Liebe Kolleginnen und Kollegen,
….. für mich völlig unüblich, möchte ich diesen InfoBrief mit einem Luther-Zitat beginnen:
Anmaßung ist der Kopf der Schlange
Anmaßend finde ich es, wenn Coronamaßnahmen-Kritiker*innen die Demonstrationen der mutigen Menschen von Leipzig oder anderswo aus dem Jahr 1989 missbrauchen, die damals nicht wussten, was sie auf dem Gang um den Leipziger Ring erwartete. Geradezu unfassbar anmaßend wird es, wenn sich Redner*innen auf den entsprechenden Demos durch Vergleiche mit den Widerstandskämpfer*innen gegen die Naziherrschaft auf eine Stufe stellen. Folter und Erniedrigung muss niemand erleiden, der gegen Corona-Maßnahmen protestiert. Und niemand wird vor einen perfiden, politischen Gerichthof gestellt, gedemütigt und aufs Schafott geschleift!
Dass Corona – schon häufig zitiert – wie ein Brennglas auf strukturelle, soziale Probleme wirkt, wird immer deutlicher. Es ist eben real, aber nicht nur in Pandemiezeiten ein Unterschied, ob sich 7 Personen zwei Zimmer teilen oder zwei Personen 7 Zimmer (Sigrun Matthiesen, OXI, 11/20). Und es stimmt mich nachdenklich, wenn schwuppdiwupp, Anfang November wieder kein Toilettenpapier zu kriegen war und gleichzeitig in den Flüchtlingslagern noch nicht einmal genügend Toiletten zur Verfügung stehen. Alexis Tsipras schreibt im Zusammenhang mit der geplanten Kreditvergabe der EU in „Le Monde diplomatique“: „… Denn im Leben geht es nicht nur um Geld, sondern vor allem um Würde.“ Vielleicht sollten wir ALLE uns den Satz gut merken!
Sehet, es weihnachtet (im Supermarkt gefühlt schon seit Herbstbeginn)! Sicher werden die Weihnachtstage 2020 für Viele anders verlaufen, als sonst! Weniger Kontakte, weniger Konsum. Ich zitiere die Kassiererin eines Supermarktes: „Was man nicht kauft, muss man nicht essen!“ Aber für viele Menschen wird sich gar nichts ändern, „denn wahrscheinlich hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich am Ende (der Pandemie) noch vertieft“, wie Christoph Butterwegge in der Einleitung seines empfehlenswerten neuen Buches „Die zerrissene Republik“ schreibt.
Schwerbehindertenvertretungen haben es eigentlich immer schwer. Besonders schwer haben sie es teilweise in dieser virusbelasteten Zeit. Nicht wenige Arbeitgeber*innen im Öffentlichen Dienst, in Wirtschaftsunternehmen und auch in der kirchlichen Arbeitswelt meinen, die gesetzlichen Pflichten zur Beteiligung der SBVen ignorieren zu können. Da scheint – bei gutwilliger Einschätzung – einerseits die von Franz-Josef Düwell häufiger ins Feld geführte Leseschwäche der Arbeitgeber*innen vorzuliegen. Andererseits herrscht sicher auch hier und da ein bedenklicher Mangel an Wissen oder gar ein defektes Demokratieverständnis! Also, liebe SBVen, nur Mut, eure Rechte (und Pflichten) sind weder durch den blöden Virus, noch durch behördliche Pandemiepläne oder Herr-im-Haus-Allüren außer Kraft gesetzt!
Nun ist es sozusagen amtlich: Nach dem Bundestag hat nun auch der Bundesrat am 27.11.2020 dem Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Behinderten-Pauschbetragsgesetz) zugestimmt. Ab dem Veranlagungszeitraum 2021 werden die steuerlichen Pauschbeträge für Menschen mit Behinderung verdoppelt. Auch der Pflegepauschbetrag wird erhöht. Zudem wird ein behinderungsbedingter Fahrtkosten-Pauschbetrag eingeführt. Nun wollen wir auch nicht mehr klagen, dass seit 46 (!) Jahren in dieser Angelegenheit nichts passiert war ……..
Wenn eine SBV einen Preis (Sonderpreis - Deutscher Personalräte-Preis) für die Realisierung einer Inklusionsvereinbarung erhält, ist dies allemal eine Meldung wert! Hier ist nicht nur die Vereinbarung mit der Hochschule Hannover selbst bemerkenswert, sondern auch die Tatsache beachtlich, dass es mit der Schwerbehindertenrichtlinie des Landes Niedersachen eigentlich schon eine entsprechende gültige – wenn auch in wesentlichen Teilen verbesserungswürdige – Vereinbarung gibt. Herzlichen Glückwunsch!
Eine schöne Adventszeit, allem Ungemach zum Trotz schöne Weihnachtstage, einen ruhigen Jahreswechsel und eine hoffentlich interessante Lektüre wünscht
Jürgen Bauch
Recht
Wirkt sich die Kurzarbeit auf den Zusatzurlaub von schwerbehinderten Mitarbeitenden aus? Unter anderem mit diesem Thema befasst sich die Rubrik „Fragen aus der Praxis“ der Zeitschrift „Behindertenrecht“, Ausgabe Oktober 2020.
Die Antwort lautet verkürzt: Menschen mit einer Schwerbehinderung haben nach § 208 Abs. 1 S. 1 SGB IX Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr. Der Zusatzurlaub teilt das gleiche Schicksal wie der Erholungsurlaub. Ob und inwieweit sich Kurzarbeit auf den Umfang des Erholungsurlaubs auswirkt, ist durch die deutschen Gerichte bisher noch nicht geklärt.
Zur Klärung der Frage hat die Redaktion der Fachzeitschrift "Behindertenrecht" das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 8. November 2012 (Az.: C-229/11 und C-230/11) herangezogen, in welchem die Situation des Kurzarbeiters mit der eines Teilzeitbeschäftigten verglichen wurde.
In der Urteilsbegründung heißt es: Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Kurzarbeitende weiterhin einen Vollzeitarbeitsvertrag hat. Infolge der Kurzarbeit sind jedoch Arbeitnehmende und Arbeitgebende von ihren gegenseitigen Leistungspflichten nach Maßgabe der Arbeitszeitverkürzung befreit. Der Arbeitnehmende kann über die Kurzarbeitszeit frei verfügen und für sich nutzen, z.B. um sich auszuruhen oder einer Freizeitbeschäftigung nachzugehen.
