben, um die Beschäftigungsquote des Arbeitgebers Land Niedersachsen deutlich zu verbessern. Interessierte sind zu der Veranstaltung herzlich eingeladen, nähere Informationen hierzu gibt es in dieser Ausgabe des SBV-Info Briefes.
Eine interessante Studie des Zentrums für Sozialforschung Halle (ZSH) beleuchtet die Herausforderungen der Schwerbehindertenvertretung (SBV) im Kontext der Corona-Krise und stellt die daraus gezogenen Schlüsse und weiterführende Forschungsbedarfe vor. Sehr spannend, den Digitalisierungsschub und die veränderte Kommunikation der Vertrauenspersonen schwerbehinderter Menschen mit den behinderten Beschäftigten und ihren institutionellen Kooperationspartner*innen zu betrachten.
Jürgen Dusel hat mal wieder die richtigen Worte gefunden. Und er merkt an, dass Menschen mit Behinderungen systematisch weniger von Aufschwüngen am Arbeitsmarkt profitieren, zudem gäbe es für sie eine größere Gefahr von Langzeitarbeitslosigkeit, besonders im Alter über 50. Auch die Corona-Pandemie zeige: Die Arbeitsmarktsituation für Menschen mit Behinderungen erholt sich langsamer als für Menschen ohne Behinderungen.
Da ist also weiterhin was zu tun! Demokratie braucht Inklusion! Die Schwerbehindertenvertretungen arbeiten tagtäglich daran, die Situation für Beschäftigte und Bewerber*innen adäquat zu gestalten. Was helfen würde? Das wären verbesserte gesetzliche Rahmenbedingungen für die Förderung der beruflichen Teilhabe behinderter Menschen und für die Arbeit der SBVen!
Ich hoffe, auch in dieser Ausgabe ist das eine oder andere interessante Thema dabei.
Mit den besten Wünschen
Jürgen Bauch
Online-Veranstaltung am 15. Juni, 15:30 bis 17:00 Uhr
Landesarbeitskreis Behinderten- und Teilhabepolitik | ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen
Wir sprechen mit: Thela Wernstedt (SPD), Volker Meyer (CDU), Jörg Bode (FDP), Volker Bajus (Bündnis 90/Die Grünen) und Detlef Ahting (ver.di-Landesbezirksleiter)
Moderation: Jürgen Bauch (ver.di-LAK)
Interessierte Menschen sind herzlich eingeladen, online teilzunehmen.
Ministerpräsident Weil stellt in seinem Vorwort zum Aktionsplan Inklusion 2021/22 zurecht fest: „Unser Ziel bleibt die vollständige Teilhabe der Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben!“
Die neue Landesregierung muss mit der Schaffung einer inklusiven Arbeitswelt deutlicher ihrer politischen Vorbildfunktion gegenüber dem Öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft gerecht werden.
Welche Ideen, Vorstellungen und Pläne haben die Parteien in Niedersachsen, um in der kommenden Legislaturperiode die Beschäftigungsquote von schwerbehinderten Menschen in den Verwaltungen und Betrieben des Landes deutlich zu steigern?
Dies möchte ver.di im Vorfeld der diesjährigen Landtagswahlen mit Vertreter*innen der Landtagsfraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP erörtern.
ver.di, die für den Öffentlichen Dienst zuständige Gewerkschaft, hat großes Interesse an guten Rahmenbedingungen für Inklusion und berufliche Teilhabe von schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen.
Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Bildungswerk ver.di in Niedersachen e.V. ausschließlich online über Zoom/Webex statt.
Die Zugangsdaten für die Veranstaltung erhalten Interessierte nach der Anmeldung per E-Mail an: godigital@bw-verdi.de
Für Rückfragen steht Ihnen Matthias Hoffmann zur Verfügung: matthias.hoffmann@verdi.de
Hans-Böckler-Stiftung
Es geht um digitale Transformation in der Industrie, im öffentlichen Dienst, im Gesundheitswesen, der Logistik oder an Schulen – und wie sie Arbeitsabläufe, Beschäftigung, Jobprofile und Ausbildung beeinflusst. Um die Bezahlung von IT-Fachleuten und Clickworkern. Um Erfahrungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) bei Bewerbungsverfahren, Überwachungsmöglichkeiten durch den Arbeitgeber, um Geschlechterunterschiede im Homeoffice oder die Bereitschaft, sich von einem Roboter pflegen zu lassen. Und um die Gretchenfrage: Wie lässt sich erreichen, dass nicht alleine in den Chefetagen bestimmt wird, welche Ziele Digitalisierung verfolgt? Der neue Atlas der digitalen Arbeit, den die Hans-Böckler-Stiftung und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) herausgeben, bildet zahlreiche Aspekte der Arbeitswelt von heute ab und bringt Entwicklungstrends auf den Punkt. Mit kurzen Texten und prägnanten, aktuellen Infografiken, gestaltet von der renommierten Berliner Atlasmanufaktur. Eine solide Grundlage, um über die Arbeit der Zukunft zu diskutieren. Und das kostenlos für alle Interessierten: Der Atlas kann gedruckt kostenlos bestellt oder gleich kostenlos digital heruntergeladen werden, die Grafiken sind ebenfalls frei herunterzuladen (mehr Infos und alle Links am Ende der PM).
