Wenn du es nicht tust, macht es niemand. Was? Die Interessen der betroffenen Menschen vertreten! Das verlangt ein offensives, aber strategisches Vorgehen. Gremien der verschiedensten Art bieten im Betrieb und in der Dienststelle die Gelegenheit, tätig zu werden. Und wenn du es gut anstellst, werden Sie dir überall gern zuhören.
„Behindertengerecht ist menschengerecht!“1
Dieser Ausspruch des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker aus dem Jahr 1993 könnte dir helfen, in den Gremien, bei Kolleginnen und Kollegen, bei Vorgesetzten und den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern Gehör zu finden.
Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert Inklusion, also die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Inklusion ist also ein Menschenrecht.
Es schadet nicht, hin und wieder deutlich zu machen, dass nicht behindert zu sein kein persönlicher Verdienst ist, sondern nur ein mehr oder minder glücklicher Umstand. Und dass sich dieser Umstand für deine Mitmenschen schon in der nächsten Minute, morgen, in einem Monat oder in einem Jahr völlig verändern kann. Behinderung bedeutet nicht das Ende von Allem. Ganz im Gegenteil – es bedeutet der Beginn von etwas Neuem, häufig mit verschiedenartigsten Veränderungen im Leben verbunden, die natürlich nicht nur negativ sind. Oft bedeutet eine Behinderung aber, dass es besonderer, behinderungsgerechter Maßnahmen im Berufsleben bedarf. Dafür setzen sich die Schwerbehindertenvertretungen ein!
Eine barrierefreie Welt, ein barrierefreier Betrieb dient nicht nur den augenblicklich Betroffenen. Eine umfassende Barrierefreiheit dient allen Menschen und hilft jedoch insbesondere behinderten Menschen, die Teilhabe am Leben wahrzunehmen.
„Mitwirken“ heißt „Mitgestalten“
Überall im Betrieb und in der Dienststelle gilt es, die Interessen der schwerbehinderten Beschäftigten zu vertreten. Vielleicht stehen bauliche Veränderungen an, Arbeitsabläufe werden neu organisiert, neue Maschinen und Geräte werden beschafft, eine Software installiert, das betriebliche Eingliederungsmanagement wird eingeführt, ein Prämiensystem ausgehandelt, Homeoffice-Regelungen werden vereinbart, und, und, und…..
Jedem fällt nach kurzer Überlegung etwas anderes ein. Und all diese Vorgängen haben eins gemeinsam: Es ist zu prüfen, ob einzelne Menschen oder die Gruppe der Menschen mit Behinderung betroffen sind. Fällt diese Prüfung positiv aus, ist schnell klar, dass die SBV handeln muss. Besonders dann, wenn der Arbeitgeber bis dahin die SBV nicht beteiligt hat (§ 164 Abs. 4 SGB IX), was natürlich hin und wieder vorkommt.
Die Schwerbehindertenvertretung hat auch ein Teilnahmerecht an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses (ASA) nach § 178 Abs. 4 SGB IX, die der Arbeitgeber mindestens vierteljährlich einberufen muss. Da dieser Ausschuss die wichtigen Themen der Unfallverhütung und des Arbeitsschutzes behandelt, ist die Mitwirkung der SBV notwendig.
Grundsätzlich gilt, dass die SBV ihre Expertise in alle Vorgänge einbringen kann und auch sollte, von denen die behinderten, schwerbehinderten, gleichgestellten und von Behinderung bedrohten Beschäftigten betroffen sind.
Beraten, aber gute Ratschläge vermeiden!
Ein großer Teil der Tätigkeit einer SBV besteht aus der Beratung von Kolleginnen und Kollegen. Diese sollten sich jederzeit an die SBV wenden können. Die Schwerbehindertenvertretung ist verpflichtet, Beschwerden, Anregungen und Problemschilderungen entgegenzunehmen, zu prüfen und ggf. entsprechend zu handeln (§178 Abs.1 Satz 3 SGB IX).
Die Anliegen können verschiedenster Art sein. Antragsverfahren, Ausstattung des Arbeitsplatzes, Nachteilsausgleiche, Konfliktsituationen mit Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen oder gar die Sorge um die berufliche Zukunft und damit der sozialen Existenz sind einige Probleme, mit denen sich betroffene an die SBV wenden.
Ein gutes Beratungsgespräch beginnt damit, grundsätzliche Fragen der Zuständigkeit, sowie der Vertraulichkeit zu erörtern und die augenblickliche Situation zu klären. Was möchte die ratsuchende Person, also was ist das akute Problem? Sind diese Fragen geklärt, geht es an die Problemlösung. Wichtig ist: Die SBV fungiert als Beraterin. Gutgemeinte, scheinbar mutmachende Ratschläge oder Unterstützung von Fehleinschätzungen helfen den Ratsuchenden nicht. Das bedeutet, dass vielleicht auch mal ein Beratungsgespräch vertagt werden muss, damit die Vertrauensperson sich informieren und mit dem Sachverhalt vertraut machen kann.
Meist muss die Vertrauensperson zur Klärung eines Sachverhaltes die entsprechenden Personen kontaktieren oder den Betriebsarzt oder die Fachkraft für Arbeitssicherheit hinzuziehen. Auch die externen Akteure, wie Integrationsamt, Agentur für Arbeit oder die zuständige Berufsgenossenschaft können behilflich sein. Auf alle Fälle muss die SBV am Ball bleiben und darauf achten, dass die Anliegen der Betroffenen zu einer Klärung führen.