Der Sinn und Zweck von Erholungsurlaub ist es, dass dem Arbeitnehmenden die Möglichkeit zur Erholung und für einen gewissen Zeitraum mehr Freizeit zur Verfügung gestellt wird.
Teilzeitbeschäftigten, die zusätzlich zur Reduzierung der Wochenarbeitszeit auch die Wochenarbeitstage verringern, kann ein geringerer Urlaubsanspruch gewährt werden. Durch die Reduzierung der Wochenarbeitstage hat der Teilzeitbeschäftigte die Möglichkeit über mehr freie Tage zu verfügen. Es besteht daher eine vergleichbare Situation von Kurzarbeitenden und Teilzeitbeschäftigten.
Die Redaktion der Fachzeitschrift empfiehlt eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag oder der Betriebsvereinbarung.
Quelle: www.reha-recht.de
BAuA
Die Corona-Krise geht für viele Betriebe mit organisatorischen und wirtschaftlichen Herausforderungen einher. Zudem bestehen neue Anforderungen an den betrieblichen Arbeitsschutz. Eine von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beauftragte Betriebsbefragung zeigt, dass der Arbeits- und Infektionsschutz in der Corona-Krise eine hohe Bedeutung hat. So ist z. B. in 98 % der Betriebe mit spezifischen Arbeitsschutzregelungen die Geschäftsführung an deren Entwicklung und Umsetzung beteiligt. Die Betriebe setzen eine Vielzahl der empfohlenen Arbeitsschutzmaßnahmen aus der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel um.
S. Robelski, C. Steidelmüller, L. Pohlan:
Betrieblicher Arbeitsschutz in der Corona-Krise
in: baua: Bericht kompakt, 1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2020. Seiten 4, PDF-Datei, DOI: 10.21934/baua:berichtkompakt20201012
Artikel „Betrieblicher Arbeitsschutz in der Corona-Krise“ (PDF, 281 KB, Datei ist barrierefrei⁄barrierearm)
Angst vor der Konfrontation
Gegenüber in der Bahn sitzt jemand ohne Maske. Ansprechen oder nicht? Wer etwas sagt, muss mit Abwehr rechnen, das zeigt eine Umfrage im Auftrag der Präventionskampagne „kommmitmensch“ (PDF, 266 kB) der gesetzlichen Unfallversicherung. Gut 43 Prozent der Befragten gaben an, unfreundliche Antworten erhalten zu haben, knapp 30 Prozent wurden gar beleidigt.
Kein Wunder, dass viele Menschen die Maskenmuffel erst gar nicht ansprechen. Lediglich knapp 40 Prozent der rund 5.000 Befragten gaben an, bereit zu sein, andere Personen auf das Einhalten der Corona-Regeln, wie Abstand halten und Maske tragen, hinzuweisen. Mehr als 50 Prozent tun dies nicht. Als häufigste Gründe für ihre Zurückhaltung nannten die Befragten, andere nicht belehren zu wollen (27 Prozent), Angst vor körperlichen Angriffen (25 Prozent) und Beleidigungen (22 Prozent).
„Menschen auf unerwünschtes Verhalten anzusprechen, ist immer schwierig und riskant.“ sagt Prof. Dirk Windemuth, Leiter des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG): „Oftmals weiß man nicht, ob jemand aus Protest oder aus Gedankenlosigkeit keine Maske trägt.“ Wie soll man sich verhalten in solchen Situationen? Windemuth rät, nie allein in eine kritische Situation zu gehen. „Eigenschutz hat immer Vorrang. Man sollte auch an Fluchtwege für sich selbst und die angesprochene Person denken.“
Auch wenn bei Einigen die Disziplin nachlässt, die überwiegende Mehrheit hält sich offenbar weiterhin an die Regeln. 90 Prozent der Befragten gaben an, Hygieneregeln, Mundschutz- und Abstandsgebote zu respektieren. Das Einhalten der Corona-Regeln polarisiert aber nicht nur die Gesellschaft, auch in Betrieben kann das Thema für Diskussion sorgen. Damit es auch hier zu keinem Unverständnis oder gar einer Eskalation kommt, empfiehlt Windemuth klare und gemeinsam erarbeitete Aussagen zu den Regeln zu treffen. Das kostet zwar Zeit, dennoch lohne sich die Mühe. „Beschäftigte bei Prozessen im Betrieb zu beteiligen, ist ohnehin ein wichtiges Element, um sicher und gesund zu arbeiten“, erklärt Windemuth. „So kann man bei auftretenden Fehlern, wie zum Beispiel, wenn jemand seine Maske vergessen hat, viel einfacher einen konstruktiven und verständigen Umgang miteinander finden.“
Nicht allein in Krisenzeiten sind Beteiligung und Fehlerkultur der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter essenziell für eine vertrauensvolle und kollegiale Atmosphäre. Infos und Instrumente für mehr Sicherheit und Gesundheit im Betrieb gibt es auf der Homepage von kommmitmensch, der Präventionskampagne von Berufsgenossenschaften, Unfallkassen und der DGUV.
Das Meinungsforschungsunternehmen Civey hat im Auftrag von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) 5.000 Personen zwischen dem 08.09.2020 und dem 13.09.2020 befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die bundesdeutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Der statistische Fehler der Gesamtergebnisse liegt bei etwa. 2,5 Prozent.
BAuA
Auch in den kommenden Wochen bleiben Lebensmittelgeschäfte und Drogeriemärkte geöffnet, um die Bevölkerung zu versorgen. Jedoch könnte häufiger Kundenkontakt das Infektionsrisiko für diese Beschäftigten erhöhen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat jetzt „Eine Risikoschätzung zur Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei Beschäftigten im Einzelhandel für Lebensmittel und Drogeriewaren“ veröffentlicht. Darin kommen die Fachleute zu dem Schluss, dass es aufgrund der Kurzzeitkontakte auch bei COVID-19-Ausbrüchen nicht unweigerlich zu Hochrisikokontakten kommt. Zudem können Schutzmaßnahmen, wie Mund-Nase-Bedeckungen oder organisatorische und technische Abstandsregelungen, das Infektionsrisiko für die Beschäftigten wirksam senken.