„Der digitale Wandel verstärkt den analogen Kapitalismus und schafft neue Formen der Ausbeutung“, warnen in ihrem Vorwort der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann und Dr. Claudia Bogedan, Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung, mit Blick auf Trends der Plattformökonomie. Dabei sehen sie die Verantwortung nicht nur bei Unternehmen, sondern auch bei der Politik, die etwa auf europäischer Ebene durch veraltete Wettbewerbsvorschriften eine kollektive Interessenvertretung für Plattformbeschäftigte behindert. Andererseits zeigt der Atlas auch die positiven Seiten von Digitalisierung sowie Fortschritte und gute Beispiele für digitale Modernisierung im Dialog. Etwa die „Labs“, in denen bei Bosch Beschäftigte, Management und Betriebsräte alltagsnah mit neuen Technologien oder Prozessen experimentieren – auch mit dem Ziel, einen späteren Einsatz mit einer Betriebsvereinbarung zu begleiten. Oder neue Vorhaben der EU-Kommission, Plattformarbeit besser zu regulieren. Denn auch darum geht es im Atlas: „Welche Ideen haben Politik und Gewerkschaften, damit es auch in einer smarten Zukunft gerecht und fair zugeht?“, schreiben Claudia Bogedan und Reiner Hoffmann.
Der Atlas der digitalen Arbeit hat 54 Seiten. Gedruckte Exemplare können kostenlos bestellt werden auf den Websites von Hans-Böckler-Stiftung und DGB
„Menschen mit Behinderung und chronisch Kranke länger in Arbeit halten“
Menschen mit Behinderung und chronisch Kranke scheiden häufig früher aus dem Arbeitsleben aus. Dabei könnten sie länger berufstätig sein und für das Alter vorsorgen, wenn die Betriebe für sie ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen würden. Zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai weist der VdK auf dieses wenig bekannte und wenig genutzte Instrument hin. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagt dazu:
„Nur rund 40 Prozent der langzeiterkrankten Beschäftigten erhalten überhaupt ein Angebot für ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM). Im Dienstleistungsbereich und im Handwerk sind es noch weniger."
Im Koalitionsvertrag hatte die Regierung versprochen, das BEM verbindlicher zu gestalten. Nun muss sie auch liefern. Der VdK fordert: krankheitsbedingte Kündigungen durch Arbeitgeber, die kein BEM durchgeführt haben, müssen unwirksam sein. Die Schwerbehindertenvertretung ist grundsätzlich an jedem BEM-Verfahren zu beteiligen, auch wenn der Beschäftigte nicht schwerbehindert oder gleichgestellt ist. Das gilt auch für die sogenannte "stufenweise Wiedereingliederung", die sich als effektive Maßnahme bewährt hat.
Die betriebliche Inklusion darf nicht länger unter den Tisch fallen. Denn Arbeitslosigkeit und vorzeitiger Rentenbezug wegen Erwerbsminderung kosten ein Vielfaches mehr als Rehabilitation, Prävention und Wiedereingliederungsmaßnahmen. Angesichtes des Fachkräftemangels sollten Betriebe alles tun, um ihre Beschäftigen lange in Arbeit zu halten.“
Hintergrund: Mit dem Instrument des BEM soll Beschäftigten nach längerer Arbeitsunfähigkeit die Rückkehr an den Arbeitsplatz erleichtert und der Arbeitsplatz nach Möglichkeit den individuellen gesundheitlichen Bedürfnissen angepasst werden: So können etwa Arbeitsabläufe geändert oder Arbeitsplätze mit technischen Hilfen ausgestattet werden, für die es Fördermöglichkeiten durch die Rehabilitationsträger oder Inklusionsämter gibt. Auf ein BEM haben Beschäftigte mit oder ohne Behinderung Anspruch, wenn sie länger als sechs Wochen mit oder ohne Unterbrechungen im Jahr krankgeschrieben sind.
Quelle: VdK-Pressemeldung vom 05.05.2022
Hans-Böckler-Stiftung
Die Rückkehr aus der Erwerbsminderungsrente in einen Job gelingt nur selten. Bei befristeten Renten kommt dies nicht öfter vor als bei den unbefristeten.
Wer aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft arbeitsunfähig ist, kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Erwerbsminderungsrente erhalten. Seit 2001 gilt dabei der Grundsatz, dass solche Renten befristet zu bewilligen sind, was bei rund der Hälfte aller Neueintritte auch geschieht. Dahinter stehe die Erwartung, dass Betroffene im Laufe der Zeit gesundheitliche Fortschritte machen und einen passenden Job finden können, schreiben Lina Zink und Martin Brussig vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ). Sie haben im von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Altersübergangsreport untersucht, inwieweit diese Erwartung zutrifft. Das Ergebnis: Zu einer Rückkehr in Arbeit kommt es in weniger als einem Zehntel der Fälle – unabhängig davon, ob es sich um eine unbefristete oder Zeitrente handelt.
Weitere Informationen: www.boeckler.de
Tipp
Du möchtest Dein nächstes Event barrierefrei durchführen, um es für ein großes, vielfältiges Publikum zu öffnen? Ramp-Up.me gibt Dir Tipps, wie Dein Veranstaltungsort barrierefreier wird, wie Du mehr Vielfalt in Dein Programm bekommst und wie Deine Kommunikation mehr Menschen erreicht. Was schon mal hilft: ein Bewusstsein für Barrieren, ein Netzwerk vielfältiger Kontakte und eine vorausschauende Planung.
Die gesellschaftliche Vielfalt und Teilhabe auf der Bühne und den Zuschauerrängen zu fördern, ist das Ziel von Ramp-Up-me. Wir wünschen uns, dass sich zunehmend Eventveranstalter*innen dazu entschließen freiwillig auf Inklusion und Barrierefreiheit zu setzen. Darüber hinaus gibt es allerdings auch gesetzliche Grundlagen, die VeranstalterInnen zum Umdenken verpflichten.
Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die 2009 in Deutschland in Kraft getreten ist, schreibt vor, dass Menschen mit Behinderung ein Recht darauf haben, an der Gesellschaft teilzuhaben. Auch im Grundgesetz steht, dass behinderte Menschen nicht diskriminiert werden dürfen.
Hinter Ramp-Up.me stecken der Ruby Berlin e.V. und der Sozialhelden e.V. Die Sozialhelden sind ein Team aus Medienschaffenden mit und ohne Behinderung aus Berlin, die verschiedene Projekte im Sinne der Inklusion auf den Weg gebracht haben: unter anderem die Karte „Wheelmap.org”, in der man weltweit rollstuhlgerechte Orte markieren kann; das Onlineportal „Leidmedien.de”, das Tipps für eine klischeefreie Sprache über behinderte Menschen in den Medien gibt; die Fotodatenbank „Gesellschaftsbilder.de”, die Fotos auf Augenhöhe für Journalist*innen zur Verfügung stellt; das Videoprojekt „Die Andersmacher”, das Menschen mit Behinderung zeigt, die einen anderen Weg gehen, als den, der ihnen so manches Mal von der Gesellschaft nahegelegt wird.
Link zur Website: www.ramp-up.me
Rentenversicherung Braunschweig-Hannover
Nach einer langen Erkrankung ist die Rückkehr in den Job oft kein Selbstläufer. Viele Beschäftigte brauchen dann einen Arbeitsplatz, der ihren gesundheitlichen Möglichkeiten entspricht. Mit passgenauen Lösungen kann die Deutsche Rentenversicherung weiterhelfen: Im Betrieblichen Eingliederungsmanagement berät sie Unternehmen und Beschäftigte – und das ab sofort auch im Videochat. Termine gibt es unter www.deutsche-rentenversicherung-braunschweig-hannover.de, teilte der niedersächsische Rentenversicherer jetzt mit.
Welche Beschäftigungsmöglichkeiten gibt es? Wer finanziert sie? Und wie können Mitarbeitende langfristig gesund und leistungsfähig bleiben? „Die Expertinnen und Experten vom Firmenservice der Rentenversicherung können in diesen und vielen weiteren Fragen helfen“, so Jan Miede, Geschäftsführer der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover. „Unsere Fachleute bieten vielfältige Lösungen an, um einer erneuten Erkrankung vorzubeugen und den Arbeitsplatz zu erhalten.“
Tipps und einen schnellen Zugang zu den Angeboten gibt es dienstags bis donnerstags mit drei Online-Beratungsterminen pro Tag.
Ob Personalverantwortliche, Betriebs- oder Werksärzte, Interessenvertretungen oder die Beschäftigten selbst: Wer sich im Videochat beraten lassen möchte, sollte zuvor auf der Webseite einen Termin buchen. Dort erfahren Interessierte zudem, welche technische Ausstattung sie benötigen.
Informationen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement gibt es auch telefonisch unter 0531 7006-603 oder per E-Mail an firmenservice@drv-bsh.de
Quelle: DRV Braunschweig – Hannover, Pressemitteilung, 04.05.2022
Menschen mit Behinderung auf der Flucht
Dass unter den über 60 Millionen Geflüchteten weltweit auch Menschen mit Behinderung sind, damit müsste man eigentlich rechnen. Doch es fehlt an medizinischer Versorgung, Menschen, die sich kümmern und barrierefreien Unterkünften.
Sein Land verlassen zu müssen und wo anders neu anzufangen ist schon schlimm genug. Doch wie geht das, wenn man eine Einschränkung hat? Wie findet sich ein blinder Mensch in einer fremden Umgebung zurecht, wenn er beispielsweise die Sprache nicht spricht? Und gibt es eigentlich Flüchtlingsunterkünfte, die rollstuhlgerecht sind?
In „Echt Behindert!“ geht es dieses Mal um Menschen mit Behinderung auf der Flucht. Wir sprechen mit Ulrike Lessig vom Verein „Be an Angel e.V.“, der sich seit 2015 für Geflüchtete einsetzt, und mit Rainer Delgado vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV), der blinde und sehbehinderte Menschen aus der Ukraine in Deutschland unterbringt.
Beide erzählen von ihrer Arbeit, berichten von den Nöten der Menschen, denen sie helfen und sagen, was ihre Organisationen jetzt am meisten brauchen.
Link zum Podcast: www.dw.com
Vielfalt, Inklusion und das Leben mit Behinderung
Was ist schon normal? Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raúl Krauthausen brechen in ihrem Podcast „Die Neue Norm“ festgefahrene Muster auf und werfen einen frischen Blick auf Vielfalt, Inklusion und das Leben von Menschen mit Behinderung.
Niemand hat das Recht gepachtet, über das Leben mit Behinderung zu sprechen. Im Idealfall sollten das alle gemeinsam tun, findet die 30-jährige Judyta Smykowski. Aber drei Menschen mit Behinderung und journalistischem Hintergrund haben dafür die besten Voraussetzungen. In ihrem Podcast „Die Neue Norm" beleuchten Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raúl Krauthausen aus der Perspektive von Menschen mit Behinderung alltägliche Themen, die alle Menschen betreffen. Informativ, kritisch und unterhaltsam.
