Liebe Kolleginnen und Kollegen,
…… wir leben in merkwürdigen Zeiten, nicht nur mit Blick auf die schreckliche Situation in der Ukraine, dem Mordsystem im Iran, die Entwicklung in der Türkei und Syrien, Afghanistan, China und Katar, wo neulich fussballspielende Millionäre offensichtlich große Angst vor einer obskuren Vereinigung, der FIFA, hatten und statt eines Stückchen Stoff am Arm zu tragen, sich den Mund zuhielten. Vielleicht hätten die elf Männer, gleich den drei Affen , auch Augen und Ohren bedecken sollen…….. „Wer Fußball spielt, sollte unbedingt über ein Rückgrat verfügen“, erklärt Sportmedizinerin Lena Färberlein gegenüber dem Postillon.
Auch hierzulande müssen wir immer wieder merkwürdige Vorgänge zur Kenntnis nehmen. Letztes abschreckendes sozialpolitisches Beispiel: die Diskussion um das Bürgergeld, in der es die CDU/CSU zum wiederholten Mal geschafft hat, ganz nach rechts zu driften. Erwerbslosen werden niedere Beweggründe unterstellt und das „Lohnabstandsgebot“ müsse unbedingt erhalten bleiben, denn Arbeit müsse sich ja lohnen! Vergessen zu erwähnen haben Herr Merz und Co., dass der Abstand im Einkommen von Niedriglöhnern, aber auch normal Verdienenden, im Verhältnis zu den Konzernvorständen, zu den Millionären und Milliardären, zu den ohne Arbeit reich gewordenen Erben und den Kriegsgewinnlern immer größer wird! Wie wäre es, sich hier mal um das „Lohnabstandsgebot“ im Sinne des Erhalts der Demokratie zu kümmern? Wie wäre es, den Niedriglohnsektor abzuschaffen, der seit Jahren den Menschen im Lande deutlich macht, wie schnell man finanziell und damit sozial absteigen kann?
„Schon in wirtschaftlich stabilen Zeiten ist die Ungleichheit in Deutschland gestiegen. Die aktuelle Krise dürfte das Problem verschärfen“, bringt es die Verteilungsstudie der Hans-Böckler-Stiftung auf den Punkt. Armut gefährdet Demokratie und Rechtsstaat, heißt es in der Studie weiter, denn das Vertrauen in Parteien, Regierung Justiz und Polizei schwindet häufig mit dem sozialen Abstieg. Wer gesellschaftliche Teilhabe erschwert oder unmöglich macht, bringt die Grundfeste des demokratischen Miteinanders in Gefahr!
Die Demokratie, wie ich sie verstehe,
muss den Schwächsten die gleichen Chancen zusichern wie dem Stärksten.
(Mahatma Gandhi | 1869 - 1948)
Der Bundestag hat nun am 10. November das sogenannte Triage-Gesetz beschlossen. Nach Meinung vieler Kritiker*innen bleibt es ein Selektionsgesetz, ein unwirksames Placebo oder Purer Etikettenschwindel (taz) und für das Deutsche Institut für Menschenrechte stellt das Gesetz sogar die Gleichwertigkeit allen menschlichen Lebens in Frage. Man kann nur hoffen, dass die nun getroffenen Regelungen niemals zum Zuge kommen müssen. Ottmar Miles-Paul zollt auf kobinet-nachrichten.org den Abgeordneten der Regierungskoalition Respekt, die gegen dieses Gesetz gestimmt haben
Ich will nicht nur meckern, sondern auch Positives zur Kenntnis geben. So ist in Niedersachsen durch das Verhandlungsgeschick der LAGSV nach lang andauerndem Prozess die Schwerbehindertenrichtline novelliert worden und das mit neuen und zeitgemäßen Formulierungen, die jetzt in den Dienststellen des Landes mit Leben gefüllt werden müssen.
Die Anregung eines Kollegen nehme ich gern auf und weise in dieser Ausgabe auf den „Vorsorge-Ordner“ hin, der im Falle des Falles Angehörigen, wie auch Betroffenen wertvolle Hilfe leistet.
Der ver.di-Landesarbeitskreis Teilhabe- und Behindertenpolitik fordert zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung: die Landesverwaltung muss als Arbeitgeber deutlich inklusiver werden. Die Pressemeldung vom 2. Dezember gibt es in dieser Ausgabe.
Einem interessanten Thema widmet sich „Die neue Norm“: Allyship (Verbündete)! Sich für andere einsetzen und sich selbst dabei trotzdem nicht in den Mittelpunkt stellen, das ist Allyship. Bei Allyship geht es darum, die eigenen Privilegien zu nutzen, um Räume für andere zu schaffen. Spannend!
Es fällt schwer, in diesen Zeiten eine besinnliche Adventszeit zu wünschen. Doch das Adjektiv „besinnlich“ bedeutet ja: der Besinnung dienend. Wir sollten uns darauf besinnen, die unter Krieg, Hunger und Klimakatastrophen leidenden Menschen und den Hilfesuchenden in unserer direkten Umgebung nicht zu vergessen und zu unterstützen! Wem es möglich ist: Ein Weihnachtsgeschenk weniger und den Geldwert an eines der Hilfswerke gespendet, kann auch die Besinnlichkeit fördern!
Werte kann man nicht lehren, sondern nur vorleben.
(Viktor Frankl | Neurologe und Psychiater | 1905 - 1997)
In diesem Sinne wünsche ich allen Leser*innen des InfoBriefs und denen, die es werden wollen eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit. Bleibt gesund und widerständig.