Etwa 780.000 Beschäftigte sind in Deutschland im Einzelhandel für Lebensmittel und Drogeriewaren tätig. Diese Branche bleibt wegen ihrer systemrelevanten Bedeutung weitgehend von Schließungen als Infektionsschutzmaßnahme gegenüber SARS-CoV-2 ausgenommen. Häufiger Kundenkontakt kann Infektionsrisiken für die dort Beschäftigten bergen - vor allem beim Bezahlvorgang an der Kasse. Mit epidemiologischen Daten, die außerhalb des Einzelhandels erhoben wurden, schätzten Fachleute der BAuA das Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion für diese Beschäftigtengruppe. Dies ermöglicht eine erste Gefährdungsbeurteilung unter pandemischen Bedingungen, obwohl keine Daten zum Infektionsrisiko vor Ort vorliegen.
Das Infektionsrisiko der Beschäftigten hängt dabei vor allem vom Anteil aktuell infizierter Personen unter den Kunden ab. Zudem spielen Anzahl und Dauer der Kundenkontakte eine bedeutende Rolle. So haben Beschäftigte im Lebensmitteleinzelhandel pro Arbeitstag durchschnittlich 84 Kundenkontakte und im Soft-Discounter 131, die durchschnittlich jeweils zwei Minuten dauern. Unter diesen Bedingungen kommt es selbst bei Erkrankungshäufigkeiten, die bei COVID-19-Ausbrüchen gemessen wurden, nicht unweigerlich zu Hochrisikokontakten von mindestens 15 Minuten Dauer. Jedoch weisen die Autoren darauf hin, dass auch unabhängig von der Krankheitshäufigkeit hohe Infektionsrisiken entstehen können, beispielsweise durch enge räumliche Nähe zu infizierten Personen.
Umso wichtiger ist es, die verfügbaren Schutzmaßnahmen in den Geschäften umzusetzen. Dazu gehören im Einzelhandel vor allem Abstandsregelungen, Mund-Nase-Bedeckungen bei Kunden und Beschäftigten, verbesserte Luft- und Oberflächenhygiene, Beschränkungen der Anzahl an Kunden im Geschäft und Schutzschilde im Kassenbereich. Die Kombination solcher Maßnahmen trägt wirksam dazu bei, das Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion für Beschäftigte und Kunden im Einzelhandel für Lebensmittel und Drogeriewaren wirkungsvoll zu senken.
baua: Fokus „Eine Risikoschätzung zur Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei Beschäftigten im Einzelhandel für Lebensmittel und Drogeriewaren“; Filiz M. Özcan, Frank Dieterich; Dortmund; Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2020
Den baua: Fokus gibt es im PDF-Format im Internetangebot der BAuA: www.baua.de
Tipp
„Arbeit, Behinderung, Krise -Wie geht es weiter?“ - Im ersten Vortrag dieser empfehlenswerten Reihe hat Frieder Kurbjeweit sich mit folgenden Fragen auseinandergesetzt: Lockdown und Krise haben zu großen Verwerfungen in der Arbeitswelt geführt. Wie waren und sind behinderte Menschen davon betroffen? Welche politischen Herausforderungen kommen nach Corona auf uns zu?
Frieder Krubjeweit hat an der Universität Bremen und Jacobs University Bremen International Relations und an der Universität Münster und Twente Public Governance studiert. Er arbeitet aktuell am Lehrstuhl für Soziologie und Politik der Rehabilitation, Disability Studies der Universität zu Köln.
Link zum Video: www.youtube.com
Link zu den weiteren Veranstaltungen des Transfernetzwerk Soziale Innovation (s_inn): www.s-inn.net
Aus dem Bundestag
Die FDP-Fraktion hat eine Kleine Anfrage (19/24257) zu den Folgen der Neuausrichtung der Eingliederungshilfe im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes gestellt. Darin fragt sie die Bundesregierung vor allem nach inklusiv ausgerichteten Wohnangeboten für Menschen mit Behinderungen und nach der Umwandlung von Komplexeinrichtungen.
hib - heute im bundestag | Nr. 1251 | Di., 17. November 2020
Online-Befragung
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen und Pflegebedarf? Wie müssen Reha-Angebote angepasst und verändert werden, um Teilhabe sicherzustellen? Im Corona-Konsultationsprozess der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) untersuchen wir diese Fragen mit Unterstützung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS).
Ziel der Befragung ist, die erlebten Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Menschen mit Behinderungen aus verschiedenen Perspektiven zu untersuchen: Im Zentrum steht das Erleben von (1.) Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen oder Pflege¬bedarf selbst. Daneben kommen aber auch deren (2.) Angehörige, (3.) Dienste und Einrich¬tungen der Rehabilitation sowie betriebliche Akteure, (4.) Dachverbände der Dienste und Einrichtungen, (5.) Leistungs- und Kostenträger sowie (6.) Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft zu Wort. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, das weitere politische Handeln der Bundesregierung und aller anderen Beteiligten für Menschen mit Behinde¬rungen zu unterstützen. Somit leisten alle Teilnehmenden einen Betrag zu mehr Inklusion in unserer Gesellschaft.
Klicken Sie bitte auf den für Sie passenden Fragebogen und füllen Sie diesen möglichst vollständig aus. Falls Sie sich mehreren Fragebögen zuordnen, weil Sie z. B. selbst ein Mensch mit Behinderung (1.) und ein Angehöriger eines Menschen mit Behinderung (2.) sind, können Sie auch mehrere Fragebögen ausfüllen. Wir freuen uns, wenn Sie auch anderen Menschen die Möglichkeit geben, den für sie jeweils passenden Fragebogen auszufüllen. Dazu können Sie sie einfach auf diese Webseite verweisen.
Die Befragung wird in Kooperation mit dem Zentrum für Sozialforschung Halle e. V. (ZSH) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg durchgeführt. Eine Teilnahme an der Befragung ist bis zum 13. Dezember 2020 möglich.
Kontakt:
Dr. Mara Boehle, Fachreferentin Rehabilitation
E-Mail: corona@dvfr.de
Welcher Fragebogen ist der richtige für mich?