Link zu allen folgen der Podcast-Serie in der ARD-Mediathek: www.ardaudiothek.de
Bildungswerk ver.di in Niedersachsen
Du spielst mit dem Gedanken, als Schwerbehindertenvertreter*in zu kandidieren oder du wurdest gefragt, ob du nicht Interesse hast, künftig dabei zu sein? Dann hast du sicher einige Fragen, die sich aus der Übernahme einer solchen Aufgabe und Funktion ergeben. Auf dieser Website wollen wir dir Antworten und einen Überblick über deine Rechte, Handlungsmöglichkeiten und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten als künftige*r Schwerbehindertenvertreter*in geben.
Von der grundsätzlichen Bedeutung der SBV über die Vorschriften zur Wahl, zu den ersten Schritten als Interessenvertretung, bis hin zu den Rechten und Pflichten der SBV ist in zwölf Kapiteln eine gute Übersicht zu bekommen, die in den Seminaren für SBVen natürlich vertieft werden müssen. „Wissen ist Macht“, heißt ein geflügeltes Wort, dass Francis Bacon zugeschrieben wird. Mehr Wissen macht nichts, sagen kluge SBVen!
DGB Niedersachsen
Anlässlich des europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai fordert Dr. Mehrdad Payandeh, Vorsitzender des DGB Niedersachsen, dazu auf, mehr Menschen mit Behinderungen auszubilden und zu beschäftigen:
„Für Menschen mit Behinderungen ist der Arbeitsmarkt immer noch exklusiv, statt inklusiv. Die Corona-Pandemie hat hierbei einen negativen Impuls gesetzt. Wenn Menschen mit Behinderungen einmal ihren Arbeitsplatz verloren haben, ist es für sie deutlich schwieriger, einen neuen zu finden. Sie sind häufiger und länger arbeitslos und das, obwohl sie im Durchschnitt gut qualifiziert sind.“
In Niedersachsen machen schwerbehinderte Menschen nur 4,3 Prozent aller Beschäftigten aus (private Arbeitgeber: 4,0%, öffentliche Arbeitgeber: 5,2%). Damit liegt das Bundesland deutlich unter der gesetzlich vorgeschriebenen Quote von fünf Prozent schwerbehinderter Beschäftigter*.
Von den 16.377 Unternehmen in Niedersachsen, die diese Quote erfüllen müssen (mit mehr als 20 Mitarbeiter*innen), hatte sogar jedes vierte Unternehmen (4.320) keinen einzigen schwerbehinderten Beschäftigten.
„Die Unternehmen müssen ihre gesetzliche Beschäftigungspflicht schwerbehinderter Menschen ernst nehmen. Bei der Ausbildung oder Beschäftigung dieser Zielgruppe können die Arbeitgeber auf vielfältige Unterstützungsangebote zurückgreifen: Lohnkostenzuschüsse, Finanzierung der Ausstattung des Arbeitsplatzes oder Begleitung durch Fachpersonal im Betrieb. Trotzdem sind viele Unternehmen noch zu zögerlich. Hier braucht es stärkere Anreize. Insbesondere diejenigen, die keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, sollten stärker in die Tasche greifen müssen, wenn sie die Barrieren in ihren Köpfen nicht abbauen. Dazu sind wir ihnen gegenüber auch moralisch verpflichtet“, sagte Payandeh.
Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung sieht die Einführung einer vierten Staffel in der Ausgleichsabgabe vor, für Unternehmen mit einer Beschäftigungsquote von 0 Prozent. Der DGB fordert, die gesetzlich vorgesehene Abgabe für ausbleibende Beschäftigung schwerbehinderter Menschen sollte zügig und insgesamt angehoben werden (pro fehlendem Arbeitsplatz/Monat):
- bei einer Beschäftigungsquote von drei bis weniger als fünf Prozent von 125 auf 250 Euro,
- bei einer Beschäftigungsquote von zwei bis weniger als drei Prozent von 220 auf 500 Euro,
- bei einer Beschäftigungsquote von weniger als zwei Prozent von 320 auf 750 Euro,
- bei einer Beschäftigungsquote von null Prozent soll eine vierte Staffel in der Ausgleichsabgabe eingeführt werden und die Ausgleichsabgabe hier zukünftig bei 1.300 Euro liegen.
*Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (März 2022): Daten für das Jahr 2020.
Quelle: DGB-Bezirk Niedersachsen – Bremen – Sachsen-Anhalt, Pressemitteilung 04.05.2022
Seminar-Tipp
Im Herbst 2022 ist es wieder so weit: Vom 1. Oktober bis 30. November 2022 wird die SBV gewählt.
Bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl sind zahlreiche Vorschriften und Fristen zu beachten. Von deren genauer Einhaltung hängt das Gelingen der Wahl ab. In den Seminaren des Bildungswerk ver.di in Niedersachsen können sich Wahlvorstandsmitglieder bzw. Wahlleiter*innen auf ihre Aufgaben rund um die Wahl vorbereiten. Im Mittelpunkt stehen die gesetzlichen Vorschriften aus dem Sozialgesetzbuch IX und der Wahlordnung sowie deren praktische Umsetzung.
Verbändeappell
Zum Tag der Arbeit am 1. Mai 2022 appellierte ein breites Bündnis von Wohlfahrts- und Fachverbänden mit einem Grundsatzpapier an die Politik, dafür zu sorgen, dass mehr Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung finden.
Die unterzeichnenden Verbände, zu denen auch der Paritätische Gesamtverband gehört, setzen sich bei aller Verschiedenheit mit Blick auf ihre Aufgabenbereiche in einem gemeinsamen Papier für die Stärkung inklusiver Arbeit ein. Sie verstehen sich als aktive Akteure, die gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen sowie staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren den Prozess zur selbstbestimmten Teilhabe am Arbeitsleben weiterentwickeln wollen.