Das rät mit den besten Grüßen
Jürgen Bauch
WfbM
2018 sind mit dem BTHG die neuen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Kraft getreten, die Menschen mit Behinderungen den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Seit diesem Jahr gibt es zudem das Budget für Ausbildung. Bisher werden diese Leistungen jedoch nur in geringem Umfang genutzt. In der Kritik steht außerdem schon lange das Entgeltsystems in den WfbM, da Menschen mit Behinderungen trotz Vollzeitarbeit oft auf Grundsicherung angewiesen sind. Der Bundesverband Lebenshilfe e.V. fordert in einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier eine Reform der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Wir haben die wichtigsten Inhalte für Sie zusammengetragen.
Link zum Positionspapier: www.umsetzungsbegleitung-bthg.de
ver.di
Zum internationalen Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember fordert der Landesarbeitskreis Teilhabe- und Behindertenpolitik im ver.di-Landesbezirk Niedersachsen Bremen die neue Landesregierung zu mehr inklusiver Teilhabe in Arbeit im Landesdienst auf. Laut einer aktuellen Studie der Böckler-Stiftung, erfüllen 40 Prozent der privatwirtschaftlichen Betriebe und 20 Prozent der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst in Deutschland die gesetzliche Mindestbeschäftigungsquote von fünf Prozent schwerbehinderter Menschen bislang nicht. Auch das Land Niedersachsen hat diese Quote in den vergangenen zehn Jahren regelmäßig nicht erreicht – wenn auch zumeist nur knapp. „Die Landesverwaltung ist ein bedeutender Arbeitgeber mit vielen tausend Beschäftigten in Niedersachsen. Sie muss hier endlich ihre Hausaufgaben machen“, sagt Matthias Hoffmann von der Gewerkschaft ver.di.
Die Rot-Grüne Landesregierung dürfe nicht nur Erwartungen an andere formulieren, sie müsse vielmehr als Vorbild auftreten und schwerbehinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe und Inklusion ermöglichen, vor allem auch in Arbeit. „Dazu braucht es auch eine umfassende Barrierefreiheit, die räumliche, wie digitale Hürden wirkungsvoll beseitigt“, sagt Hoffmann. Wenn mehr schwerbehinderte Menschen im Landesdienst beschäftigt würden, als bislang, könne das selbstgesteckte Ziel des Aktionsplans Inklusion in Niedersachsen künftig auch im eigenen Verantwortungsbereich umgesetzt werden.
„Null Toleranz für Null-Beschäftiger“, hat der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, in diesem Jahr gefordert. Der Landesarbeitskreis Behinderten- und Teilhabepolitik in Niedersachsen und Bremen schließt sich dieser Forderung an. Er begrüßt den Vorstoß nach einer deutlichen Erhöhung der Zahlungen in den vorhandenen drei Stufen der Ausgleichsabgabe für Betriebe, die nicht ausreichend schwerbehinderte Menschen beschäftigten. Zudem müsse eine vierte Stufe für die Arbeitgeber eingeführt werden, die sich ihrer Pflicht völlig entzögen.
ver.di setzt sich in allen Belangen zur Verwirklichung der Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention ein und verfolgt insbesondere die berufliche Teilhabe und den Abbau von bestehenden Barrieren auch künftig intensiv weiter.
Quelle: Pressemeldung vom 2. Dezember, Rückfragen: Matthias Hoffmann 0151 14270509
Inklusionsbeirat
Der Inklusionsbeirat der Staatlichen Koordinierungsstelle fordert eine vierte Staffel der Ausgleichsabgabe und hat dazu ein Positionspapier veröffentlicht.
Arbeitgeber mit mehr als 20 Arbeitsplätzen sind gesetzlich verpflichtet, fünf Prozent ihrer Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Rund ein Viertel aller beschäftigungspflichtigen Arbeitgeber, in der Summe über 44.000 Unternehmen in Deutschland, beschäftigen jedoch keinen einzigen Menschen mit Schwerbehinderung. Um die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen weiter zu stärken und die Arbeitgeber dazu anzuhalten, ihre gesetzliche Verpflichtung zu erfüllen, ist aus Sicht des Inklusionsbeirats die Einführung einer vierten Staffel bei der Ausgleichsabgabe erforderlich. Die Regierungsparteien hatten sich bereits im Koalitionsvertrag auf eine vierte Staffel verständigt. Der Inklusionsbeirat fordert, dies nun zeitnah umzusetzen.
Das komplette Positionspapier hier als PDF-Download
Die staatliche Koordinierungsstelle nach Art. 33 UN - Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bindet Menschen mit Behinderungen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft in die Umsetzung der UN-BRK in Deutschland ein. Die Koordinierungsstelle ist somit die Schnittstelle zwischen der Zivilgesellschaft und der staatlichen Ebene. Sie ist mit Vertreter*innen von bundesweit agierenden Verbänden von Menschen mit Behinderungen besetzt. Zentrales Gremium ist der Inklusionsbeirat.
Niedersachsen
Seit dem 14. Oktober gilt in Niedersachsen die novellierte Fassung der Schwerbehindertenrichtlinie (SchwbRl). Die Landesarbeitsgemeinschaft der Schwerbehindertenvertretungen bei den obersten Landesbehörden (LAGSV) konnte damit nach lang andauernden Verhandlungen in Zusammenarbeit mit ver.di und dem DGB etliche Verbesserungen erreichen. Nach langen Jahren, in denen die SchwbRl hinter gesetzlichen Bestimmungen und der UN-BRK hinterher hinkten, haben die Kolleginnen und Kollegen der LAGSV nun einen echten Erfolg verbuchen können!
So ist die LAGSV künftig bei allen ressortübergreifenden Angelegenheiten, die die schwerbehinderten Beschäftigten berühren, zu informieren und sie hat das Recht zu einer Stellungnahme. So ist sichergestellt, dass erstmals seit Bestehen der LAGSV diese unter Beteiligung der jeweils zuständigen Hauptschwerbehindertenvertretung verbindlich zu informieren und einzubeziehen ist.