Zur Befragung:
- Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen und/oder Pflegebedarf
- Angehörige und wichtige Bezugspersonen von Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen oder Pflegebedarf
- Dienste und Einrichtungen, die Leistungen zur Teilhabe anbieten, inkl. betriebliche Akteure (z. B. Schwerbehindertenvertretung)
- Dachverbände von Diensten und Einrichtungen (z. B. Verbände von Reha-Kliniken, Fachverbände für Menschen mit Behinderung, Wohlfahrtsverbände)
- Leistungs- und Kostenträger (u. a. die Rehabilitationsträger im Sinne des SGB IX)
- Organisationen und Expert*innen der Zivilgesellschaft (z. B. Sozialverbände, Dachverbände der Selbsthilfe und der Angehörigen)
BEM
Lediglich 40 Prozent der Beschäftigten in Deutschland erhalten ein Angebot zur betrieblichen Wiedereingliederung, wenn sie mehr als sechs Wochen im Jahr arbeitsunfähig waren. Davon nehmen mehr als zwei Drittel (68 %) das Angebot wahr. Dies ergibt eine Auswertung der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat die Ergebnisse der Auswertung im Faktenblatt "Umsetzung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)" jetzt veröffentlicht.
Seit 2004 verpflichtet das Sozialgesetzbuch IX Arbeitgeber dazu, ihren Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten. Damit soll weiterer Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden. In der repräsentativen BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung machten rund 18.000 abhängig Beschäftigte Angaben zur ihren Zeiten der Arbeitsunfähigkeit. Bei einer Dauer von mindestens 30 Tagen wurde erstmals gefragt, ob ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) angeboten und in Anspruch genommen wurde.
Rund acht Prozent der Befragten gaben Ausfallzeiten von mehr als sechs Wochen an. Nur etwa vier von zehn Betroffenen erhielten ein Angebot für das BEM. Dieses nahmen mehr als zwei von drei Befragten (68 %) an. Somit nahm nur jeder vierte potenziell Berechtigte das Angebot zur Wiedereingliederung in Anspruch.
BEM setzen eher größere Betriebe, der öffentliche Dienst und die Industrie um. So bieten Betriebe mit mindestens 250 Beschäftigten häufiger ein BEM an als kleinere (50 % vs. 36 %). Am häufigsten erhielten Beschäftigte im öffentlichen Dienst ein Angebot, gefolgt von Beschäftigten in der Industrie. Zudem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Betriebe das BEM am ehesten umsetzen, die sich bereits für die Gesundheit ihrer Beschäftigten engagieren. Faktoren, wie Vorgesetzte, die durch Lob und Anerkennung gesundheitsförderlich führen, und ein positives Betriebsklima unter den Beschäftigten, erleichtern ebenfalls die Umsetzung. Andererseits nehmen Betriebe Einzelfälle oder einen hohen Krankenstand zum Anlass, ein BEM verbunden mit weiteren gesundheitsbezogenen Maßnahmen im Betrieb zu etablieren.
Die hohe Quote bei der Inanspruchnahme des BEM durch die Beschäftigten zeigt einen hohen Bedarf an, der weitere Anstrengungen zur Verbreitung dieser Präventionsmaßnahme in allen Betrieben und Wirtschaftsbereichen erforderlich macht.
Das baua: Fakten "Umsetzung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM). BIBB/BAuA-Faktenblatt 37" gibt es im PDF-Format im Internetangebot der BAuA unter www.baua.de
Aus dem Bundestag
Die Fraktion Die Linke verlangt, gute Arbeit für Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen und zu sichern. In einem entsprechenden Antrag (19/24690) schreibt sie, dass bei der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen am Arbeitsleben zwar einige positive Entwicklungen festzustellen seien. „Aber es überwiegen Fehlentwicklungen und Stillstand“, heißt es im Antrag. So liege die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderungen immer noch deutlich über jener von Menschen ohne Behinderungen. Dieser Abstand habe sich in den vergangenen Jahren nicht verringert, argumentieren die Abgeordneten.
Sie verlangen deshalb unter anderem, eine ministeriumsübergreifende beschäftigungspolitische Gesamtstrategie für Menschen mit Behinderungen aufzustellen. Außerdem soll das System der Beschäftigungspflicht und der Ausgleichsabgabe umgestaltet werden. Konkret soll unter anderem die Beschäftigungspflicht auf sechs Prozent angehoben und die Ausgleichsabgabe als Bußgeld umgestaltet und deutlich angehoben werden. Möglichkeiten, mit denen Unternehmen die Zahlungen der Abgabe umgehen können, sollen reduziert werden. Für Arbeitgeber soll ein Anreizsystem geschaffen werden, um möglichst viele Menschen mit Behinderungen einzustellen. Zu den Forderungen der Linken gehören ferner eine stärkere Förderung von Menschen mit Behinderungen, eine Stärkung der Inklusionsunternehmen und die Umgestaltung der Werkstätten.
hib - heute im bundestag | Nr. 1321 | Fr., 27. November 2020
SBV-Tagung
Corona machte der 9. SBV-Tagung am 17. und 18. November einen Strich durch die Rechnung. Aber dass es auch online geht, bewies das ver.di-Forum Nord mit der in das Internet verlegten Veranstaltung.
Zu Beginn berichtete Christine Osterland (Richterin und seit Anfang November neue Pressesprecherin der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz in Hamburg) über die aktuellen Entwicklungen im Sozialrecht mit einem Schwerpunkt im Berufskrankheitenrecht. Hier gab es viele wichtige Informationen u.a. zur Anerkennung einer Corona-Infektion als Berufskrankheit.
Matthias Gillmann (Arbeits- und Wirtschaftsjurist) referierte über den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Zeiten von Corona. Franz-Josef-Düwell berichtete schwerpunktmäßig über die Entwicklung und notwendige Veränderungen im Betrieblichen Eingliederungsmanagement. Abschließend sprach die Rechtsanwältin Babette Tondorf über das Arbeitsrecht im Homeoffice.
Zwischenfragen und Anregungen konnten die zahlreichen Teilnehmer*innen über die Chatfunktion abgeben. Diese Form des Austausches und der Wissensvermittlung kann die Präsenzveranstaltungen nicht ersetzen! Aber, „es ist, wie es ist“ – und wir hoffen auf die nächste Tagung live: 23. bis 25. März 2021 in Magdeburg mit den Schwerpunkten Sozialrecht, rechtlichen und politischen Entwicklungen im SGB IX für die Alltagsarbeit der SBV und die betrieblichen Interessenvertretungen.