Die Komplexität und Vielfalt der Vorgänge verlangen nach einer guten Organisation und Dokumentation. Nur so sind Abläufe nachvollziehbar und Verantwortlichkeiten deutlich zu machen.
Gute Beratung und Gesprächsführung ist natürlicherweise nicht allen in die Wiege gelegt. In den gewerkschaftlichen SBV-Seminaren werden grundlegende Kenntnisse vermittelt.
Informieren, aber wen….
Heutzutage werden viele Menschen im Berufsleben mit Informationen geradezu überschüttet. Deswegen ist es wichtig, dass die SBV Strategien entwickelt, ihre Informationen zielgerichtet in den Betrieb oder die Dienststelle zu geben. Dabei können die betriebsüblichen Wege, wie Mail, Internet oder Intranet, Betriebszeitungen oder eigene Publikationen genutzt werden.
Digitale Beteiligungsformen werden im Zeitalter des vermehrten Homeoffice an Bedeutung gewinnen. Vielleicht gibt es unter den Kolleginnen und Kollegen jemanden, der sich besonders gut mit diesen technischen Möglichkeiten auskennt. Und jemand anders hat ein besonderes gestalterisches Geschick. Mit einer derartigen Arbeitsteilung kann man auch Menschen für die Arbeit der SBV interessieren und sie müssen nicht gleich Verantwortung tragen.
Für spezielle Themen, gibt es Faltblätter und Infobroschüren, wie zum Beispiel von der Deutschen Rentenversicherung, oder der Gesetzlichen Unfallversicherung.
Welche Gruppen gibt es, für die SBV-Informationen wichtig sind oder sein könnten?
Da ist zunächst die Gruppe der Betroffenen. Für sie können Informationen über Ansprechpersonen, Sprechzeiten, Kontaktmöglichkeiten, gesetzliche Änderungen, Fristen, Möglichkeiten der Rehabilitation, usw. interessant sein.
Dann gibt es die große Gruppe der Belegschaft. Für diese Kolleginnen und Kollegen sind allgemeine Informationen über die Tätigkeit der SBV und wie sie in Anspruch genommen werden kann, wichtig. Personal- oder Betriebsversammlungen können neben den üblichen Kommunikationswegen ein geeigneter Anlass sein. Ein Tisch mit Informationsmaterial, eine anwesende Ansprechperson und schon ist ein Kontakt hergestellt.
Die Gremienmitglieder (PR, BR, MAV, JAV), aber auch Gleichstellungsbeauftragte und Inklusionsbeauftragte, sowie Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit sollten über die Aktivitäten der SBV informiert werden.
Die Gruppe der betrieblichen Entscheidungsträger, bzw. Verantwortlichen ist wichtig und nicht zu vernachlässigen. Sie müssen die Vertrauensperson, ggf. die Stellvertretenden kennen und wissen, in welchen Fällen sie diese einzubeziehen haben, aber auch um Rat fragen können.
Grundsätzlich ist ein gutes und vertrauensvolles Miteinander im Sinne der Betroffenen und des Betriebes oder der Dienststelle.
Tue Gutes und rede drüber….
Eine Schwerbehindertenvertretung agiert die meiste Zeit im „Verborgenen“, d.h. nur wenige Kolleginnen und Kollegen nehmen die Arbeit der SBV direkt zur Kenntnis, weil sie Kontakt zu ihr haben. Das liegt natürlich zunächst am Wesen der Arbeit, die überwiegend von Daten- und Persönlichkeitsschutz, sowie Vertraulichkeit geprägt ist.
Aber es ist nicht verboten, die Aufgaben, die Arbeit und Arbeitsweise der SBV intern darzustellen. Das zu tun, erhöht die Akzeptanz dieser Interessenvertretung und wird in den meisten Fällen dazu führen, dass sich mehr Kolleginnen und Kollegen an die SBV wenden und sich ggf. auch mehr Menschen für die Wahl zur SBV interessieren. Ein hoher Bekanntheitsgrad in Betrieb und Dienststelle kann auch die Akzeptanz des Arbeitgebers gegenüber der SBV spürbar erhöhen.
Auf Betriebs- und Personalversammlungen einen kurzen Beitrag zu leisten, der am besten kurzweilig oder in interessanter, ungewöhnlicher Form vorgetragen wird, hat schon häufig zur Auflockerung einer ansonsten trockenen Veranstaltung beigetragen.
Das gute, alte „Schwarze Brett“ – an prominenter Stelle angebracht – ist auch in Zeiten der Digitalisierung eine hervorragende und akzeptierte Form der Informationsvermittlung. Allerdings müssen Aushänge immer aktuell sein, denn nichts ist langweiliger und führt zur Ignoranz, als das Flugblatt vom Vorjahr! Häufig muss man das Rad nicht selbst neu erfinden, sondern man kann das Material verschiedenster Institutionen und Akteure nutzen. Letztlich dient das „Schwarze Brett“ natürlich auch für die Aushänge zur SBV-Wahl!
1 Im Sinne der beruflichen Teilhabe des einzelnen Menschen muss es heißen: Behinderungsgerecht ist menschengerecht, denn jede Behinderung bedarf individueller Betrachtung und u.U. individueller Arbeitsplatzanpassung. Das ändert nichts an der Richtigkeit der Aussage des damaligen Bundespräsidenten!
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