Weitere wichtige Ergänzungen und Präzisierungen zugunsten der schwerbehinderten Beschäftigten und deren Vertretungen (SBVen) konnten u. a. in nachfolgenden Ziffern der SchwbRl erreicht werden (ohne Gewähr auf Vollständigkeit und etwaige inhaltliche Abweichungen):
1.1 ausdrückliche Anwendung der SchwbRl auch für Beamte aufgenommen
3.1 für Besetzung freier Arbeitsplätze ausdrücklich auch Gleichgestellte aufgenommen
3.2 Berufsbildungsgesetz und Ausbildungstarifverträge aufgenommen
3.4 Budget für Arbeit und Ausbildung als Förderinstrument neu aufgenommen
3.6 Einbeziehung der SBV bei Stellenbesetzungsverfahren und Nennung deren Kontaktdaten gegenüber allen Bewerbern/innen, um Kontaktaufnahme mit der SBV zu erleichtern
4. Nachteilsausgleich bei Prüfungen konkretisiert und den unpassenden Duktus „Erleichterung“ entfernt
6.2 Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung Schwerbehinderter erstmals verbindlich aufgenommen
6.5 Telearbeit und mobiles Arbeiten an die aktuelle 81er-Vereinbarung angepasst sowie ausdrücklich das Verfahren zur Erlangung und Förderung einer behinderungsgerechten IT- und Büro-Ausstattung aufgenommen
6.6 bei Neu- und Umbauten, Arbeitsräume auch Gebäudeteile einbezogen
6.7 beim Arbeitsplatzwechsel Darlegungspflicht der Dienststelle gegenüber Beschäftigten und SBV festgelegt, wenn berechtigten Wechselwünschen nicht entsprochen werden kann
6.9 bei der Informations- und Kommunikationstechnik die verbindliche barrierefreie Nutzung durch die Mitarbeitenden festgeschrieben
8. bei dienstlichen Beurteilungen konkretisiert, dass nur die behinderungsbedingten Auswirkungen relevant sind und nicht die Behinderung oder das Leiden offenzulegen ist
9.6 Berechnung des Zusatzurlaubs von schwerbehinderten Beschäftigten bei Beginn oder Beendigung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses im Urlaubsjahr völlig überarbeitet
12.1 die Regelung zu Inklusionsbeauftragter/n überarbeitet, um auch für diejenigen Dienststellen, die keine eigene Beauftragten haben eine Lösung zusammen mit anderen Dienststellen vor Ort zu ermöglichen
Die Aufnahme von Verhandlungen zu einer Vereinbarung nach NPersVG §81 ist vereinbart.
Die SchwbRL sind im Nds. Ministerialblatt veröffentlicht: www.mi.niedersachsen.de
Quelle: LAGSV
Aus dem Bundestag
Zum Abschluss ihres 64. Treffens am 3. und 4. November haben die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern in ihrer „Erfurter Erklärung für einen inklusiven Arbeitsmarkt 2030“ Forderungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt gestellt und Wege dorthin aufgezeigt. Die Beauftragten sind der Auffassung, dass es verstärkter Anstrengungen, Impulse und Instrumente für die Erreichung eines inklusiven Arbeitsmarktes bedarf.
Jürgen Dusel dazu: „1,3 Millionen schwerbehinderte Menschen sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt, sie machen jeden Tag einen guten Job. Es ist ein Vorurteil, dass Menschen mit Behinderungen nicht leistungsfähig sind, ich bin der festen Überzeugung: Es gibt keinen einzigen Arbeitsplatz, der nicht von einem Menschen mit Behinderung gut ausgefüllt werden kann - wenn die Rahmenbedingungen stimmen.“ Dusel weiter: „Um Wege in eine gute Beschäftigung zu ermöglichen, müssen sowohl der Gesetzgeber als auch die Arbeitsverwaltung im Blick haben, dass Menschen mit Behinderungen zunächst einen Anspruch auf Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben. Darüber hinaus muss sich die Situation für Menschen mit Behinderungen in den Werkstätten deutlich verbessern. Deswegen ist es gut, dass die Bundesregierung beispielsweise das Entgeltsystem reformieren will - das ist längst überfällig. Weitere Maßnahmen haben wir gestern und heute in Erfurt diskutiert.“
Joachim Leibiger, Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderungen des Freistaats Thüringen, wies auf jahrelange Debatten über die Zukunft der Werkstätten mit Behinderung hin. Es sei „Zeit, mutige Schritte zu gehen, die die Menschen mitnehmen und gleichzeitig zu mehr Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt führen. Die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sollten sich weiterentwickeln. Den Inklusionsbetrieben könnte zukünftig eine zentralere Rolle zukommen. Es muss die Vision eines inklusiven Arbeitsmarktes 2030 verfolgt werden“, so der Landesbeauftragte.
An der Tagung nahmen zudem hochrangige Gäste teil: Neben dem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow auch die Präsidentin des Thüringer Landtags Birgit Pommer. Zahlreiche Fachvorträge rundeten das Programm ab.
Die Forderungen der Erfurter Erklärung beziehen sich auf drei Bereiche:
- Werkstätten für behinderte Menschen
- Inklusionsbetriebe
- Inklusives Arbeits- und Sozialrecht
PDF-Download der Erfurter Erklärung: www.behindertenbeauftragter.de
Resolution
Eine Beseitigung der kirchlichen Privilegien im Arbeitsrecht würde auch für die SBVen in diesen Bereichen ein Gewinn von Handlungsfähigkeit bedeuten.