Recht
Die Autorin Cathleen Rabe-Rosendahl bespricht in ihrem Beitrag ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21.01.2020 – 15 Sa 449/19. Das hessische Gericht befasste sich mit der Frage der Beschäftigungspflicht im Fall der versäumten Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Verpflichtungen aus § 3a Abs. 2 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und § 10 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Es stellt klar, dass sofern der Arbeitgeber seine arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen zur barrierefreien Gestaltung von Arbeitsplätzen nicht erfüllt, eine Berufung auf fehlende Sicherheit in der Arbeitsstätte keine ausreichende Begründung für die Nichtbeschäftigung eines schwerbehinderten Menschen darstellen könne. Die Autorin nimmt die Entscheidung zum Anlass, die Arbeitgeberpflicht des § 3a ArbStättV vorzustellen sowie das Verhältnis Arbeitsschutz – Teilhaberecht näher zu beleuchten.
Link zum Beitrag: www.reha-recht.de
Aus dem Bundestag
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (19/24633), Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen und Barrierefreiheit umfassend umzusetzen. Sie stellt in dem Antrag fest: „Menschen sind nicht behindert, sie werden behindert. Barrieren aller Art verhindern gleichberechtigte Teilhabe und Selbstbestimmung: Das geschieht beispielsweise durch bauliche Hürden in Gebäuden, kompliziert zuhandhabende Gegenstände, die Gestaltung von Medien, das Design von digitalen Angeboten und von Benutzeroberflächen im Internet, Treppenstufen in Veranstaltungsräumen oder Kommunikationsformen, die nicht jede und jeder versteht.“
Gemäß den Vorstellungen der Grünen sollen unter anderem privatwirtschaftliche Anbieter von Produkten und Dienstleistungen gesetzlich zur Herstellung von Barrierefreiheit verpflichtet werden, wenn sie kommerzielle Güter und Dienstleistungen anbieten, die für die Allgemeinheit bestimmt sind. Außerdem soll der Geltungsbereich des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) auf sämtliche Einrichtungen des Bundes erweitert und auch Empfänger von Projektförderungen zur Einhaltung des BGG verpflichtet werden. In dem Antrag geht es darüber hinaus um den Abbau baulicher Barrieren und um die Förderung barrierefreien Wohnraums, um barrierefreie Mobilität und um den umfassenden Zugang zu Medienangeboten.
hib - heute im bundestag | Nr. 1321 | Fr., 27. November 2020
Aus dem Bundestag
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (19/24437) einen besseren Zugang zu Teilhabeleistungen. Die Abgeordneten schreiben darin, dass zwar bei einigen Trägern die Beratung sowie die Beantragung und Gewährung von Leistungen reibungslos funktioniere. „Doch zu viele Menschen mit Behinderungen oder ihre Angehörigen berichten von Problemen beim Zugang zu Leistungen. Sie fühlen sich von den Leistungsträgern nicht ausreichend beraten oder schlecht behandelt.“ Ein weiteres Problem sei, dass viele Menschen die ihnen zustehenden Leistungen erst nach langen Widerspruchs- oder sogar Klageverfahren erhalten, heißt es in dem Antrag weiter.
Die Grünen verlangen deshalb unter anderem, im Bundesteilhabegesetz und in den Sozialgesetzbüchern IX und XII (Neuntes und Zwölftes Sozialgesetzbuch) ein uneingeschränktes Wunsch- und Wahlrecht bezüglich der Form und des Ortes der Leistungserbringung zu verankern.
Der Bund soll ferner gemeinsam mit Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger und (Selbstvertretungs-) Organisationen behinderter Menschen eine Strategie für eine bessere und niedrigschwellige Beratung entwickeln.
Der Zugang zu Teilhabeleistungen soll unbürokratischer und barrierefrei geregelt werden, in dem unter anderem die Möglichkeit einer vorläufigen Leistungsgewährung geprüft wird und im Zivilrecht eine rechtliche Assistenz einführt wird, die die Entscheidungsfindung unterstützt, und dadurch die rechtliche Betreuung überflüssig macht.
Träger von Teilhabeleistungen sollen verlässlicher vorgehen und entscheiden, indem unter anderem Sachverhalte im Regelfall innerhalb von vier Wochen sorgfältig und im Sinne des Zieles der vollen und gleichberechtigten Teilhabe geprüft werden und auch in sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren eine Bearbeitungsfrist von vier Wochen eingeführt wird.
hib - heute im bundestag | Nr. 1273 | Do., 19. November 2020
Recht
Kann ein Arbeitgeber für die Einrichtung von Homeoffice-Arbeitsplätzen für Mitarbeitende mit Schwerbehinderung eine Förderung der Integrationsämter erhalten? Mit dieser Frage hat sich die Redaktion der Fachzeitschrift „Behindertenrecht“ in der Oktober-Ausgabe 2020 auseinandergesetzt.
Die Antwort lautet verkürzt: Eine Förderung von Homeoffice-Arbeitsplätzen aus Mitteln der Ausgleichsabgabe ist grundsätzlich möglich, allerdings muss ein behinderungsbedingter Zusammenhang bestehen.
Der komplette Artikel ist hier einzusehen: www.reha-recht.de
Rebecca Meskos
Bei #AbleismTellsMe erzählten behinderte Menschen von Diskriminierung. Was genau Ableismus eigentlich ist und wo der Unterschied zur Behindertenfeindlichkeit liegt, erklärt Rebecca Maskos.
Able- was? Schon wieder so ein neues fancy word auf den Social-Media-Timelines? Ableismus und sein englischsprachiger Ursprungsbegriff ableism leiten sich ab vom englischen Begriff ability, Fähigkeit. Entstanden in der englischsprachigen Behindertenbewegung, wird der Begriff erst seit etwa zehn Jahren auch in Deutschland genutzt.
Mit dem Twitter-Hashtag #AbleismTellsMe hat es Ableismus nun auch in deutsche Mainstream-Medien geschafft. Nachdem die US-amerikanische, behinderte Studentin Kayle Hill Anfang September unter #AbleismTellsMe über ihre Erfahrungen mit Diskriminierung twitterte, ging der Hashtag vor allem in Deutschland durch die Decke. In hunderten von Tweets berichteten User*innen von zum Teil krassen Erfahrungen der Ausgrenzung und Benachteiligung, Ausdruck des gesellschaftlichen Umgangs mit Behinderung.