„Viel zu oft scheitert der Wunsch behinderter Menschen nach Arbeit in einem Betrieb daran, dass notwendige Unterstützung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Ich freue mich, dass hier der gemeinsame Wille deutlich wird, inklusives Arbeiten voran zu bringen“, erklärt Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands. „Menschen mit Behinderungen haben das Recht, durch Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen, wenn nötig eben mit der entsprechenden Unterstützung, z.B. durch spezifische Anleitung oder eine Assistenz. Hier ist noch viel Luft nach oben – gewachsene Strukturen zeichnen viel zu oft Wege vor, die nicht notwendig dem individuellen Wunsch entsprechen.“
Inklusive Arbeit als gleichberechtigte gemeinsame Arbeit von Menschen mit und ohne Behinderungen in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes ist möglich und muss entsprechend gefördert werden, so die Botschaft der Verbände. Menschen mit Behinderungen, engagierte Unternehmen, gemeinnützige Organisationen, Wohlfahrts- und Fachverbände wissen, wie es gelingen kann. Ein genereller Richtungswechsel zu inklusiver Arbeit stehe jedoch aus. Die unterzeichnenden Wohlfahrts- und Fachverbände sprechen sich dafür aus, diesen Prozess endlich mit hoher Priorität zu befördern. Unternehmensverbände, Gewerkschaften, Politik und Verwaltung seien mit aufgefordert, inklusive Arbeit entschieden voranzutreiben.
In der gemeinsamen Presseerklärung heißt es weiter:
Menschen mit Behinderungen können und wollen ohne jede Diskriminierung in Betrieben und Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten. Inklusives Arbeiten gelingt, wenn die jeweils individuell notwendige Unterstützung im Betrieb erfolgt. Der Anteil der Menschen mit Behinderungen in Arbeitslosigkeit und in besonderen Einrichtungen konnte in den letzten Jahren nicht gravierend gesenkt werden.
Passgenaue Leistungen für Menschen mit Behinderungen sind von zentraler Bedeutung, damit berufliche Teilhabe gelingt. Unflexible Strukturen, enge Zeit- und Finanzvorgaben verhindern inklusive Arbeit. Ein Paradigmenwechsel zur Teilhabeorientierung für alle Menschen mit Behinderung ist dringend erforderlich. Ein Arbeitsmarkt, der seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird, verfolgt nicht nur betriebswirtschaftliche Interessen, sondern behält die Menschen im Auge. Inklusion ist das Fundament für eine funktionierende demokratische Gesellschaft. Teilhabe am Arbeitsleben ist ein Menschenrecht. Worten und Absichtserklärungen müssen jetzt Taten folgen!
Link zum Appell: www.der-paritaetische.de
DGUV
Lärmprävention am Arbeitsplatz schützt nicht nur die Gesundheit von Beschäftigten, sondern kann ein Argument für die Personalerhaltung und -gewinnung in besonders lärmbelasteten Branchen sein. Zu dem Schluss kommt das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA). Dabei stützt es sich auf Ergebnisse seines Risikoobservatoriums, einer Befragung von mehr als 800 Fachleuten für Prävention. In 17 von 42 untersuchten Branchen ist Lärm demzufolge eine Belastung für die Beschäftigten. Gleichzeitig leiden 15 dieser Branchen unter bestätigtem Fachkräftemangel.
Weitere Informationen: www.dguv.de
ver.di-Bundesarbeitskreis (BAK) Teilhabe- und Behindertenpolitik
Zweimal im Jahr trifft sich der ver.di-Bundesarbeitskreis Behindertenpolitik/Schwerbehindertenvertretungen (BAK) in Berlin. Dieses Mal fand die Arbeitstagung am 4. und 5. Mai 2022 im ver.di-Bildungs- und Begegnungszentrum Clara Sahlberg, direkt am Wannsee gelegen, statt. Der ideale Ort für ein Wiedersehen der ehrenamtlichen Schwerbehindertenvertretungen aus den ver.di-Fachbereichen und -Landesbezirken sowie der hauptamtlich für dieses Politikfeld verantwortlichen Kolleg*innen, die dem Bundesarbeitskreis angehören. Und die sich pandemiebedingt natürlich auch zwei Jahre lang nur digital zu Gesicht bekommen hatten. Ein Höhepunkt der Tagung war das Gespräch mit Jürgen Dusel, dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen.
Weitere Informationen: www.arbeitsmarkt-und-sozialpolitik.verdi.de
www.reha-recht.de
In Vorbereitung auf eine im Jahr 2023 geplante empirische Studie zur Umsetzung des Budgets für Ausbildung im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts „Zugänglichkeit. Partizipation. Inklusion. Nachhaltige Teilhabe an Arbeit durch Recht“ (ZIP – NaTAR)“ nehmen die beiden Autorinnen Dr. Tonia Rambausek-Haß und Lea Mattern von der Humboldt-Universität zu Berlin in ihrem Beitrag eine Auswertung einschlägiger Literatur und verfügbarer Daten vor.
Mit dem Budget für Ausbildung soll die Lücke zwischen dem Schulabschluss und dem Budget für Arbeit geschlossen und damit eine weitere Alternative zu den Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen geschaffen werden. Dazu ist eine Erstattung der Ausbildungsvergütung sowie der individuellen Aufwendungen für die Anleitung und Begleitung in der Berufsschule und am Ausbildungsplatz vorgesehen.