Die 220 Teilnehmer*innen der 20. Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht in Kassel haben die Bundesregierung aufgefordert, die Privilegien der Kirchen beim Arbeitsrecht zu beseitigen. »Wir fordern ausnahmslos die gleichen Rechte, wie unsere Kolleg*innen in nichtkirchlichen Betrieben«, heißt es in einer mit großer Mehrheit verabschiedeten Resolution der Mitarbeitervertreter*innen aus dem ganzen Bundesgebiet. »Zum ersten Mal will eine Regierungskoalition auf Bundesebene das kirchliche Sonderrecht auf den Prüfstand stellen«, sagte Tobias Warjes von der Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaften und Gesamtausschüsse der Mitarbeitervertretungen in der Diakonie (buko agmav + ga) mit Bezug auf den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. »Es ist völlig klar, dass die rund 1,8 Millionen kirchlichen Beschäftigten und ihre Interessenvertretungen in den Dialog einbezogen werden müssen. Schließlich geht es um ihre grundlegenden Rechte, die von der Kirche infrage gestellt werden.«
Ein ausführlicher Bericht und die Resolution findet man hier: www.gesundheit-soziales-bildung.verdi.de
Triage-Gesetz
Der Gesundheitsausschuss hat die geplante Triage-Regelung gebilligt. Für die Vorlage der Bundesregierung zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) (20/3877) votierten am Mittwoch im Ausschuss die Koalitionsfraktionen. Die Opposition lehnte den in den Beratungen noch veränderten Gesetzentwurf ab. Die Novelle soll am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden.
Mit dem Gesetz reagiert die Bundesregierung auf die sogenannte Triage-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das Gericht hatte im Dezember 2021 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie entschieden, dass sich aus dem Grundgesetz für den Staat der Auftrag ergibt, Menschen mit Behinderung bei knappen intensivmedizinischen Kapazitäten vor Benachteiligung zu bewahren.
In der Vorlage heißt es, der Gesetzentwurf diene dazu, das Risiko einer Benachteiligung insbesondere aufgrund einer Behinderung bei der Zuteilung aufgrund einer übertragbaren Krankheit nicht ausreichend vorhandener überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten zu reduzieren. Demnach darf die Zuteilungsentscheidung nur nach der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patienten getroffen werden.
Mit der Neuregelung werde klargestellt, dass bei der Zuteilungsentscheidung niemand benachteiligt werden dürfe, insbesondere nicht wegen einer Behinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. Der Entwurf enthält ferner Regelungen zum Verfahren bei der Zuteilungsentscheidung.
Der Ausschuss beschloss in den Beratungen drei Änderungsanträge. So wird konkretisiert, wann überlebenswichtige intensivmedizinische Behandlungskapazitäten in einem Krankenhaus nicht ausreichend vorhanden sind. Ferner sollen Krankenhäuser dazu verpflichtet werden, eine Zuteilungsentscheidung unverzüglich der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde anzuzeigen. Zudem ist eine Evaluation der Neuregelung geplant.
hib – heute im bundestag | Nr. 633 | Mittwoch, 9. November 2022
Kritik
Der Deutsche Bundestag hat am 10. November 2022 das Zweite Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gebilligt, mit dem Menschen mit Behinderungen in Triage-Situationen besser vor Benachteiligungen geschützt werden sollen. In einer Anhörung und in Stellungnahmen zum Gesetzentwurf haben Behindertenverbände und Ärztevertreter die Neuregelung kritisiert. Auch die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern haben Bedenken geäußert und fordern eine zeitnahe Evaluation.
Die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern haben in einer gemeinsamen Erklärung vom 9. November 2022 auf schwerwiegende Diskriminierungsrisiken zu Lasten von Menschen mit Behinderungen im Gesundheitswesen hingewiesen und Zweifel daran geäußert, dass die Neuregelung zur Triage einen wirksamen Schutz vor Benachteiligung biete.
Quelle: www.reha-recht.de
G-BA
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 18. August 2022 die Erstfassung der Richtlinie über den Personenkreis von Menschen mit Behinderung, die eine Begleitung im Krankenhaus aus medizinischen Gründen benötigen, nach § 44b Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) beschlossen.
Link zum Beschlusstext: www.g-ba.de
Aus dem Bundestag
Die Behandlung von Patienten mit einer HIV-Infektion ist nach Angaben der Bundesregierung erfolgreich. Im Jahr 2020 hätten sich in Deutschland mehr als 95 Prozent der Menschen mit einer diagnostizierten HIV-Infektion in antiretroviraler Therapie befunden, heißt es in der Antwort (20/4348) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/4177) der CDU/CSU-Fraktion.
In mehr als 95 Prozent der Fälle sei die antiretrovirale Therapie auch erfolgreich, wodurch eine weitere Übertragung von HIV fast vollkommen unterbunden werden könne. Die Bundesregierung strebe gemeinsam mit den Ländern an, auch die dritte Zielsetzung des UN-Programms UNAIDS, wonach 95 Prozent aller Menschen, die mit HIV infiziert sind, ihre Diagnose kennen, zu erreichen.
hib – heute im bundestag | Nr. 645 | Donnerstag, 10. November 2022
Die Neue Norm
Sich für andere einsetzen und sich selbst dabei trotzdem nicht in den Mittelpunkt stellen, das ist Allyship. Was noch alles dazu gehört, ein*e gute*r Ally zu sein, das wird im Bayern2-Podcast thematisiert. Zu Gast ist Silke Georgi, Allyship-Expertin und Leiterin des Projekts Jobinklusive.
Link zur Website Die Neue Norm: www.dieneuenorm.de
Medien-Tipp
Menschen mit Behinderungen stoßen auf viele Barrieren – besonders auf dem Arbeitsmarkt. Oft sind sie gut ausgebildet, aber im Vergleich zu anderen Menschen überproportional erwerbslos. Was muss sich ändern, damit alle gleichwertig arbeiten können?