Lies den gesamten Artikel auf dieneuenorm.de
Aus dem Bundestag
Die Inbetriebnahme einer bundesweiten Notrufapp für Menschen mit Behinderungen ist für das 1. Quartal 2021 geplant. Das schreibt die Bundesregierung in einer Antwort (19/23762) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/23328). Das europaweite Vergabeverfahren für die App habe sich verzögert, weil Mitbewerber mehrfach Rechtsmittel gegen die Vergabe eingelegt hätten. Mittlerweile seien aber alle gerichtlichen Nachprüfverfahren abgeschlossen.
Die Europäische Union habe ihre Mitgliedsstaaten verpflichtet, bessere Zugangsmöglichkeiten zu Notrufnummern für Menschen mit Behinderungen bereitzustellen. Durch die aus Sicht der EU-Kommission nicht ausreichende Umsetzung der EU-Richtlinie sei im vergangenen Jahr ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet worden. Eine Strafe sei nach Angaben der Bundesregierung aber nicht zu erwarten. Finanzielle Sanktionen seien „überhaupt erst nach einer etwaigen Verurteilung in einem Zweitverfahren vor dem EuGH“ möglich. Im Rahmen der Novelle des Telekommunikationsgesetz, will die Bundesregierung die Regelungen für Notrufe überarbeiten und rechtliche Vorgaben für die Anbieter von Notrufapps schaffen. Nach derzeitigen Planungen soll sich das Bundeskabinett noch in diesem Jahr mit dem Gesetzentwurf befassen.
Die derzeit geplante App für Menschen mit Hörbehinderungen und Taube liege in der Verantwortung der Länder, die Federführung habe das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen.
hib - heute im bundestag | Nr. 1210 | Mo., 9. November 2020
Recht
Unerwarteter Erfolg in Kassel: Das Bundessozialgericht (BSG) lässt eine Revision in einem Musterstreitverfahren zu. Dabei geht es um die Erwerbsminderungsrente von rund 1,8 Millionen Menschen im Land. Das BSG nahm eine Nichtzulassungsbeschwerde zur Entscheidung an, die der Sozialverband VdK und der Sozialverband Deutschland (SoVD) gemeinsam eingelegt hatten. (BSG Az.: B 13 R 100/20 B). Der VdK zeigt sich erfreut über die Entscheidung der Kasseler Richter.
VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte dazu: „Ich bin sehr froh, dass wir das enge Nadelöhr für unseren Kläger beim Bundessozialgericht durchschritten haben. Das Bundessozialgericht misst dem Fall grundsätzliche Bedeutung zu. Nun wird entschieden, ob den Erwerbsminderungsrentnern Gerechtigkeit widerfährt. 1,8 Millionen Rentnerinnen und Rentner dürfen auf höhere Renten hoffen, wenn die Stichtagsregelung fallen sollte. Für uns ist klar: Es muss gleiches Recht für alle her.“
Das BSG lehnt die meisten Nichtzulassungsbeschwerden ab. Im Jahr 2019 waren laut BSG nur rund acht Prozent der Nichtzulassungsbeschwerden erfolgreich. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) begrüßt die Entscheidung des 13. Senats in Kassel, die Revision zuzulassen.
Der SoVD-Vorsitzende Adolf Bauer sagte dazu: „Die Erwerbsminderungsrentner sind in den vergangenen Jahren mehrfach leer ausgegangen. Wir hoffen deshalb auf eine Grundsatzentscheidung im Sinne unseres Klägers. Das Bundessozialgericht kann nun einen Fehler der Bundesregierung korrigieren. Der Staat benachteiligt erwerbsgeminderte Bestandsrentner und bevorzugt Neurentner. Gerecht ist aber nur eine Gleichbehandlung. Sollte das Bundessozialgericht anderer Meinung sein, legen wir den Fall dem Bundesverfassungsgericht vor.“
Der Kläger des Musterverfahrens wohnt in Mülheim an der Ruhr in NRW. Er bezieht seit 16 Jahren Erwerbsminderungsrente. Er wehrt sich gegen eine Stichtagsregelung, die Neurentner seit Januar 2019 besserstellt. Die neue Regel besagt: Wer nach dem Stichtag Erwerbsminderungsrente beantragt hat, der profitiert von höheren Zurechnungszeiten und kassiert somit mehr Rente pro Monat. Wer vor dem Stichtag EM-Rente beantragte, bekommt keine höhere Rente. Würde der Kläger von der neuen Regel profitieren, bekäme er etwa 100 Euro mehr Rente pro Monat. Mit dem VdK und dem SoVD an seiner Seite klagt er deshalb nun auf Gleichbehandlung. Mit der Entscheidung über die Revision durch das Bundessozialgericht rechnen die Verbände im kommenden Jahr.
Gemeinsame Pressemitteilung des VdK und des SoVD, 13.11.2020
Aus dem Bundestag
Gesundheits- und Sozialexperten befürworten, dass die Kosten für medizinisch notwendige Brillen wieder in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen werden. Insbesondere sozial schwächere Bevölkerungsgruppen könnten sich Brillen kaum leisten und seien in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe eingeschränkt, argumentierten Sozialverbände anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestags am Mittwoch über Anträge der Oppositionsfraktionen.
Die FDP-Fraktion spricht sich dafür aus, Sehhilfen als Satzungsleistung der Kassen zuzulassen (19/18913). Die Grünen-Fraktion will, dass die Kosten für medizinisch notwendige Sehhilfen wieder von der GKV übernommen werden (19/8566). Auch die AfD-Fraktion fordert eine erweiterte Versorgung von Patienten mit Sehhilfen (19/4316). Nach Ansicht der Linksfraktion sollten die mit dem GKV-Modernisierungsgesetz 2003 beschlossenen Leistungskürzungen zurückgenommen werden (19/6057).
Die Sozial- und Gesundheitsverbände schlossen sich in der Zielsetzung den Forderungen der vier Fraktionen an. Der Verbraucherzentrale Bundesverband erklärte, durch die eingeschränkten Leistungen bei Sehhilfen seien Versicherte mit Fehlsichtigkeit einseitig belastet. Bei Brillen sollten die Kosten einer medizinisch notwendigen Versorgung entsprechend dem Wirtschaftlichkeitsgebot von den Kassen übernommen werden.
Die Caritas wies darauf hin, dass Empfänger von Transferleistungen die Brillen aus dem Regelsatz finanzieren müssten. Die Festbeträge umfassten grundsätzlich nicht die Kosten der Entspiegelung einer Brille. Die Entspiegelung sei jedoch bei hochbrechenden Gläsern ab einer bestimmten Refraktionsstärke aufgrund des Materials keine kosmetische Frage, sondern medizinisch geboten.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erklärte, auch weniger starke Sehstörungen könnten zu erheblichen Beeinträchtigungen der Teilhabe führen. Daher sei die Forderung nach einem erweiterten Leistungsanspruch auf Erstattung von Sehhilfen nachvollziehbar.