Zunächst wird auf die Ausbildungssituation von Menschen mit Behinderungen und auf deren Unterstützungsmöglichkeiten und Leistungen im Ausbildungskontext eingegangen. Das Budget für Ausbildung wird bisher bundesweit nur in sehr geringem Umfang genutzt. Diskutiert werden u. a. Unklarheiten und Widersprüche bei den Anspruchsvoraussetzungen sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen des Budgets für Ausbildung.
Link zum Artikel auf https: www.reha-recht.de
Barrierefreiheit in Betrieb und Werkstatt
Die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation e. V. (DVfR) und das Zentrum für Sozialforschung Halle e. V. (ZSH) führen am 20. und 21. Juni 2022 eine Online-Fachtagung zur Barrierefreiheit in Betrieben und Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) durch. Schwerpunkte der Veranstaltung werden u. a. die barrierefreie Gestaltung der Arbeitsplätze und Arbeitsstätte sowie der Wahl von Schwerbehindertenvertretung (SBV) und Werkstattrat sein.
Die gelungene Planung und Gestaltung einer inklusiven Arbeitsumgebung in Betrieben und Werkstätten ist ohne eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit der verschiedenen Akteurinnen und Akteure nicht denkbar. Der stete technische Fortschritt eröffnet vielfältige Möglichkeiten, erfordert aber ebenso einen Kooperationsprozess. Detailfragen zum Abbau von Barrieren stellen sich auch bei der im Herbst 2022 anstehenden SBV-Wahl.
Ziel der interdisziplinären Fachtagung ist deshalb ein Wissenstransfer und Austausch rund um rechtliche Grundlagen der Barrierefreiheit in Betrieben und WfbM, praktische Problemlagen, Zuständigkeitsfragen, Impulse und Lösungsansätze. Vorträge und Diskussionen sollen anschließend in Workshops vertieft werden.
Weitere Informationen: www.reha-recht.de
Kritik
Bei knappen Kapazitäten in einer Pandemie soll künftig möglich sein, die intensivmedizinische Behandlung eines Menschen zugunsten eines Patienten mit einer höheren Überlebenschance abzubrechen. Das geht nach Informationen von ZEIT ONLINE aus einem Gesetzesvorschlag von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für den Schutz von Menschen mit Behinderungen in einer sogenannten Triagesituation hervor.
Wer dachte, der im März veröffentlichte Gesetzesentwurf zur Triage wäre eine Katastrophe, hat noch nicht den aktuellen Gesetzesvorschlag von Karl Lauterbach gesehen. Auf Druck von Justizminister Marco Buschmann wurde die Ex-post-Triage eingefügt. De facto bedeutet das, dass behinderte Menschen zwar im Falle einer Triage nicht benachteiligt werden dürfen. Jedoch können Patient*innen bereits begonnene Behandlungsmaßnahmen wieder entzogen werden, zugunsten eines Menschen mit höheren Überlebenschancen. Bisher galt so ein Vorgehen als Totschlag.
Die Grüne Corinna Rüffer hält das für nicht zumutbar. Behinderte Menschen müssten besser geschützt werden. Genau, wie das Bundesverfassungsgericht geurteilt habe. Siehe: www.zeit.de
Einen Tag später, am 9. Mai zog Minister Lauterbach nach einem Kritiksturm den Gesetzentwurf zur Triage zurück. Und verkündet plötzlich das Gegenteil von dem, was sein Vorschlag beinhaltete.
Siehe: www.tagesspiegel.de
Leander Palleit, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte erklärte am 12.05.2022:
„Die bislang bekanntgewordenen Regelungsvorschläge für Triage-Situationen des Bundesgesundheitsministeriums sind menschenrechtlich bedenklich.
Zwar soll die menschenrechtswidrige Ex-Post-Triage nun doch nicht kommen, aber es gibt noch andere Problempunkte im bisherigen Entwurf eines Triage-Gesetzes. In dieser Form wäre das Gesetz nicht geeignet‚ dafür Sorge zu tragen, dass jede Benachteiligung wegen einer Behinderung bei der Verteilung pandemiebedingt knapper intensivmedizinischer Behandlungsressourcen hinreichend wirksam verhindert wird, wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16.12.2021 (1 BvR 1541/20) formuliert hat. ………“
Siehe: www.institut-fuer-menschenrechte.de
Auf www.reha-recht.de sind die Kritiken von Der Paritätische und dem Verband Sonderpädagogik e. V. dokumentiert.
Nancy Poser auf www.zeit.de: Triage ist immer grausam. Doch wer nach Überlebenschance auswählt, diskriminiert. Allein: Das gerechtere Zufallsprinzip ist von vielen nicht gewollt.
Werner Feldes (ZsH)
Im Auftrag des Zentrums für Sozialforschung Halle (ZSH) beleuchtet eine explorative Studie Herausforderungen der Schwerbehindertenvertretung (SBV) im Kontext der Corona-Krise und stellt die daraus gezogenen Schlüsse und weiterführende Forschungsbedarfe vor.
Die Corona-Pandemie hat in der Arbeitswelt zu einem Digitalisierungsschub geführt, der auch die Arbeit der SBV verändert hat. Sie erforderte u. a. neue Wege der Kommunikation zwischen Vertrauenspersonen und Beschäftigten mit Behinderungen und anderen Akteuren im Betrieb. Ziel der im Mai 2021 durchgeführten Befragung von zehn SBVen war es, den bisher unerforschten Umgang mit den neuen Herausforderungen in der Praxis zu untersuchen.