Ein hörenswertes Feature aus der Serie „Zeitfragen“ im Deutschlandfunk Kultur: www.deutschlandfunkkultur.de
ver.di-Forum Nord & Bildungswerk ver.di in Niedersachsen
Bereits zum 12. Mal findet unsere SBV-Fachtagung mit den Schwerpunkten: „Arbeitsrecht, Sozialrecht, rechtliche Entwicklung im SGB IX und Bundesteilhabegesetz für die Alltagsarbeit der SBV und die betrieblichen Interessenvertretungen statt.
Auch in diesem Jahr haben wir Expert*innen des Arbeits- und Sozialrechts als Referentinnen und Referenten gewinnen können, die für die Arbeit der SBV und der betrieblichen Interessenvertretungen erforderliche Kenntnisse vermitteln.
In Vorträgen, Diskussionen und Workshops werden die speziellen Probleme der SBV thematisiert, gemeinsam bearbeitet und vertieft.
Wir, das ver.di-Forum Nord und das Bildungswerk ver.di in Niedersachsen, freuen uns auf eine interessante Fachtagung, spannende Redebeiträge und vor allem angeregte Diskussionen im H4 Hotel Berlin Alexanderplatz, Karl-Liebknecht-Str. 32, 10178 Berlin.
Das vollständige Programm und den Flyer finden Sie auf der Webseite von ver.di-Forum Nord.
Es sind noch Plätze frei - Bitte nutzen Sie unsere Online-Anmeldung oder unser Anmeldeformular für dieses Seminar.
Vorsorge-Ordner
Mit den Themen Krankheit und Tod setzen wir uns nur ungern auseinander. Allein der Gedanke, krank, hinfällig, hilflos und auf die Entscheidungen anderer Menschen angewiesen zu sein, kurz: kein selbstbestimmtes Leben mehr führen zu können, schreckt viele Menschen ab, sich mit diesen Lebenssituationen zu beschäftigen.
Die zumeist unzureichende Vorbereitung für den Fall der schweren Erkrankung oder gar des eigenen Ablebens hat häufig zur Folge, dass Angehörigen und Freund*innen eine schwere Bürde auferlegt wird. Neben der Belastung durch den (drohenden) Verlust eines geliebten Menschen und dem notwendigen bürokratischen Aufwand sind auch noch fundamentale Entscheidungen im Sinne der Erkrankten oder Verstorbenen zu treffen: Wen möchten die Betroffenen am Krankenbett noch sehen oder wird eine Feuer- oder Erdbestattung gewünscht? Wer für den Fall von Krankheit und Tod vorsorgt, entscheidet sich nicht nur für Selbstbestimmung über den Tod hinaus, sondern entlastet auch Angehörige und Freunde und Freundinnen. Die Trauer um einen geliebten Menschen soll möglichst nicht noch mit Papierkrieg erschwert werden.
Die Broschüre „Krankheit und Todesfall - was tun?“ kann bei ver.di bestellt werden.
Darüber hinaus gibt es auf der „Vorsorge-Website“ einzelne Blätter als PDF-Download, mit denen man einen strukturierten Vorsorge-Ordner anlegen kann. Alle wichtigen Vollmachten, Patientenverfügung, Daten, medizinische Informationen, laufende Verträge und Mitgliedschaften bis hin zum Testament können individuell mit Inhalt gefüllt werden. Wichtig: der Ordner gehört nicht in den Tresor!
Aus dem Bundestag
Das Nebeneinander von Bundes- und Landesrecht beeinträchtigt die Transparenz darüber, was gilt, und insbesondere über die Rechtsschutzmöglichkeiten. Das ist eine der Aussagen aus der Evaluierung des novellierten Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG), die nun als Unterrichtung durch die Bundesregierung (20/4440) vorgelegt wurde.
Darin heißt es zu der rechtswissenschaftlichen Evaluation weiter: „Eine engere Kooperation und Abstimmung von Bund und Ländern in der Behindertengleichstellung ist sinnvoll.“ Die Landes- und Kommunalverwaltung sei oft der erste Kontakt von Bürgerinnen und Bürgern mit dem Staat. Sie sei auch zentral für das Sozialrecht. „Die bundesweit geltenden Regeln im SGB I und SGB X (Erstes und zehntes Sozialgesetzbuch) sorgen hier für mehr Gemeinsamkeit bei der Regelung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Zwischen verschiedenen geltenden Landesbehindertengleichstellungsgesetzen bestehen hingegen erhebliche Unterschiede. Besonders augenfällig ist das in Bayern, Hessen und Sachsen, die ihre Kommunen und damit auch Träger der Sozialverwaltung nur eingeschränkt an ihre Behindertengleichstellungsgesetze binden.“
Viele Menschen mit Behinderung würden sich in privaten Rechtsverhältnissen diskriminiert und benachteiligt sehen, sei es von Arbeitgebern, Vermietern, Anbietern von Waren und Dienstleistungen oder Gesundheitseinrichtungen. „Eine Abstimmung des BGG mit den zivilrechtlichen Gesetzen wie dem AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) und dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ist deshalb dringend notwendig, zumal diese Gesetze nur zusammen das EU-Recht und die UN-BRK (UN-Behindertenrechtskonvention) umsetzen.“
Die Effektivität des BGG könne dabei auch profitieren, wenn es mit zivilrechtlichen Mitteln durchsetzbar werde, so durch die Schwerbehindertenvertretungen im Arbeitsrecht und die Unterlassungsklagen im Verbraucherschutz. Die Antidiskriminierungsstellen könnten auch für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hilfreich sein, schreiben die Wissenschaftler.
hib – heute im bundestag | Nr. 658 | Montag, 14. November 2022
Interview
Interview mit dem Bundesbehindertenbeauftragten Jürgen Dusel im DSW-Journal 4/2022 des Deutschen Studentenwerks; Schwerpunktthema der Ausgabe: Anspruch und Wirklichkeit der Inklusion im deutschen Hochschulsystem
„Es muss zur Corporate Identity einer Hochschule gehören, dass sie künftig für alle offen ist, die dort bisher auf Barrieren treffen“: Das sagt Jürgen Dusel, der Bundesbehinderten-beauftragte, in der neuen Ausgabe 4/2022 des DSW-Journals, dem politischen Magazin des Deutschen Studentenwerks (DSW).