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) erklärte, schlechtes Sehen führe häufig zu einer geringeren sozialen Integration, einer geminderten Lebensqualität und einem niedrigeren sozialökonomischen Status. Zugleich werde das Risiko für weitere Gesundheitsprobleme erhöht, etwa durch Sturzgefahr. Auch Sehhilfen für Versicherte mit weniger hohen Dioptrien-Werten seien für die chancengerechte Teilhabe zwingend erforderlich.
hib - heute im bundestag | Nr. 1196 | Mi., 4. November 2020
Recht
Der Autor Constantin Eberhardt bespricht in dem vorliegenden Beitrag einen Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 28.08.2019 – 51 BV 6433/19.
Die Entscheidung befasst sich mit den Anforderungen an das Merkmal der Erforderlichkeit der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen gem. § 179 Abs. 4 S. 3 SGB IX – dessen Vorliegen ist Voraussetzung für die Freistellung der SBV sowie die Kostenübernahme durch Arbeitgeberin oder Arbeitgeber.
Das Gericht legt ausführlich dar, dass hierfür grundsätzlich zwischen Veranstaltungen, die der Vermittlung von Grundkenntnissen dienen, und solchen mit weitergehenden Schulungsinhalten zu differenzieren ist. Außerdem wird darauf eingegangen, inwiefern die Erforderlichkeit der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber gegenüber dargelegt und dafür auch auf die konkreten betrieblichen Bedarfe eingegangen werden sollte. Der dahingehend begrüßenswert ausführliche Beschluss wird genutzt, um die geltende Rechtsprechung zum Begriff der Erforderlichkeit i. S. d 179 Abs. 4 S. 3 SGB IX zusammenfassend nachzuzeichnen.
Link zum Beitrag: www.reha-recht.de
REHEDAT-Wissensreihe
Wie können Menschen mit einer Hörbehinderung möglichst gut am Berufsleben teilhaben? Antworten auf diese Frage gibt der neueste Band der REHADAT-Wissensreihe mit dem Titel „Ich hör‘ wohl nicht richtig?!“. Die Veröffentlichung beschreibt, wie Arbeit für Menschen mit einer Hörbehinderung gestaltet werden kann und hilft, die Beeinträchtigung besser zu verstehen.
Hochrechnungen zufolge gibt es in Deutschland acht Millionen erwachsene Menschen mit einer so gravierenden Hörbeeinträchtigung, dass eine Hörhilfe oder medizinische Behandlung notwendig ist. Eine REHADAT-Befragung von Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit ergab, dass drei Viertel von ihnen herausfordernde Hörsituationen im beruflichen Alltag erleben. Gut die Hälfte fühlt sich nicht ausreichend zum Thema „Hörbeeinträchtigung und Beruf“ informiert. Immerhin kritisierte nur ein Viertel der Befragten eine wenig unterstützende Unternehmenskultur.
Die Ergebnisse sind in die neueste REHADAT-Wissensreihe eingeflossen. Die Broschüre beschreibt kommunikationsfördernde, organisatorische und technische Lösungsansätze, um Arbeitsbedingungen an die Bedürfnisse von Beschäftigten mit Hörbehinderung anzupassen.
Darüber hinaus erhalten Interessierte grundlegende Informationen über das Thema Hörbehinderung und deren Auswirkungen auf das Arbeitsleben, z. B. Informationen über die Arten von Schwerhörigkeit, Hörhilfen, Kommunikationsformen, den Grad der Behinderung, Arbeitsschutz und Barrierefreiheit. Ergänzt werden die Informationen durch drei Interviews aus dem beruflichen Alltag.
Die Broschüre schließt mit weiterführenden Hinweisen auf REHADAT (u. a. auf Praxisbeispiele, Hilfsmittel, Ansprechstellen, Urteile, Literaturhinweise) und externe Quellen.
Die REHADAT-Wissensreihe wendet sich an Unternehmen, betroffene Beschäftigte sowie alle Fachleute, die an der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen oder Erkrankung beteiligt sind.
Hier finden Sie die neueste Ausgabe der REHADAT-Wissensreihe sowie die Ergebnisse der Umfrage: www.rehadat.de
Buch-Tipp
Die Frage nach Ungleichheit in Deutschland wird oft gestellt. Gibt es sie, und woran kann sie festgemacht bzw. wie kann sie gemessen werden? Wer profitiert, wer verliert? Welche Einflüsse sind tradiert, welche neu? Wie kann Fehlentwicklungen entgegengewirkt werden? Diesen Fragen geht das Buch nach.
Wächst die Ungleichheit in Deutschland? Teils historisch bedingt, teils als Folge der Globalisierung bestehen, so Christoph Butterwegge, in unserer Gesellschaft gravierende Unterschiede, sowohl mit Blick auf die wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten als auch die politische Teilhabe von Menschen.
Welche Gruppen sind Gewinner, welche Verlierer dieser Entwicklung? Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang politische und wirtschaftliche Entscheidungen, und welche Konsequenzen hat die Ausdifferenzierung sozialer Lagen, nicht zuletzt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie?
Butterwegge sieht eine über Jahrzehnte hinweg problematische, ja fehlgeleitete Wirtschafts- und Sozialpolitik als Ursache von Ungleichheit und prangert politisch-ökonomische Ansätze und Reformen im Sinne der Selbstoptimierung für den Markt, individueller Verantwortung oder Leistungserwartung an. Sie seien weder geeignet, die Kapitalakkumulation der Reichen zu stoppen, noch dienten sie dem sozialstaatlichen Kernanliegen, nach dem Lohnarbeit eine auskömmliche Lebensführung und umfassende Teilhabe zu gewährleisten habe. So würden prekäre Lebenslagen verfestigt, der Gegensatz zwischen Begünstigten und Benachteiligten in allen seinen Belangen verschärft und die Abwendung von unserer Demokratie forciert.