Link zur Studie: www.zsh-online.de
Recht
Behinderte Menschen können Eingliederungshilfeleistungen für solche Kosten erhalten, die entstehen, weil sie bei einer Urlaubsreise auf eine Begleitperson angewiesen sind. Dies hat der 8. Senat des Bundessozialgerichts am 19. Mai 2022 entschieden (Aktenzeichen B 8 SO 13/20 R).
Der auf einen Rollstuhl angewiesene, behinderte Kläger beschäftigt zu seiner Pflege rund um die Uhr drei Assistenten. Er unternahm im Juli 2016 eine 7-tägige Schiffsreise auf der Nordsee mit zwei Landausflügen. Einen seiner Assistenten nahm er zur Sicherstellung seiner Pflege auf die Reise mit. Seine eigenen Reisekosten trug der Kläger selbst. Er machte gegenüber dem beklagten Sozialhilfeträger die Übernahme der Reisekosten für den Assistenten geltend, was dieser wie auch das Sozialgericht und das Landessozialgericht ablehnten.
Der 8. Senat hat das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zurückverwiesen, weil Feststellungen zur abschließenden Entscheidung fehlten. Der Senat wies jedoch darauf hin, dass Urlaubsreisen als Form der Freizeitgestaltung ein legitimes soziales Teilhabebedürfnis darstellen. Einen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger löst jedoch nicht schon das bei dem behinderten Menschen selbst bestehende Urlaubsbedürfnis aus, weil dieses bei nicht behinderten wie behinderten Menschen in gleicher Weise entsteht. Kosten für den eigenen Urlaub sind deshalb grundsätzlich nicht als Leistung der Eingliederungshilfe zu übernehmen. Anders kann es bei behinderungsbedingten Mehrkosten wie den Reisekosten einer notwendigen Begleitperson liegen. Denn mit diesen Kosten ist der behinderte Mensch allein aufgrund seiner Behinderung konfrontiert. Sie sind als Teilhabeleistung zu übernehmen, wenn sie vor dem Hintergrund der angemessenen Wünsche des behinderten Menschen notwendig sind. Der Wunsch eines behinderten Menschen, sich jährlich einmal auf eine einwöchige Urlaubsreise zu begeben, ist im Grundsatz als angemessen anzusehen. Dem Senat fehlten jedoch insbesondere Feststellungen dazu, ob dem Kläger die Buchung einer anderen, im Wesentlichen gleichartigen Reise möglich gewesen wäre, die geringere oder keine behinderungsbedingten Mehrkosten ausgelöst hätte.
Quelle: Bundessozialgericht, Pressemitteilung vom 20.05.2022
13. - 14. September 2022 in Hamburg
Mittlerweile ist auch diese Veranstaltung fester Bestandteil der Bildungsplanung vieler SBVen. Das ver.di-Forum Nord lädt in Kooperation mit dem Bildungswerk ver.di in Niedersachsen zur 4. Fachtagung für die SBVen in der kirchlichen Arbeitswelt nach Hamburg ein.
Die Arbeit der SBV wird komplexer und dynamischer. Im Arbeitsalltag spielen die rechtlichen und politischen Entwicklungen eine große Rolle. So stehen Veränderungen im Betrieblichen Eingliederungsmanagement, der Barrierefreiheit und auch der europäischen Rechtsprechung an.
Diese und weitere Themen werden in Vorträgen mit unseren Expertinnen und Experten gemeinsam mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Blick auf die tägliche Praxis erarbeitet. Alle Vorträge vermitteln Wissen, das für die Arbeit der SBV erforderlich ist.
Alle Infos, den Tagungsflyer und die Möglichkeit zur Anmeldung unter: www.verdi-forum.de
www.kobinet-nachrichten.org
Am 1. Mai 2002, also vor 20 Jahren, trat das von Behindertenverbänden hart und lange erkämpfte Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) des Bundes in Kraft. Das BGG, an dessen Entwicklung das Forum behinderter Juristinnen und Juristen entscheidend beteiligt war, bot in den darauffolgenden Jahren den Rahmen für die Verabschiedung von Landesgleichstellungsgesetzen für behinderte Menschen.
Link zum Bericht von Ottmar Miles-Paul auf www.kobinet-nachrichten.org
Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen
Jürgen Dusel: Der Europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, ist ein Tag der Zivilgesellschaft. Sie fordert das ein, was Politik und Gesellschaft umsetzen müssen: Mehr Inklusion und Barrierefreiheit in allen gesellschaftlichen Bereichen, und zwar ohne Wenn und Aber.
Meine Aufgabe ist es, innerhalb der Bundesregierung immer wieder deutlich zu machen, dass dies Querschnittsaufgaben sind, die alle Ressorts betreffen. Der Koalitionsvertrag der „Ampel-Regierung“ ist auch in Bezug auf diesen ressortübergreifenden Ansatz recht vielversprechend. Jetzt muss es jedoch darum gehen, diesen Vertrag auch konsequent umzusetzen. Für die kommende Legislaturperiode habe ich mir daher vorgenommen, mich im Schwerpunkt um sechs Themenfelder zu kümmern:
Barrierefreies Wohnen
Hier ist es wichtig, ausreichend bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum zu schaffen. Es darf keine einzige öffentlich geförderte Wohnung mehr geben, die nicht barrierefrei gebaut wird. Auch im privaten Sektor muss deutlich mehr barrierefrei gebaut werden.
Vor kurzem hat Bundesbauministerin Klara Geywitz das „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ gegründet, in dem auch ich beratendes Mitglied bin. Sie können sicher sein, dass ich die Relevanz von barrierefreiem Wohnraum deutlich bei allen Bündnispartnern platzieren werde. Mehr können Sie in den aktuellen Meldungen lesen.