Weitere Informationen: www.studentenwerke.de
Hans-Böckler-Stiftung
Menschen mit Behinderung bewegen sich in einer Umwelt, die ihnen mit einer Vielzahl an Barrieren begegnet. Besonders hoch sind sie in Bereichen wie der Arbeitswelt, bei der Versorgung mit barrierefreiem Wohnraum oder im Öffentlichen Personenverkehr. Aber auch im Kontakt mit Behörden werden häufig die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung nicht ausreichend berücksichtigt – obwohl das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung (BGG) der Bundesverwaltung schon seit Jahren vorschreibt, Teilhabe und Gleichberechtigung sicherzustellen.
Bei vielen Beschäftigten in Behörden sind seine Anforderungen und wichtige Hilfsmittel wie beispielsweise die Verwendung Leichter Sprache wenig bekannt, Dolmetscherinnen und Dolmetscher für Gebärdensprache oft nicht verfügbar. Auch in der Rechtsprechung spielt das BGG bislang kaum eine Rolle. Neben Schulungen für die Praxis wäre es dringend nötig, das BGG besser mit dem Zivil- und dem Sozialrecht zu verzahnen. Auch eine Stärkung des Verbandsklagerechts im BGG wäre sinnvoll. Das ergibt die jetzt veröffentlichte Evaluation des Gesetzes, an der das Hugo Sinzheimer Institut für Arbeits- und Sozialrecht (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung beteiligt ist.
Weitere Informationen und den Link zum Download der Evaluation gibt es hier: www.boeckler.de
Veranstaltungs-Tipp
Der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und sein Projekt agnes@work – Agiles Netzwerk für sehbeeinträchtigte Berufstätige – veranstalten im kommenden Jahr die Fachtagung „Perspektiven der digitalen Arbeitswelt – Beschäftigungs- und Weiterbildungschancen für Menschen mit Behinderungen“.
Weitere Informationen gibt es hier: www.agnes-at-work.de
Corona-Sonderregelung
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat seine Corona-Sonderregelung zur telefonischen Krankschreibung bis 31. März 2023 verlängert. Ohne diesen Beschluss wäre die Sonderregelung zur Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit zum 30. November 2022 ausgelaufen. Nun gilt weiterhin: Versicherte, die aufgrund einer leichten Atemwegserkrankung arbeitsunfähig sind, können nach telefonischer Anamnese bis zu 7 Tage krankgeschrieben werden. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte befragen die Patientin oder den Patienten dabei am Telefon zu ihren Beschwerden und bescheinigen dann gegebenenfalls die Arbeitsunfähigkeit. Eine Verlängerung der Krankschreibung auf telefonischem Wege ist einmalig für weitere 7 Kalendertage möglich.
Aus dem Bundestag
Im Jahr 2022 werden rund 1,8 Milliarden Euro investiert, um Bahnhöfe neu zu bauen oder zu modernisieren. Das teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/4301) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (20/3216) unter Bezugnahme auf Auskünfte der Deutschen Bahn AG (DB AG) mit.
Jährlich würden rund 100 Bahnhöfe beziehungsweise 150 Bahnsteige der DB Station & Service AG, die rund 95 Prozent der Bahnhöfe betreibt, barrierefrei umgebaut, heißt es in der Antwort. Fördermittel von Bund und Ländern unterstützten den barrierefreien Ausbau. Zwischen 2012 bis 2021 seien rund 4,7 Milliarden Euro in Investitionsprojekte an Stationen mit erfolgten Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit investiert worden. In den Jahren 2023 bis 2030 seien Investitionsprojekte im Umfang von 15,6 Milliarden Euro geplant.
Zur Beantwortung der Frage, welche Bahnhöfe und Haltepunkte bis 2026 zu uneingeschränkt barrierefreien Bahnhöfen umgebaut werden, heißt es in der Antwort: Die Maßnahmenplanung erfolge bahnsteigbezogen, da sich die Bahnsteige eines Bahnhofs in ihrem technischen Zustand unterscheiden würden. „In rund 750 Stationen wird bis zum Jahr 2026 mindestens ein Bahnsteig vollständig barrierefrei umgebaut“, schreibt die Bundesregierung. Die genauen Standorte könnten erst im Zusammenhang mit der Vorbereitung der jeweiligen Ausschreibungsverfahren der Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit abschließend benannt werden.
Zentrale Themen, wie etwa die Fortschreibung des Bauregelwerks „Personenbahnhöfe planen und bauen“, werden der Antwort zufolge mit den vom Deutschen Behindertenrat benannten Vertretern der Behindertenverbände in der Arbeitsgruppe zu den Barrierefreiheitsprogrammen der DB AG abgestimmt. Bei Bauprojekten bildeten das abgestimmte Regelwerk und die entsprechenden Baustandards die verbindliche Vertragsgrundlage für Planungs- und Bauleistungen. In der Planungsphase von Bauprojekten würden örtliche Institutionen mit Interessenvertretungen der Behindertenverbände eingebunden, wenn örtliche Besonderheiten dies erforderlich machen. Auch bei Planfeststellungsverfahren für Bauplanungen im Bereich der Bahnhöfe würden diese Institutionen beteiligt, teilt die Bundesregierung mit.
hib – heute im bundestag | Nr. 686 | Freitag, 25. November 2022
Rechtsgutachten
Der zunehmende Einsatz künstlicher Intelligenz stellt das Arbeitsrecht vor Herausforderungen, unter anderem beim Daten- und Diskriminierungsschutz, in Haftungsfragen oder bei der Entscheidung, ob eine Person abhängig beschäftigt ist oder selbständig.