Christoph Butterwegge, 414 Seiten, Erscheinungsdatum: 12.10.2020, Bestellnummer: 10537
Erhältlich bei der Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) www.bpb.de
Recht
Das LG München I hat entschieden, dass ein sehbehinderter Fußballfan von einem Fußballverein keinen Schadensersatz wegen Diskriminierung verlangen kann, weil er das Ticket für eine Begleitperson bezahlen musste und keine Freikarte erhalten hat.
Der stark sehbeeinträchtigte Kläger, der Inhaber eines Schwerbehindertenausweises der Kategorie B ist, buchte zwei Tickets für sich und seine Begleitperson für ein von dem Beklagten am 08.02.2020 veranstaltetes Fußballspiel über das Online-Portal einer Stiftung. Bei der Online-Buchung musste der Kläger für das Ticket seiner Begleitperson 16,50 Euro entrichten, die er zunächst auch bezahlte, dann jedoch von dem beklagten Fußballverein zurückforderte. Der Kläger brachte vor, dass der beklagte Verein Rollstuhlfahrer und Sehbeeinträchtigte nicht gleichbehandele. Während Rollstuhlfahrer für ihre Begleitperson ein gratis Ticket für den Besuch eines Fußballspiels erhalten könnten, habe der Kläger als Sehbehinderter für seine Begleitperson 16,50 Euro bezahlen müssen. Deshalb verlangte er vor dem Prozess Schadensersatz in Höhe von 1.860 Euro. Der Beklagte zahlte ihm nur den Betrag von 16,50 Euro zurück. Die danach verbleibenden 1.843,50 Euro verlangte der Kläger mit der Klage als Schmerzensgeld für die – seiner Ansicht nach – erlittene Diskriminierung; daneben verlangte der Kläger, dass der Beklagte eine solche Diskriminierung zukünftig unterlassen solle.
Das LG München I hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des Landgerichts lag keine Diskriminierung vor. Nach Lage der Dinge behandele vielmehr der beklagte Fußballverein alle Begleitpersonen von Inhabern eines Behindertenausweises der Kategorie B gleich, ohne Unterschied bzw. ohne Ansehen der Art der Beeinträchtigung.
Freikarten für Begleiter von Inhabern eines entsprechenden Behindertenausweises gebe der Verein generell nur aus, wenn sie direkt bei der Geschäftsstelle des Vereins online oder analog bestellt werden und ein dort hinterlegtes Maximalkontingent noch nicht erschöpft sei. Diese Regelung für Freikarten gelte unterschiedslos für jede Person, die Inhaber eines Schwerbehindertenausweises der Kategorie B sei. Sie sei schon deshalb nichtdiskriminierend, weil die Voraussetzungen für den Kläger und alle anderen Inhaberinnen und Inhaber eines entsprechenden Schwerbehindertenausweises zur kostenlosen Mitnahme einer Begleitperson identisch seien. Die Einschränkungen je nach Kontingent oder Buchungsart als solche seien ebenfalls nichtdiskriminierend, da sie für alle Begleitpersonen gleichermaßen gelten.
Dass der Verein dem Kläger den Betrag von 16,50 Euro trotzdem auf dessen Beschwerde hin zurückerstattet und sich bei ihm entschuldigt habe, könne nicht als Anerkenntnis einer Diskriminierung seitens des Beklagten gewertet werden.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des LG München I Nr. 23/2020 v. 05.11.2020
Deutscher Personalrätepreis 2020
„Mit unserer Inklusionsvereinbarung wollen wir zum einen Beschäftigte mit Behinderungen motivieren, ihre Rechte wahrzunehmen und zum anderen, Verständnis und Toleranz im Miteinander zwischen allen Beschäftigten fördern.“
Eine Arbeitsgruppe, der die Vertrauensperson, PR-Mitglieder und die beiden Inklusionsbeauftragten angehörten, stellt das Projekt im Senat der Hochschule, sowie in einer Personalversammlung vor. Hierdurch wurde die interne Öffentlichkeit informiert und sensibilisiert. Nach mehreren Verhandlungen mit der Dienststelle innerhalb von 13 Monaten wurde die Inklusionsvereinbarung im März 2020 unterzeichnet. Herzlichen Glückwunsch!
Link zum Projekt: www.bund-verlag.de
PDF-Download der Inklusionsvereinbarung: www.hs-hannover.de
Recht
Der Begriff der Mehrarbeit ist in seinem jeweiligen Kontext zu verstehen; er kann tarifvertraglich eine andere Bedeutung haben als in dem einen oder dem anderen Gesetz (Vergütungsrecht / Gesundheitsschutz).
Mehrarbeit im Sinne des § 207 SGB IX ist jede über acht Stunden täglich hinausgehende Arbeitszeit. Rufbereitschaft wird hiervon grundsätzlich nicht umfasst, solange ein Abruf nicht erfolgt. Das Verbot der Mehrarbeit in § 207 SGB IX erfasst darüber hinaus nicht Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als solche, denn mit der Norm soll sichergestellt werden, dass die Leistungsfähigkeit schwerbehinderter Menschen nicht durch zu lange tägliche Arbeitszeiten überbeansprucht und deren Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefördert werden.
Rufbereitschaft ist Arbeitszeit und damit Mehrarbeit im Sinne des § 207 SGB IX, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anweist, innerhalb der Rufbereitschaft die Arbeit in einer derart kurzen Zeit aufzunehmen, dass der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort während der Rufbereitschaftszeit nicht mehr frei bestimmen kann.
LAG Rheinland-Pfalz, 21.07.2020 - 8 Sa 438/19
Link zum Urteil: www.landesrecht.rlp.de
Recht
Hat ein als behinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 30 anerkannter Arbeitnehmer die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen beantragt und dies dem Arbeitgeber mitgeteilt, ist der Arbeitgeber nicht nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung von der beabsichtigten Umsetzung dieses Arbeitnehmers (vorsorglich) zu unterrichten und sie hierzu anzuhören, wenn über den Gleichstellungsantrag zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden ist.
BAG 7. Senat, 7 ABR 18/18, 22.01.2020
Link zum Urteil: ww.rehadat-recht.de
Reportage
Vielen Menschen mit Behinderung bleibt der Arbeitsmarkt verschlossen. Werkstätten für Menschen mit Behinderung bilden einen unsichtbaren Massenmarkt in Deutschland. Der Komplex beschäftigt 300.000 von ihnen. Über eine Parallelwelt, die kaum jemand kennt.
Eine Reportage auf zeitenspiegel.de, zuerst erschienen in der Frankfurter Rundschau am 17. Oktober 2020.
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