Barrierefreie Mobilität
Sowohl im Öffentlichen Personennahverkehr als auch bei der Deutschen Bahn bzw. bei privaten Anbietern gibt es noch immer große Einschränkungen für Menschen mit Behinderungen. Beispiele sind der oft unflexible Mobilitätsservice der Deutschen Bahn, fehlende Blindenleitsysteme, Lautsprecherdurchsagen, visuelle Informationen, fehlende Informationen in Leichter Sprache. Meine Forderung ist, dass die klaren gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit eingehalten werden.
Gesundheit
Das Gesundheitssystem in Deutschland hat ein Qualitätsproblem: Es ist nicht barrierefrei. Dabei haben Menschen mit Behinderungen dasselbe Recht auf ortsnahe gesundheitliche Versorgung in derselben Bandbreite und derselben Qualität wie andere Menschen auch. Es gibt nicht nur bauliche Barrieren, sondern es geht auch um nicht barrierefreie Webseiten, fehlende Informationen in Leichter Sprache, Gebärdensprache oder vernünftige Blindenleitsysteme. Zu diesem Thema stehe ich in engem Austausch mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Familien mit chronisch kranken und schwerstbehinderten Kindern
Besonders Familien, in denen chronisch kranke und schwerstbehinderte Kinder leben, stehen unter großen Belastungen. Dabei geht es um die medizinische und pflegerische Grundversorgung des Kindes, aber auch die frühkindliche Förderung und Schulbegleitung. Die Pandemie hat gezeigt, wie schwierig es ist, wenn eingespielte Betreuungsstrukturen plötzlich wegbrechen, insbesondere für Eltern von pflegebedürftigen Kindern. Die gesetzlichen Leistungsansprüche sind zwar grundsätzlich gut, sie müssen aber viel niedrigschwelliger und unbürokratischer zu den Familien gebracht werden. Dafür möchte ich mich einsetzen.
Gewaltschutz
Menschen mit Behinderungen haben ein hohes Risiko, Opfer von Gewalterfahrungen in allen Lebensbereichen zu werden. Insbesondere das Thema Gewalt in Einrichtungen der Behindertenhilfe ist mir ein Anliegen. Rund 200.000 Menschen mit Behinderungen leben in Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe, rund 330.000 Menschen sind in Werkstätten für behinderte Menschen beschäftigt. Gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte werde ich in den kommenden Tagen konkrete Handlungsempfehlungen zum Gewaltschutz in Einrichtungen der Behindertenhilfe veröffentlichen. Folgen Sie hierfür gerne den Neuigkeiten auf unseren Social Media-Kanälen.
Thema Teilhabe am Arbeitsleben
Menschen mit Behinderungen profitieren systematisch weniger von Aufschwüngen am Arbeitsmarkt, zudem gibt es für sie eine größere Gefahr von Langzeitarbeitslosigkeit, besonders im Alter über 50. Auch die Corona-Pandemie zeigt: Die Arbeitsmarktsituation für Menschen mit Behinderungen erholt sich langsamer als für Menschen ohne Behinderungen. 2021 waren im Durchschnitt 172.484 Menschen mit Behinderung arbeitslos – erneut mehr als im Vorjahr. Daher braucht es vermehrt Anstrengungen auf dem Arbeitsmarkt, damit Menschen mit Behinderungen die Chancen erhalten, die sie brauchen. Zudem muss in dieser Legislatur die Ausgleichsabgabe erhöht und eine vierte Stufe eingeführt werden - für die beschäftigungspflichtigen Unternehmen, die keinen einzigen Menschen mit Schwerbehinderung einstellen.
Seit meiner erneuten Berufung ins Amt Anfang des Jahres konnte ich bereits zahlreiche Gespräche zu all diesen Themen führen und ich werde Sie wie immer über den Fortgang auf dem Laufenden halten.
Was mich und mein Team seit einigen Wochen natürlich auch bewegt, ist die Situation der Flüchtenden aus der Ukraine, insbesondere der Flüchtenden mit Behinderungen. Mir und meinen Kolleg*innen aus den Bundesländern war es von Beginn an wichtig, hier entsprechende Maßnahmen für eine gute Unterbringung und Versorgung zu ergreifen. Deswegen begrüße ich es sehr, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium für Gesundheit nun gemeinsam eine Kontaktstelle für aus der Ukraine geflüchtete Menschen mit Behinderungen und Pflegebedürftige geschaffen haben. Die Federführung in der Umsetzung hat das Deutsche Rote Kreuz.
Liebe Lese*innen, gerade in diesen Zeiten, in denen die Grundfesten unserer Demokratie immer wieder in Frage gestellt werden, ist es wichtig, sich eben auf diese zu besinnen und sie zu stärken. Und ein wichtiger Pfeiler ist für mich nach wie vor die Überzeugung, dass alle Menschen, egal woher sie oder ihre Familie kommen, welchem Geschlecht sie sich zuordnen, oder welcher Religion, oder ob sie mit einer Behinderung leben, die gleichen Chancen haben sollten. Inklusion voranzubringen, Inklusion zu stärken heißt gleichzeitig, unsere Demokratie zu stärken. Daher werde ich Sie auch in dieser Amtszeit nicht mit einem neuen Motto überraschen, denn das alte hat nach wie vor Gültigkeit: Demokratie braucht Inklusion.
Herzliche Grüße
Ihr Jürgen Dusel
Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen
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