Wo Aufgaben für die Gesetzgebung liegen und in welche Richtung Lösungen gehen können, hat der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Bernd Waas in einem neuen Gutachten für das Hugo-Sinzheimer-Institut (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung untersucht. Ein zentrales Ergebnis: Wenn Arbeitgeber Algorithmen zwischenschalten, wird Mitbestimmung der Beschäftigten noch wichtiger, so der Juraprofessor an der Universität Frankfurt/Main.
Schöne neue Arbeitswelt: Was künstliche Intelligenz (KI) möglich macht, dürfte manchem Arbeitgeber traumhaft vorkommen, vielen Beschäftigten eher wie ein Alptraum. Auf dem amerikanischen Markt ist etwa eine Software, die Videointerviews mit Bewerberinnen und Bewerbern im Hinblick auf Wortwahl, Tonfall, Mimik und Körpersprache analysiert und daraus auf Persönlichkeitsmerkmale schließt. In den USA werden Callcenter-Beschäftigte im Homeoffice per Kamera überwacht, Gespräche von einem Programm aufgezeichnet, das die Kundenstimmung und das Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Echtzeit analysiert und entsprechende Anweisungen erteilt. Im Transportwesen messen Sensoren an LKW nicht nur ununterbrochen den Standort, das Brems- und Beschleunigungsmuster, Fahrspurwechsel, Geschwindigkeit und Anschnallverhalten, es gibt auch Kameras und Mikrofone, die Aktivitäten der Beschäftigten in der Fahrerkabine dokumentieren. Diese und ähnliche Beispiele analysiert Waas, um die arbeitsrechtlichen Implikationen von KI-Anwendungen herauszuarbeiten.
Link zum Dokument: www.boeckler.de
Tipp
„Gutes Design schafft Möglichkeiten, schlechtes Design Beschränkungen.«“Mit diesen Worten wurde 2004 die Deklaration des European Institute for Design and Disability (EIDD) in Stockholm eingeleitet. Die Erklärung spricht dem Design – allem, was von Menschen für Menschen geschaffen wird – eine unmittelbare gesellschaftliche Verantwortung zu. Das Leitbild des 1993 gegründeten EIDD: „Lebensqualität verbessern durch Design für Alle.“
Mit Blick auf die menschliche Vielfalt, soziale Inklusion und Gleichstellung fordert die Deklaration einen ganzheitlichen und innovativen Ansatz aller Planer, Arbeitgeber, Verwaltungen und führenden Politiker. Und das von Anfang an im Entwicklungsprozess. Geht es bei Barrierefreiheit um die Überwindung von Hindernissen für Menschen mit Behinderung mittels festgelegter Normen (DIN), ist Design für Alle auf die Inklusion aller potenziellen Nutzer ausgerichtet.
Mathias Knigge, Vorsitzender des Kompetenznetzwerks Design für Alle – Deutschland e. V. (EDAD) erklärt: »“m Veränderungen anzustoßen, liegt der Kern des ›Design für Alle‹ gerade in den Mehrwerten für verschiedenste Menschen.“
Mehr Informationen beim www.rollstuhl-kurier.de
Aus dem Bundesrat
Die CDU/CSU-Fraktion fordert in einem Antrag (20/4676) mehr Tempo für Barrierefreiheit und einen inklusiven Sozialraum. Sie kritisiert darin die Regierung dafür, das angekündigte Bundesprogramm Barrierefreiheit bislang noch nicht realisiert zu haben. Die Bundesregierung kündige zwar an, die legislativen Maßnahmen und Förderaktivitäten zur Verbesserung der Barrierefreiheit aller Ressorts in eine Bundesinitiative Barrierefreiheit einfließen lassen zu wollen. „Doch es reicht nicht, sich nur mit vorhandenen Aktivitäten zu begnügen. Vielmehr gilt es, gezielter und strukturierter auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene den Sozialraum inklusiv zu gestalten und konkrete Maßnahmen auf den Weg zu bringen“, schreibt die Unionsfraktion.
Sie fordert unter anderem, vorhandene Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) wie das Programm „Altersgerecht Umbauen“ aufzustocken und neue aufzulegen, um zum Beispiel nicht barrierefreie Arztpraxen und andere Gesundheitseinrichtungen zu unterstützen. Im Personenbeförderungsgesetz soll ein Abweichen von der Umsetzungsfrist für eine vollständig barrierefreie Gestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs nur noch möglich sein, wenn die Einhaltung der Frist mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden oder aus nachvollziehbar guten Gründen nicht notwendig ist. Gemeinsam mit den Ländern, Kommunen und Taxiverbänden müsse ein Runder Tisch eingesetzt werden, um dort Lösungen für die Steigerung eines barrierefreien Taxiangebots zu entwickeln, schreiben die Abgeordneten.
Der Antrag wird am Freitag dieser Woche erstmals im Bundestag beraten.
hib – heute im bundestag | Nr. 711 | Mittwoch, 30. November 2022
Aus dem Bundestag
„Bei der Sanierung und dem Neubau von Sportstätten muss grundsätzlich Barrierefreiheit hergestellt werden.“ Diese Forderung erhob der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, am Mittwoch vor dem Sportausschuss und erhielt dabei die Zustimmung aller anderen zu der Sitzung geladenen Sachverständigen. Barrierefreiheit habe nicht nur eine tiefe soziale Dimension, „weil sie das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen ermöglicht“. Barrierefreiheit sei auch ein „Qualitätsstandard für ein modernes Land“. Wer heute Sportstätten mit Barrieren baue oder saniere, sei unprofessionell, sagte Dusel.
Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung forderte zugleich eine Willkommenskultur in Sportvereinen auch für Menschen mit Behinderungen. Für mehr Toleranz und mehr Respekt brauche es Qualifikation von Trainern und Übungsleitern. Es brauche aber auch eine Akzeptanz dafür, dass es um die Grundrechte der Menschen mit Behinderung geht, sagte Dusel. In Deutschland gelte die UN-Behindertenrechtskonvention. Daher sei es Aufgabe des Staates, das Recht auf Teilnahme am Sport nicht nur zu versprechen, sondern dafür zu sorgen, „dass diese Rechte bei den Menschen auch ankommen“.
Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) bekenne sich zu der UN-Behindertenrechtskonvention, die ein Wahlrecht zur Teilnahme an inklusiven oder auch an in der eigenen sozialen Gruppe stattfindenden Sportangeboten für Menschen mit Behinderungen vorsehe, machte DOSB-Vizepräsidentin Verena Bentele deutlich. Für Menschen mit Behinderungen gehöre Sport leider aber noch nicht zum Alltag. Laut dem dritten Teilhabebericht der Bundesregierung trieben 55 Prozent der Menschen mit Behinderungen keinen Sport. Vielfach fehlten Zugangsmöglichkeiten und wohnortnahe, geeignete Angebote.
Verbessert werden müsse neben den Sportstätten auch der ÖPNV, damit die Menschen mit Behinderungen die Sportstätten erreichen können, sagte Bentele. Ganz wichtig sei auch die Finanzierung und Bereitstellung von Assistenz. Ohne Unterstützungsleistungen wie etwa Begleitläufern oder einem angemessenen Equipment könne der Sport nicht betrieben werden. Spezielle Geräte wie etwa Spezialrollstühle seien aber ein erheblicher Kostenfaktor.
Der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), Friedhelm Julius Beucher, verwies - wie Dusel und Bentele zuvor auch - auf den coronabedingten Mitgliederschwund in den Behindertensportvereinen. 100.000 Mitglieder weniger gebe es im Vergleich zu der Zeit vor Corona. Das habe mit den besonderen Schwierigkeiten für Menschen mit Behinderungen zu tun. Während Menschen ohne Behinderungen bei geschlossenen Hallen im Wald hätten laufen können, sei das für Menschen ohne Behinderungen nicht möglich gewesen. Die Mitgliederentwicklung werde aber auch dadurch beeinträchtigt, dass nur sieben Prozent aller olympischen Sportvereine Sport für Menschen mit Behinderungen anbieten. „Wir gehen deshalb auf die Regelsportvereine zu, um sie zu ermuntern, Sportangebote für Menschen mit Behinderungen zu machen“, sagte Beucher.
Sorgen macht dem DBS-Präsidenten nach eigener Aussage eine Schließung von Schwimmbädern oder die weitere Absenkung der Wassertemperaturen aus Energiespargründen. „Das ist tödlich für den Reha-Sport“, machte er deutlich. Reha-Sport könne nicht in noch kälterem Wasser ausgeübt werden, so Beucher.
Einen Bewegungsmangel in der gesamten Gesellschaft konstatierte die Sportwissenschaftlerin Susanne Tittlbach von der Universität Bayreuth. „Weniger als ein Drittel der Bevölkerung bewegt sich ausreichend“, sagte Tittlbach mit Blick auf die in nationalen und internationalen Bewegungsempfehlungen enthaltenen Werte. Der Einstieg in Bewegung und Sport sei vor allem eine Frage der sozialen Herkunft, so die Sportwissenschaftlerin. Menschen mit einem niedrigen Einkommen, mit einem niedrigen Bildungsstand oder mit einer Migrationsgeschichte seien schlechter zu erreichen. Auch Menschen mit Behinderungen seien deutlich seltener im organisierten Sport oder beim Bewegungsverhalten anzutreffen. Für die einzelnen Zielgruppen brauche es daher passgenaue Angebote, die sich an den Bedürfnissen und den Motivationen der jeweiligen Zielgruppe orientieren müssten, sagte Tittlbach.
hib – heute im bundestag | Nr. 708 | Mittwoch, 30. November 2022
Lese-Tipp
Ist ein Arbeitnehmer innerhalb des letzten Jahres mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt, muss der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen (§ 167 Absatz 2 Satz 1 SGB IX). Dieses Präventionsverfahren ist nicht zu verwechseln mit der stufenweisen Wiedereingliederung. Im BEM soll gemeinsam untersucht werden, wie sich künftige Arbeitsunfähigkeit vermeiden lässt, zum Beispiel durch eine Anpassung der Arbeitsbedingungen. Was bringt das BEM dem Beschäftigten, und wie kommt man in dieses Verfahren?
Informationen zum BEM gibt es im immer wieder informativen Rundbrief, aktuell die Nr. 55, der Arbeitnehmeranwälte. Alle Rundbriefe sind unter www.arbeitnehmer-anwaelte.de abrufbar.
Tipp
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Aus dem Bundestag
Für den Fortbestand, die künftige finanzielle Ausstattung und die Beratungsqualität von EUTB-Beratungsstellen (Beratungsstellen zur ergänzenden, unabhängigen Teilhabeberatung) interessiert sich die CDU/CSU-Fraktion in einer Kleinen Anfrage (20/4628). Sie möchte von der Bundesregierung unter anderem erfahren, ob die Anzahl der Beratungsstellen aufgrund des ab dem 1. Januar 2023 geltenden neuen Antrags- und Bewilligungsverfahrens von der nach der bisherigen zuwendungsrechtlichen Förderung bewilligten Anzahl abweicht.
hib – heute im bundestag | Nr. 689 | Montag, 28. November 2022
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